Vor bald zehn Jahren verwirklichte sich Stephan Herter den Traum vom eigenen Weingut.

Vor bald zehn Jahren verwirklichte sich Stephan Herter den Traum vom eigenen Weingut.
© Jörg Wilczek

Stephan Herter: Selfmade-Winzer aus Zürich

Seit bald zehn Jahren bannt Stephan Herter eines der besten Zürcher Terroirs in Flaschen. Am Taggenberg bei Winterthur keltert er Weine, die zu den spannendsten des ganzen Kantons gehören. Sein Ziel: Natürliche Harmonie.

Stephan Herter ist gelernter Koch. Er arbeitete viele Jahre im Weinhandel, bereiste die renommiertesten Anbaugebiete Europas und entwickelte dabei den Traum selbst einmal «einen Most auf die Flasche zu bringen». Aufgefallen ist er schon mit seinem ersten Jahrgang – mit seinen T-Shirts einschlägiger Rockbands, mit den ausgefallenen Etiketten und nicht zuletzt mit seinen Weinen, die zum Spannendsten gehören, was die Rebgärten des Kantons Zürich hergeben.

Dass Stephan Herter ausgerechnet unweit seiner Wahlheimat Winterthur Wein machen würde, ist nur zu einem kleinen Teil dem Zufall geschuldet. Durch seine Zeit im Weinhandel und seine Lehr- und Wanderjahre im In- und Ausland wusste er genau, was ihn beim Weinmachen besonders interessiert – das Einfangen eines einzigartigen Terroirs. Herter wollte von Beginn an Weine machen, die Ausdruck ihrer Umgebung sind und weniger geschmackliche Kopfgeburten eines Weinmachers. Doch dazu braucht es einerseits eine Umgebung, die in der Lage ist, der Rebe beste Bedingungen zu bieten und andererseits einen Winzer, der die Ruhe findet, dies zuzulassen.

Ein Terroir, dass das Zeug genau dazu hat, hat Herter im Taggenberg gefunden, der Lage die heute Herzstück seines Betriebs ist. Die Böden des exponierten Taggenbergs sind für die Region einzigartig. Vor Urzeiten haben Gletscher Jurakalk hierher getragen, wie man ihn aus Regionen wie der Champagne oder dem Burgund kennt. Die Böden am Taggenberg sind arm an organischem Material und damit für die Landwirtschaft eigentlich nur bedingt geeignet. «Sogar der Wald oberhalb unserer Reb­terrassen ist karg», sagt Herter. «Es gibt hier fast nur alte Eichen, für junge Bäume hat der Boden zu wenig Kraft.»

Was für viele andere Kulturen ein Hindernis wäre, ist für den Anbau erstklassiger Trauben und ebensolchem Obst nahezu ideal. «Die qualitativ besten Trauben ernten wir auf einem Teilstück des Taggenbergs, das so wenig natürlichen Bewuchs hat, dass wir diesen eigentlich nie mähen müssen», sagt Herter. Fast schon mediterran geprägt sei die Flora an diesen Stellen, mit Kräutern und Klee. Herter ist ein guter Beobachter, von Beginn an wollte er Wein mit der Natur und der Umgebung machen, nicht gegen sie.

«Eine andere Option als die Reben ohne Gift – also chemisch-synthetische Dünger und Spritzmittel – zu pflegen, gab es für mich nie», sagt er aus tiefer Überzeugung. In den letzten zehn Jahren hat Herter deshalb die Umgebung seiner Reben immer weiter optimiert, die Artenvielfalt erhöht, bewusst Freiräume für Insekten, Reptilien und andere Tiere geschaffen. Ein intaktes Ökosystem ist für ihn eine Grundvoraussetzung für harmonischen Wein und kein Verkaufs­argument.

Reben aus dem Burgund

Die gut 40 Jahre alten Reben am Taggenberg pflanzte der heute in Neuseeland tätige Schweizer Weinmacher Hans Herzog. Dessen visionäre Ansichten kommen Herter heute zugute. Denn bei einem Teil der Pinot-Noir-Stöcke am Taggenberg handelt es sich um Klone aus der legendären Burgunder-Gemeinde Vosne-Romanée, die Sauvignon-Blanc-Klone kommen von der Loire und auch das restliche Pflanzmaterial ist von herausragender Qualität.

