Christopher Drexler ist seit Mitte 2022 steirischer Landeshauptmann. Eine gewisse Rastlosigkeit gehört zum Amt, Ruhephasen seien aber notwendig, sagt er. Der 51-Jährige findet diese am Berg – wenn er dabei nicht gerade Interviewfragen beantworten soll.

Christopher Drexler ist seit Mitte 2022 steirischer Landeshauptmann. Eine gewisse Rastlosigkeit gehört zum Amt, Ruhephasen seien aber notwendig, sagt er. Der 51-Jährige findet diese am Berg – wenn er dabei nicht gerade Interviewfragen beantworten soll.
© CHRISTOPHER JOERGLER

Christopher Drexler: »Ich will die Steiermark an der Spitze sehen«

Im Interview spricht der steirische Landeshauptmann nicht nur über den Stellenwert der »Grünen Mark« in Europa, und die steirischen Eigenheiten, sondern verrät auch seine persönlichen kulinarischen Tipps.

Der Spätsommertag meint es gut mit den Ausflüglern, die sich am Ortsrand von St. Radegund schon früh am Morgen eingefunden haben. Ihr Ziel: der Schöckl. Der 1445 Meter hohe Berg ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Grazer, aber auch für die Bewohner der Umlandgemeinden im Nordosten. Christopher Drexler ist beides: Der steirische Landeshauptmann ist in der Landeshauptstadt aufgewachsen und lebt jetzt in Graz-Umgebung.

Falstaff: Welche Erinnerungen beziehungsweise Erlebnisse verbinden den gebürtigen Grazer mit dem Grazer Hausberg?

Christopher Drexler: Der Schöckl ist mit Sicherheit der Berg, den ich am öftesten bestiegen habe. Schon seit meiner Kindheit ging es für mich jedes Jahr mehrmals auf den Schöckl. Die Anstrengung beim Aufstieg, die verschiedenen Routen, der besondere Ausblick und danach die verdiente Einkehr – das alles gehört einfach zusammen. Und nicht zu vergessen unzählige Fahrten mit der Sommerrodelbahn mit meinen Kindern. Der Schöckl war für mich als Grazer also tatsächlich mein Hausberg – und er ist es auch geblieben, seit ich in Passail lebe. Der einzige Unterschied: Jetzt komme ich von der anderen Seite zum Berg.

Wir stehen hier vor der Talstation der Schöckl-Seilbahn. Gondel oder zu Fuß?

Zu Fuß natürlich!

Der Berg zeigt, was er kann. Entlang und unter der Seilbahn auf der legendären »Trassenroute« geht es gleich ordentlich bergauf.

Lassen sich die Mühen einer Bergtour mit der Karriere vom Landesschulsprecher zum Landeshauptmann vergleichen?

Karriere ist hier finde ich der falsche Begriff. Eines Tages Landeshauptmann zu sein, war für mich kein Berufsziel, das ich seit Kindestagen an verfolgt habe. Natürlich ist die politische Arbeit oft fordernd. Aber sie macht mir jeden Tag richtig Freude.

Wo und wann schaltet ein Landeshauptmann ab?

Wenn dabei nicht gerade ein Interview geführt wird, dann ist das Wandern für mich die beste Gelegenheit zum Abschalten (lacht). Aber auch begleitet von Ihren Interviewfragen ist das ein schöner Ausgleich. Meine Heimatregion, das Almenland, und auch das Grazer Bergland haben so viel zu bieten. Überhaupt sind wir in der Steiermark gesegnet mit einer wunderschönen Natur und Bergen, von denen man gar nicht genug bekommen kann.

Abseits der Trasse wird das Terrain etwas gemütlicher. Der Wanderweg führt durch einen dichten Mischwald in weiten Serpentinen nach oben. Am gegenüberliegenden Hang sieht man Windwurfschäden.

Ihrer Vorvorvorgängerin an der Landesspitze wird als Lieblingsbaum die Magnolie nachgesagt, ein noch früherer Landeshauptmann wurde »lärchener Stipfl« genannt, Arnold Schwarzenegger gilt als »steirische Eiche«. Haben Sie einen Lieblingsbaum?

Ich würde spontan tatsächlich die Eiche als Lieblingsbaum nennen – nicht nur, aber auch wegen Arnold Schwarzenegger. Letztes Jahr haben wir anlässlich seines 75. Geburtstags eine steirische Eiche im Garten der Grazer Burg (Amtssitz des Landeshauptmanns, Anm.) gepflanzt.

In jüngerer Vergangenheit war auch die Steiermark mehrmals Opfer von massiven Unwettern, die teils beträchtliche Schäden hinterlassen haben. Müssen wir uns in Zukunft vor der Natur, die uns umgibt, fürchten?

