© Shutterstock

Cold Brew, Nitro & Co.: Eine Stadt auf Koffein

New Yorker lieben Kaffee – und geben teils aberwitzige Summen für neue, fantasievolle Kaffeekreationen aus. Wer selbst einen Eindruck davon bekommen möchte, wohin sich die Kaffeeszene bewegt, schaut sich am besten im Big Apple um.

»Cold brew is huge!« Johan Pesenti, Eigentümer der Stone Street Coffee Company, ist immer auf der Suche nach neuen Kaffeetrends. Cold Brew habe sich dabei in den letzten Jahren zum Megahit entwickelt: »65 Prozent von dem, was wir verkaufen, hat mit Cold Brew zu tun«, erzählt er, »und zwar im Sommer wie im Winter.« In seiner Rösterei in Brooklyn stapeln sich die Kaffeesäcke, es duftet herrlich nach frisch gerösteten Bohnen. Johan Pesenti besitzt nicht nur eine Plantage in Nicaragua, er verarbeitet zudem Bohnen aus 45 Ländern, röstet für Hotels, Restaurants und Unternehmen wie ­Goldman Sachs. Mit Eric Ripert, dem Küchenchef und Eigentümer des »Le Bernardin«, hat er eine Kaffeemischung für seinen Drei-Sterne-Gourmettempel entwickelt. Seine eigene Marke, Stone Street Coffee, verkauft er in Supermärkten und seit der Pandemie auch verstärkt im Internet. Pesenti erklärt sich den Erfolg von Cold Brew so: »Der Kaffee enthält keine Säure und ist damit auch viel besser für den Magen.«

Im Gegensatz zu Eiskaffee, der heiß aufgebrüht und auf Eis gekühlt wird, zieht Cold-Brew-Kaffee zwölf bis 24 Stunden lang in kaltem Wasser. Durch die niedrigere Temperatur und die längere Ziehzeit entwickelt er einen weicheren, süßeren Geschmack und hat einen höheren Koffeingehalt. Kaffeefans können ihren Cold Brew dann je nach Belieben mit Sirup in verschiedenen Geschmacksrichtungen aufpeppen. Selbst Cocktails und Craft-Alkohol-Drinks werden mittlerweile gerne mit dem kalten Kaffee gemixt.

Milch vs. »Milch«

Stone Street gehört heute zu den hochwertigsten Kaffeemarken an der Ostküste. Man kann sie auch im »Stone Street Café« im trendigen SoHo an der Grenze zu Little Italy verkosten. Hier wird auch ein weiterer Trend der New Yorker Kaffee-Community deutlich: Milchalternativen. Von Mandel- über Hafer- bis zur Sojamilch oder kaltem Milchschaum aus fetthaltiger Kuhmilch ist vieles möglich. Diese »Add-ons« lassen sich die New Yorker je einen Dollar zusätzlich kosten. Denn immer mehr Kunden ­verweigern aus Allergie-, Gesundheits- oder Nachhaltigkeitsgründen herkömmliche Kuhmilch und suchen nach Alternativen. Sogar aus Erdäpfeln wird mittlerweile »Milch« hergestellt. Ebenfalls stark im Kommen: aromatisierte Kaffeeweißer auf pflanzlicher Basis.

Im Sog des Cold-Brew-Hypes groß ­geworden ist auch »Nitro Cold Brew«. Dabei wird dem frisch aufgegossenen Kaffee Stickstoffgas hinzugefügt, wodurch kleine Bläschen entstehen, die den Geschmack und die Textur des Kaffees verbessern. Diese Bläschen sind kleiner als die Kohlensäureblasen in Soft Drinks, weshalb Nitro Cold Brew viel cremiger schmeckt und eine glattere Textur hat, ohne dass Fett zugesetzt worden wäre. Nitro Cold Brews werden meist in Dosen verkauft und enthalten keinen oder weniger Zucker als andere Kaffeegetränke – ein weiterer Punkt, der im Big Apple immer gut ankommt.