Die Trauben der Reben mit Burgunderherkunft baut Herter heute separat zu seinem Spitzen-Pinot-Noir Ruprecht aus. Ein Monument eines Deutschschweizer Weins. Nicht leicht und hellfarbig, wie man sich einen Pinot Noir vielleicht vorstellt, sondern eher auf der kräftigen Seite angesiedelt. In den ersten Jahren haderte Stephan Herter noch mit der Kraft in seinen Weinen, der Konzentration. Als Burgunder-Fan ist er ein Verfechter der Leichtigkeit, doch das Terroir am Taggenberg gibt die Trauben dafür nicht her. «Ich musste die Kraft in meinen Pinot Noirs zuerst akzeptieren. Nach zehn Jahren weiss ich, dass der Charakter dieser Lage zuzuschreiben ist.» Eine wegweisende Erkenntnis für den Winzer.

Den Erfolg seiner Weine nämlich hat ihr Charakter gefördert und ihm keinesfalls geschadet. Sie sind heute in einigen der besten Restaurants der Schweiz und auch bei renommierten Händlern zu finden. Herter gehört zu den Winzern, die es schaffen auch Skeptiker des heimischen Weinschaffens zu überzeugen und von denen gibt es im Kanton Zürich auch heute noch mehr als genug. Sogar Exportanfragen aus Deutschland und Skandinavien lehnte Herter wiederholt ab. «Solange mein Wein vor der Haustüre getrunken wird, soll er auch hier getrunken werden», sagt er dazu trocken; und fügt an: «Ich versuche doch nicht so nah an der Natur wie möglich zu arbeiten, um dann den guten ökologischen Fussabdruck meiner Produkte mit einem Transport nach Kopenhagen zu zerstören.»

Stephan Herters Weine entstehen im Einklang mit der Natur. Nachhaltigkeit zieht sich vom Rebberg über den Keller bis zum Vertrieb.
© Jörg Wilczek
Stephan Herters Weine entstehen im Einklang mit der Natur. Nachhaltigkeit zieht sich vom Rebberg über den Keller bis zum Vertrieb.

Etikette vom Plakatkünstler

Verantwortlich für den Erfolg und die Aufmerksamkeit für die Herter-Weine ist aber nicht nur deren Charakter oder die kompromisslose Ausrichtung ihres Machers, sondern auch ihr Antlitz. Das einzigartige ins Auge fallende Etikettendesign stammt aus der Feder des Zürcher Plakatkünstlers und Typografen Michel Casarramona. Dieser hat sich mit Designs für Konzerte, Bands und alternative Veranstaltungen einen Namen weit über die Schweiz hinaus gemacht. Für Stephan Herters Etiketten entwarf er Fabelwesen, die den Charakter seiner verschiedenen Weine visualisieren. Rufus der Luchs etwa steht stellvertretend für Herters Sauvignon Blanc, die Eule Strix für den Chardonnay und der Dachs Grimbart für einen der zwei Pinot Noirs aus der Lage Taggenberg.

So innovativ und zukunftsweisend Stephan Herters Weg als Winzer auch ist – einfach ist er nicht. Jahre wie das aktuelle sind für ihn und viele seiner Berufskollegen einmal mehr einschneidend. Durch die starken Regenfälle in Verbindung mit den hohen Temperaturen wurden die Trauben früh vom Mehltau heimgesucht und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, besorgte ein Hagelsturm Mitte Juli am Taggenberg den Rest. Herter rechnet mit 100 Prozent Ausfall. Eine Katastophe sondergleichen.

Für Stephan Herter aber leider nichts Neues, denn er wurde bereits mehrmals von Extremwetter heimgesucht. Seine Zweitlinie Väterchen Frost, die neben den Weinen aus den eigenen Lagen existiert, entstand in genau einer solchen – den Frostjahren 2016 und 2017. Damals verlor Herter ebenfalls fast die gesamte Ernte und musste um die Existenz seines Weinguts ringen. Dank Trauben von befreundeten Winzern und Väterchen Frost konnte sein Betrieb jedoch überleben. Heute machen diese Weine rund 50 Prozent der Produktion aus. Die Trauben stammen von Rebbauern in der Umgebung, mit denen Herter langfristige, gegenseitig befruchtende Partnerschaften eingeht.

Für den Jahrgang 2021 stampfte Herter innert weniger Tage das Projekt «What The Hail» aus dem Boden. Die Kunden greifen dem jungen Weingut beim Traubenkauf unter die Arme und erhalten dafür in einigen Monaten ein paar Flaschen vom vorfinanzierten Wein. Die einzige Option für das junge Weingut, um ein weiteres Katastrophenjahr zu überstehen. Für Herter Wein steht viel auf dem Spiel.