Wir müssen uns vor der Natur nicht fürchten, sollten aber sehr wohl Respekt vor ihr haben. Und wir dürfen ihre Urgewalten, die sie manchmal entfesselt, nicht unterschätzen. Bedrohlich ist, dass der Klimawandel die Extremwetterereignisse zunehmen lässt. Daher haben wir den Klimaschutz ganz oben auf die Agenda unserer Landesregierung gesetzt. Und wir investieren laufend in die Katastrophenprävention und den Katastrophenschutz – von Hochwasserrückhaltebecken, Lawinenschutzmaßnahmen bis zu einer guten Ausrüstung für unsere Einsatzorganisationen, wie insbesondere der Freiwilligen Feuerwehren. Sie haben auch in diesem Sommer wieder gezeigt, wie groß der Zusammenhalt ist, wie unglaublich viel sie bereit sind, ehrenamtlich zu leisten.

Kritiker meinen, der Versiegelungsgrad ist zu hoch. Was antworten Sie darauf?

Es stimmt, dass die Flächenversiegelung in Österreich hoch ist und hier weniger oft mehr wäre. Deshalb haben wir in der Steiermark ein neues Raumordnungsgesetz beschlossen, mit dem wir die Versiegelung eindämmen. Das bedeutet aber nicht, dass wir jedes neue Bau- oder Infrastrukturvorhaben von vornherein verteufeln dürfen.

Unweit von hier testet Mercedes seine Geländewagenmodelle der G-Klasse, in dem die Autos über eine ruppige Wald-, Fels- und Schottertrasse den Berg hinauf und hinunter »geprügelt« werden. Diese Fahrzeuge sind ein »Evergreen« der Autoproduktion im Magna-Werk in Graz. Welche Rolle spielt die Automotive-Sparte generell für den Wirtschaftsstandort Steiermark?

Die Automobil-Produktion hat in der Steiermark lange Tradition und ist einer der wesentlichen Bestandteile des Industrie- aber auch des Forschungsstandortes Steiermark. Zehntausende Arbeitsplätze sind damit verbunden. Die Steiermark und die Auto-Fertigung, die Steiermark und Auto-Zulieferer, wie die von Ihnen angesprochene Magna, gehören untrennbar zusammen.

Wie »fit« ist der Standort da im Hinblick auf die disruptiven Veränderungen am Markt – Stichwort Elektromobilität?

Die steirische Autoindustrie zeigt seit vielen Jahren, wie viel Innovationskraft in ihr steckt. Ich denke, dass in unserem Land die Voraussetzungen stimmen, den Wandel gut schaffen und begleiten zu können. Was es aber jedenfalls braucht, ist ein gut abgestimmtes Vorgehen der starken Auto-Regionen Europas und die Unterstützung der Europäischen Union, damit die Transformation der Autoindustrie wirklich gelingt.

Der Name Tesla ist nicht nur mit einer amerikanischen Automarke, sondern auch mit Graz verbunden: Nikola Tesla hat vor knapp 150 Jahren in Graz studiert. Wie geht es dem Wissenschaftsstandort heute?

Die Forschungs- und Entwicklungsquote von 5,17 Prozent, die nicht nur die höchste in Österreich, sondern eine der höchsten unter allen Regionen Europas ist, spricht für sich. Fünf Universitäten, zwei Pädagogische Hochschulen und zwei Fachhochschulen tragen zudem nicht nur aktiv zum Wissenschaftsstandort bei, sondern garantieren vor allem die bestmögliche Ausbildung für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Unsere Unis müssen daher weiter gestärkt werden.

Langsam rückt das Gipfelplateau in Sichtweite. Am »21er«-Weg verlassen die Wanderer auf Höhe der Halterhütte den Wald. Links oben sieht man die Stahlkonstruktion der Sommerrodelbahn, darüber thront das Stubenberghaus. Über dem Landeshauptmann schwebt die Seilbahn Richtung Bergstation. Wir biegen auf eine Zusatzschleife Richtung Schöcklkopf und Johanneskapelle. Die Verschnaufpause wird mit einem Blick ins Passailer Becken garniert.

Sieht man von hier aus Ihr Wohnhaus?

Man sieht Passail und auch in die Richtung unseres Hauses. Für mich viel wichtiger: Man sieht von unserem Garten aus den Schöckl – ein herrlicher Blick.

Vor einiger Zeit sind Sie ins Umland übersiedelt. Warum eigentlich diese Stadtflucht?

Ich bin in Graz geboren, aufgewachsen und habe fast 50 Jahre in der schönsten Landeshauptstadt Österreichs gewohnt. Da geht die Verbundenheit nicht von einem Tag auf den anderen verloren – Graz wird für mich immer auch Heimat bleiben. Von Flucht kann daher keine Rede sein. Ich möchte keinen Tag als Grazer missen und erlebe jetzt
genauso jeden Tag, wie schön es ist, in einer ländlichen Gemeinde zu wohnen. Dabei zeigt sich für mich deutlich: Das eine ohne das andere wäre nicht die Steiermark.

Welche Vorzüge hat das »Leben am Land«?

