Immer öfter werden in den Braukesseln großer Brauereien Maischen für alkoholfreies Bier angesetzt. Hier das Brauhaus der Brauerei Feldschlösschen im schweizerischen Rheinfelden.

Immer öfter werden in den Braukesseln großer Brauereien Maischen für alkoholfreies Bier angesetzt. Hier das Brauhaus der Brauerei Feldschlösschen im schweizerischen Rheinfelden.
© Stefan Bienz | bienz.photography

Alkoholfreies Bier: Und es schmeckt doch

Alkoholfreies Bier schmeckt heute so gut wie niemals zuvor und wird entsprechend oft getrunken. Den Trend möglich machen innovative Brauereien.

Witze über alkoholfreies Bier oder Menschen, die dieses trinken, gibt es zuhauf. Neu allerdings sind diese eher nicht. Dafür aber, dass alkoholfreies Bier angesagt ist wie nie zuvor. 4,2 Millionen Hektoliter alkoholfreies Bier wurden im Jahr 2019 in Deutschland gebraut – das ist fast doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren.

6,4 Prozent aller deutschen Biere sind heute alkoholfrei – Tendenz steigend. Deutschland liegt damit im Mittelfeld. In Österreich sind drei Prozent des gebrauten Bieres alkoholfrei, in Spanien satte 12 Prozent. »Die Einstellung der Konsumenten – und der Brauereien – gegenüber alkoholfreiem Bier hat sich extrem gewandelt«, erklärt Elisa Raus, Bier-Sommelière und Pressesprecherin der Brauerei Störtebeker aus Stralsund. »Früher trank man alkoholfreies Bier nur, wenn man noch fahren musste, heute schämt sich niemand mehr dafür, es auch sonst zu tun.«

Steigende Qualität

Die Geschichte des alkoholfreien Biers ist verhältnismäßig jung, und seine Entstehung hängt tatsächlich eng mit dem Bedürfnis von Autofahrern nach einer hopfigen
Erfrischung zusammen. Entstanden ist es Anfang der 1970er-Jahre. 1972 kam in der ehemaligen DDR das Aubi auf den Markt – kurz für Autofahrerbier. In der DDR galt eine Nulltoleranz für Alkohol am Steuer, und so war das Alkoholfreie durchaus beliebt.

»Heutige alkoholfreie Biere schmecken ganz anders als früher«, erklärt Rüdiger Galm, Leiter Produktentwicklung bei der Schweizer Brauerei Feldschlösschen, den wachsenden Erfolg von alkoholfreiem Bier. »Die Qualität hat sich drastisch verbessert.«

Zur Herstellung von alkoholfreiem Bier gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder wird die Hefe bei der Gärung gestoppt, oder der Alkohol wird nach der vollzogenen Gärung entzogen. »Die Materie ist komplex«, erklärt Tobias Frank, 1. Braumeister bei Ottakringer in Österreich. »Das Ziel von uns Brauern ist es, ein alkoholfreies Bier zu machen, das geschmacklich an ein alkoholhaltiges herankommt. Bei der gestoppten Gärung sind es vor allem die Aromen der unvergorenen Würze, die wir zu verhindern probieren, und damit auch eine überhöhte Süße, beim Alkoholentzug wiederum wollen wir den Charakter des Grundbiers möglichst erhalten.« Zum Einsatz kommt heute dabei modernste Technik.

Häufig werden kombinierte Methoden angewandt. So etwa beim Atlantik-Ale der norddeutschen Brauerei Störtebeker, einem der derzeitigen Spitzenprodukte auf dem Markt. Das hopfenbetonte Ale entsteht aus einer Kombination von zwei Bieren: Ein Teil wird entalkoholisiert und ein Teil mit gestoppter Gärung hergestellt, danach werden die Biere zusammengeführt.

So nutzt Störtebeker die Vor- und Nachteile der beiden Methoden – das Bier mit gestoppter Gärung verfügt über eine gewisse Süße, die dem entalkoholisierten Anteil eigentlich ganz gut steht. Kein Wunder, dass sich die Brauerei mit ihren insgesamt drei alkoholfreien Bieren längst einen Namen in der Szene gemacht hat. Jedes zehnte Störtebeker-Bier ist heute schon alkoholfrei, Tendenz steigend.

»Wir haben viel in die Entwicklung investiert«, sagt Elisa Raus. »Alkohol ist nicht nur ein wichtiger Geschmacksträger im fertigen Bier, sondern auch im Brauprozess enorm wichtig. Die Aromastoffe des Hopfens ohne den Alkohol zu lösen ist schwierig.« Das alkoholfreie Atlantik-Ale wird daher mehrfach gehopft – und zwar in allen Stadien der Herstellung. »Weitere Details kann ich nicht verraten«, erklärt Elisa Raus schmunzelnd. Und erzählt, dass der bei der Herstellung anfallende Alkohol nicht etwa verschwendet würde. Störtebeker gibt diesen an ein Unternehmen weiter, das daraus Desinfektionsmittel herstellt.