Stephan Herter ernährt mit seinem Weingut nicht nur sich und seine eigene Familie, sondern beschäftigt auch zwei Mitarbeiter – beide einst Lehrlinge beim begnadeten Weinmacher, heute seine «Komplizen», wie sie sich selbst nennen. Den Einfluss der Mitarbeiter lässt Herter bewusst zu, fördert ihn gar – ähnlich wie im Rebberg, wo durch grösste Vielfalt die Harmonie gestärkt wird. Mitarbeiter Francesco Vitali brachte im letzten Jahr seinen ersten eigenen Wein aus dem Herter-Keller auf den Markt, ein Pinot Noir aus einer toskanischen Amphore, eine eigene Interpretation der Lage Taggenberg ganz ohne Holzeinsatz. Ein hochfeiner Wein mit ganz eigenem Charakter. Und auch David Geiger, der Dritte im Bunde, soll seinen Weg mit eigenen Produkten finden, das wünscht sich der Chef ausdrücklich. Stephan Herter schafft Freiräume für Pflanzen, Tiere und Menschen – der Harmonie ist das in jedem Fall auf vielen Ebenen zuträglich.


Best of Herter Wein

94 Falstaff Punkte
Ruprecht Pinot Noir 2019, Taggenberg AOC Zürich

Recht intensive Farbe. Reif wirkende, dunkle und rote Beerenfrucht, Himbeere, Zwetschge, Cassis, Holunderbeere, dezent Orangenzeste. Am Gaumen intensiv und zupackend mit würzigen Eichenholznoten, etwas Nelken und Piment, Dörrfrüchte. Endet lang. Noch sehr junger,
 intensiver Pinot Noir.
herterwein.ch, CHF 42,–

93 Falstaff-Punkte
Grimbart Pinot Noir 2019, AOC Zürich

Intensive Kirschfrucht mit Bitter­mandelnuancen, dezent Granatapfel sowie getrocknete Himbeeren. Wirkt sehr natürlich in der Frucht. Am Gaumen von schöner mittlerer Breite und hoher Eleganz. Sehr fein mit feiner Säure, Sauerkirschnoten sowie dezenten Holznuancen. Endet lang mit spürbarem, aber feinem Tannineindruck im Finale.
herterwein.ch, CHF 32,–

93 Falstaff-Punkte
Rufus Sauvignon Blanc 2020, Taggenberg AOC Zürich

Angenehm zurückhaltende, aber durchaus typische Nase mit Noten von Cassis, etwas Stachelbeere, dezente, rauchige Mineralik. Am Gaumen von schöner Präsenz mit eleganter Struktur, grosser Saftigkeit und mineralischem Finale mit reifen Zitrus- und Cassisnoten.
herterwein.ch, CHF 25,–

92 Falstaff Punkte
Ferdinand Räuschling 2020, Taggenberg AOC Zürich

Klare, frische Nase mit Noten von Zitrone, getrockneten Wiesenkräutern sowie reifem, saftigem Obst. Am Gaumen von einer schönen Auftaktsüsse geprägt, mit prägnanter, filligraner Säure, Kräuternoten sowie Nuancen von hellen Steinfrüchten. Langer, intensiver Nachhall,  ein Spitzen-Räuschling vom Taggenberg.
herterwein.ch, CHF 24,–

91 Falstaff Punkte
Adelheid Pinot Cabernet 2019, Vin de Pays Suisse

Intensive, warm und reiffruchtig anmutende Nase mit Noten von Waldfrüchten, Cassislaub sowie sahnigen Anklängen. Mit Luft zusehends kräutriger mit Minzenoten, etwas Heidelbeere. Am Gaumen überraschend leicht mit schönem Schmelz, Beerenfrucht und angenehmer Saftigkeit. Endet lang und harmonisch.
herterwein.ch, CHF 25,–

89 Falstaff-Punkte
Väterchen Frost Vin Mousseux, Vin de Pays Suisse

Flaschenvergorener Schaumwein aus Stephan Herters Zweitlinie Väterchen Frost. In der Nase Noten von exotischen Früchten, Birne, grüner Apfel, dezent Zitrus. Trotz Flaschengärung sehr dezente Hefenoten, wirkt unkompliziert. Am Gaumen klar süsslich mit feiner Perlage und schön ausbalancierender Säure. Endet mittellang und frisch.
herterwein.ch, CHF 25,–


Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
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