Wohnen in der Stadt hat genauso Vorzüge, wie Wohnen am Land. Die Ruhe und die Natur sind aber schon zwei Faktoren, die mir große Freude bereiten und die einen ordentlichen Unterschied zum Leben in Graz ausmachen. In einer ländlichen Gemeinde ist logischerweise auch ein anderes, stärkeres Gemeinschaftsleben vorhanden. Man kennt sich in der Nachbarschaft besser, man trifft sich beim Einkaufen, bei Festen und Veranstaltungen und kommt auch mit den Nachbarn öfter einmal auf ein Getränk zusammen. Das schafft einen starken Zusammenhalt.

Von hier aus sieht man an schönen Tagen die Obersteiermark vom Hochschwab bis in die Niederen Tauern als auch, wenn man sich umdreht, ins Grazer Becken bis in die Weingegend an der slowenischen Grenze und nach Ungarn. »Glück im Winkel« hat einmal ein Werbeslogan für Graz geheißen. Ist die Stadt und das Land mittlerweile im Zentrum Europas angekommen?

Ja. Und das nicht nur geografisch. Wir bringen uns als Region aktiv in die europäische Politik ein. So führt die Steiermark den Vorsitz in der Alpen Adria Allianz – einem Zusammenschluss mit unseren Nachbarregionen – und engagiert sich mit einem eigenen Westbalkanschwerpunkt in der regionalen Außenpolitik. Wir sind also nicht nur im Zentrum, sondern auch im Herzen Europas und arbeiten aktiv für die europäische Einigung und Zusammenarbeit.

Der finale Streckenabschnitt Richtung Gipfelkreuz ist eher flach und führt vorbei an einer mächtigen Senderanlage. Deren rot-weiß-rot gestreifte Antenne ist weithin sichtbar. Das Gipfelkreuz selbst steht eher verloren auf einer Wiese, umgeben von Kühen, die die letzten Tage auf der Alm genießen.

Sie standen zuletzt auch am Gipfel des höchsten Bergs der Steiermark, dem Dachstein. Wie haben Sie den Aufstieg in Erinnerung?

Der Aufstieg ist nicht zu unterschätzen. Es braucht gute Kondition und auch eine gewisse Portion Mut. Das Gefühl, dann am höchsten Gipfel der Steiermark zu stehen.
Ist dann aber einfach unbeschreiblich.

Die Steiermark teilt sich diesen alpinen Superlativ mit Oberösterreich – in einer Föderalismus geprägten Republik, in der jedes Bundesland auf seine Eigenheiten pocht, ein ungewöhnliches Peak-Sharing, oder?

Wir verstehen uns gut mit unseren oberösterreichischen Nachbarn. Sonst wäre auch die Kulturhauptstadt Europas, Salzkammergut 2024, nicht möglich. Ein Zusammenwirken von oberösterreichischen Gemeinden rund um Bad Ischl mit starker, treibender Beteiligung der vier Gemeinden des Ausseerlandes. Ich glaube nicht, dass wir uns um den Dachstein gegenseitig neidig sein müssen. Im Gegenteil: Wir können beide stolz auf diesen wunderbaren Berg sein.

Der Sender, an dem wir gerade vorbeigehen, empfängt und sendet Signale weit über die Region hinaus. Welche Signale sollen von der Steiermark aus gehen?

Ich will die Steiermark in einigen Jahren in möglichst vielen Bereichen an die Spitze der europäischen Regionen sehen. So wie wir jetzt bereits Spitzenreiter bei der Forschung sind, will ich, dass unser Bundesland etwa beim Klimaschutz, bei der Energiewende, bei vielem mehr Vorbild für andere sein kann.

Apropos Vorbild: Der Wirt im Gipfelgasthaus trägt einen prominenten Namen: Klasnic. Ist seine Mutter, die ehemalige Landeshauptfrau, ein politisches Vorbild?

Ich schätze Waltraud Klasnic außerordentlich und habe sie erst vor wenigen Wochen hier im Alpengasthof zufällig getroffen. Ich glaube, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass es ein sehr lustiger Nachmittag geworden ist. Sie ist jedenfalls auch Vorbild – insbesondere, wenn ich an ihr bedingungsloses Bekenntnis zum Miteinander denke.

Die Steiermark ist sehr stolz auf ihre Kulinarik. Ihr Lieblingsessen?

Eine tolle Besonderheit – Roggene Krapfen mit Steirerkas. Und dazu am liebsten ein Glas steirischen Weißwein. Außerdem noch eine große Empfehlung hier am »Schöckl«: Die Schwammerlsuppe mit Heidensterz im Alpengasthof von Simon Klasnic.

Und wie geht’s jetzt Richtung Tal? Gondel oder zu Fuß?

Ich zeig‘ Ihnen gerne noch den Weg runter zum »Schöcklkreuz «.

© Rene Eduard Perhab

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Erschienen in
Steiermark Special 2023

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Klaus Höfler
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