Nur logisch, dass auch Starbucks längst auf den Nitro-Trend aufgesprungen ist. Der Megakonzern, der Amerika aus der kaffeekulturellen Steinzeit geholt und zum weltweiten Vorreiter in Sachen Coffeeshop-Trends gemacht hat, ist längst nicht nur der größte Kaffeehersteller der USA, sondern die größte Kaffeehauskette weltweit. Allein in New York City betreibt das Unternehmen mit Hauptsitz in Seattle an der Westküste gut 200 Coffeeshops, so viele, wie in keiner anderen US-Stadt. Im weltberühmten Empire State ­Building hat der Kaffee­riese erst vor Kurzem eine »Starbucks Reserve«-Filiale aufgesperrt, optisch im Art-déco-Stil des Wolkenkratzers gehalten und auf drei Ebenen der erste Starbucks mit einem eigenen echten Restaurant. Für Kaffeefreaks wesentlich sehenswerter ist aber nach wie vor die »Starbucks Reserve Roastery« im Stadtviertel Chelsea.

 

In der »Kaffeefabrik«

In transparenten Röhren an der Decke, vergleichbar mit Luftpoströhren in alten ­Bürogebäuden, schießen hier die Kaffeebohnen durchs Lokal und an jeder Ecke wird vor den Augen der Kunden frisch ­geröstet. Überall gibt es etwas zu entdecken, zu kosten und zu kaufen – ein »Kaffee-­Disneyland« für Koffeinfans. Dafür kostet der normale Cappuccino hier locker zwei bis drei Dollar mehr als in anderen Cafés, doch das scheint keinen zu stören.

Wahrscheinlich auch deshalb, weil ohnehin niemand »normalen« Kaffee möchte. Der hippe Gast bestellt eher »Whiskey Barrel-Aged Cold Brew«, also in ehemaligen Whiskeyfässern gereiften Cold Brew mit Vanillesirup für 12,50 Dollar. Oder »Cold Brew Malt« mit Vanilleeis und Chocolate Bitters, zu einem ultradicken Shake vermischt, um 14 Dollar – mit 450 Kalorien so gehaltvoll wie ein Big Mac … Vor allem optisch ein Hingucker ist der »Smoked Cold ­Fashioned« mit »Simple Sirup und aromatischen Bitterstoffen, à la minute geräuchert mit Apfelholz und garniert mit Orangenschale und Luxardo-Kirsche« um 17 Dollar. Und wem das noch nicht genügt, der kann hier diverse Kaffeemixgetränke in einem »Coffee Flight« verkosten.

Und weil Kaffee in New York nicht nur wahnsinnig chic, sondern auch ein Megageschäft ist, drängen auch immer öfter branchenfremde Firmen in den Markt. So hat etwa Modeschöpfer Ralph Lauren zwei Cafés im grün-weißen Design aufgesperrt und lässt alte, zu Streetfood-Trucks umgebaute Citroën-Lieferwägen im Wellblechdesign durch die City cruisen. Und – noch ein Trend – er verkauft auch Matcha Latte. Der grüne Tee mit Milchschaum aus Japan enthält Antioxidantien, kann »schlechtes« Cholesterin reduzieren, die Leber schützen und das Immunsystem stärken.

Und was wird »the next big thing«, der nächste große Trend bei den New Yorker Koffeinfans sein? Für Johan Pesenti von ­Stone Street Coffee geht es dabei um das Thema Textur: »Wie mache ich den Kaffee schön samtig, damit er nicht nur gut schmeckt, sondern sich im Mund auch gut anfühlt? Ich denke, das wird eine der zentralen Fragen für die Kaffeezukunft sein.«

© Shutterstock

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2023

Zum Magazin


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Angelika Ahrens
Angelika Ahrens
Autor
Mehr zum Thema