»Best of Alkoholfreies Bier«-Tasting

93 PUNKTE – Störtebeker Atlantik-Ale
alkoholfrei
Ein raffiniert komponiertes alkoholfreies Bier aus Norddeutschland – insbesondere, was den Einsatz des Hopfens betrifft. In der Nase frisch mit grasigen Hopfennoten, Holunderblütennuancen sowie Malzaromen. Im Mund herb mit passgenauem Süße-Eindruck und einer gewissen Herbe im Nachtrunk. Alkoholfreies für echte Biertrinker.
stoertebeker.com
€ 0,94

93 PUNKTE – Kehrwieder ü.NN
alkoholfrei
Die Hamburger Kreativbrauerei Kehrwieder ist auch im alkoholfreien Bereich top. Intensive, tropisch-süß­liche sowie harzige Aromatik. Sehr ausgewogen und komplex. Am Gaumen süßlich, im Auftakt mit schöner Herbe und karamelligen Malznoten. Herber, blumiger Abgang mit statt­licher Länge. Alkoholfreies der Extraklasse.
kehrwieder.beer
€ 2,42

92 PUNKTE – Jever Fun
alkoholfrei
Wie das Land, so das Jever – friesisch herb ist dann auch das alkoholfreie Jever Fun. Das Bier ist hellgolden in der Farbe mit dezenter Schaumbildung. In der Nase ist es frisch und grasig-blumig und am Gaumen überraschend herb und hopfig mit der jevertypischen Bitternote im Abgang. Ein Alkoholfreies für Pilstrinker.
jever.de
€ 1,19

92 PUNKTE – Maisel & Friends Pale Ale
alkoholfrei
Sehr trübe, gelbe Farbe mit schöner Schaumbildung. In der Nase sind zi­trische sowie  herbale Hopfennoten im Vordergrund, das Malz hält sich eher im Hintergrund. Am Gaumen zeigt sich das Bier schön vollmundig mit Getreide- und angenehmen Kräuternoten. Trinkfördernde Herbe im Finale. Erfrischendes und überaus trinkiges Pale Ale ohne Alkohol.
flaschenfreund.de
€ 1,69

92 PUNKTE – Brewdog Punk
alkoholfrei
Die alkoholfreie Version des Brewdog Punk IPAs zeigt eine angenehme, in keinster Weise überbordende IPA-Aromatik mit grünlichen sowie fruchtigen Hopfennoten. Wie sein alkoholhaltiges Pendant weiß das Bier mit großer Süffigkeit bei verhältnismäßig viel Aroma zu überzeugen. Schön trockenes, fruchtiges alkoholfreies Bier mit dezenter Herbe.
brewdog.com
€ 1,59

91 PUNKTE – Erdinger
alkoholfrei
Der Klassiker unter den alkoholfreien Weißbieren weiß auch im Test zu überzeugen. Leicht trüb mit dichter, schneeweißer Schaumkrone. In der Nase zunächst süßlich mit frischen Malznoten und fruchtigen Nuancen. Ein herrlich süffiges Alkoholfreies dank der gut eingesetzten, aber spürbaren Restsüße. Jeder Schluck macht Lust auf den nächsten.
erdinger.de
€ 1,39

90 PUNKTE – Riegele IPA Liberis
alkoholfrei
Leicht trübe Farbe. In der Nase zeigt sich eine grasig-blumige und durchaus moderne Hopfenaromatik mit präsenten Mandarinennoten. Am Gaumen eher süßlich mit wiederum fruchtigem Eindruck sowie einer präsenten Herbe im Nachhall. Durchaus forderndes, aber ebenso geniales alkoholfreies Bier für IPA-Liebhaber.
riegele.de
€ 2,54

90 PUNKTE – Riedenburger Dolden Null
alkoholfrei
Das Dolden Null zeigt eine intensive, fruchtige Hopfennase mit harzigen Nuancen. Am Gaumen ist die Restsüße deutlich spürbar, wird jedoch schön ausbalanciert von den fruchtigen Noten und der spürbaren, zupackenden Bittere im Nachhall. Ein alkoholfreies IPA mit mutigem Hopfeneinsatz. Dürfte einzig etwas trockener sein.
riedenburger.eu
€ 2,95

89 PUNKTE – Bitburger 0,0 %
alkoholfrei
Das Etikett sagt es schon – dieses Bier ist wirklich komplett alkoholfrei. Es gehört zu den ältesten 0,0-%-Bieren Deutschlands. In der Nase sehr dezent mit Getreide- und Maischenoten. Am Gaumen ebenfalls sehr zurückhaltend und angenehm weich. Im Nachhall ist eine dezente Bitterkeit auszumachen, die für Länge und Drinkability sorgt.
bitburger.de
€ 0,99

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2020

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