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Aus des »Falco«: Es musste zwangsläufig scheitern

Betriebsbedingte Gründe besiegelten die Schließung des Restaurants »Falco« in Leipzig. Warum die Sterneküche in einer Krise steckt.

Und wieder verliert Deutschland eines seiner Sternerestaurants. Es ist ja nicht so, dass dieser Umstand die Öffentlichkeit gegenwärtig noch großartig überraschen könnte. Gaben doch jüngst mit dem »Lode & Stijn« und dem hochdekorierten »Ernst« zwei Spitzengastronomien in Berlin ihre baldige Schließung bekannt. Nun also reiht sich das »Falco« in Leipzig in diese Riege ein. Wenn im mehrfach als »beste kulinarische Adresse Sachsens« prämierten und einzigen Zwei-Sterne-Restaurant in Ostdeutschland der Herd kalt bleibt, muss einem das große Sorge um die gehobene Gastronomielandschaft in der Bundesrepublik machen.

Die Dunkelziffer all derer Gastronomen, die ihre Gedankenspiele momentan mehr um eine Trennung von ihrem Restaurant als um neuartige Genussbegegnungen auf dem Teller kreisen lassen, dürfte nicht gerade gering sein. Auch aus München vernimmt man Stimmen – beispielsweise aus dem »Tohru« von Spitzenkoch Tohru Nakamura – die besagen, dass immer Plätze in der gehobenen Gastronomie leerbleiben.

Nachwehen der Pandemie

Peter Maria Schnurr, 18 Jahre lang Küchenchef des Falco, musste zwangsläufig scheitern. Das liegt zum einen an den derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Ein Stück weit liegt es sicherlich aber auch an der Portion Extravaganz, die Schnurr mitbrachte, die aber ein Gros der Gesellschaft offensichtlich nicht mehr zum Besuch eines Fine-Dining-Restaurants verleitet.

Hoteldirektor Andreas Hachmeister führt in seiner Begründung für das Aus des Falco einerseits einen Fachkräftemangel an. Hochqualifiziertes Personal ist spätestens mit den Pandemie-Jahren abhandengekommen und inzwischen in anderen Jobs heimisch. Blickt man speziell auf Leipzig – eine deutsche Großstadt, die in den letzten Jahren in Sachen Zuzug ein Wachstum verzeichnen konnte – wird klar, dass jüngere Menschen häufiger studieren wollen. An der Uni Leipzig verzeichnet man zu diesem Wintersemester 1000 Bewerbungen mehr für die Studiengänge gegenüber dem letzten Wintersemester. Im Handwerks- und Dienstleistungssektor fehlen Jobs – und zwar bundesweit.

Außerdem setzten die gestiegenen Kosten durch Inflation, Energie und Personal dem Restaurant zu. Spätestens die von der Bundesregierung beschlossene Mehrwertsteuererhöhung zu Beginn des kommenden Jahres hätte für das »Falco« sicherlich das Aus bedeutet. Dieses Schicksal droht weiteren Spitzenhäusern, wenn die Politik der Gastronomie keine Unterstützung in anderen Bereichen zukommen lässt.

Das jedoch allein dürfte nicht reichen, um die freibleibenden Plätze – beim letzten Besuch des Falco im September 2023 waren es sieben von zwölf – in einem Fine-Dining-Restaurant wieder zu füllen. Es braucht mutige Konzepte, vielleicht mit etwas weniger Chichi und erschwinglicheren Preisen, aber mit einer weiterhin kreativen Küche.

An seiner eigenen Inszenierung gescheitert

Keine Frage: Peter Maria Schnurrs Küche war kreativ. Seine modern interpretierten Gänge – beispielsweise ein hauchdünn aufgeschnittenes Wagyu an Tupfern aus Nussbutter und einer Limetten-Shiso-Marinade – haben geschmacklich fasziniert. Auch war sein speziell an jüngeres Publikum gerichtetes Angebot – ein Vier-Gänge-Menü ab 99 Euro – durchaus fair.

Trotzdem reichte das für das Falco nicht mehr. Schnurr mag auch an seiner eigenen Inszenierung gescheitert sein, die er nicht nur auf dem Teller präsentierte. In der öffentlichen Wahrnehmung wirkte diese zuweilen eine Spur drüber. Er residierte »zwischen dem 27. Stock und dem Himmel« im »The Westin Leipzig«, wie kürzlich noch auf der inzwischen offline genommenen Webseite zu lesen war.

Am Rande des kreativen Wahnsinns

Schnurr spielte mit seiner expressionistischen Ader immer am Rande des kreativen Wahnsinns. Beispielgebend ist hierfür ein Dessert aus vereisten Tamarillo mit Champagner in einem essbaren Sandbett aus gerösteten Nüssen, welches er auf blauen Badelatschen servierte, die er aus dem Italienurlaub mitbrachte.

Hochwertige Gourmet-Restaurants mit zahlreichen Gängen sind heutzutage leicht zu finden. Ein Restaurant, das makellos zubereitete Bratkartoffeln serviert, findet man dagegen schwieriger. Möglicherweise sucht ein nicht zu unterschätzender Teil der Restaurantbesucher inzwischen nach etwas, was genau dazwischen liegt.

 


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Robin Schmidt
Autor
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