© Gilles, Sergio Kuzmin / Shutterstock

Die Essenz der Vogelbeere: Hier kommt Sie überall zum Einsatz

Die Eberesche – besser bekannt als Vogelbeere – ist in Lebensbereichen zu finden, in welchen man sie nicht vermutet.

Zunächst einige Fakten: Die Eberesche (lat.: Sorbus aucuparia) gehört zu den Rosengewächsen und kann als Strauch oder als Baum bis zu 150 Jahre alt werden. Da das Wachstum der bis zu 15 Meter hohen Bäume in den ersten Jahren schnell ist, eignen sie sich als Hausbäume zur Beschattung und werden im städtischen Raum gerne eingesetzt. Da sich sowohl Vögel – daher der Name Vogelbeere – als auch kleine Nager gerne von den rot leuchtenden Früchten ernähren und sie auch für Schmetterling und Käfer einen Lebensraum bieten, sind sie ökologisch sehr interessant, um eine tierfreundliche Atmosphäre zu schaffen. Falls kein Garten zur Verfügung steht, kann die Eberesche als Topfpflanze eingesetzt werden.

In Medizin und Spa

Viele Mythen umranken die Vogelbeere, zudem sie lange Zeit als giftig galt. Doch wie schon Theophrastus Paracelsus im 16. Jahrhundert feststellte: »Die Dosis macht das Gift.« Vogelbeeren sind reich an Vitamin C und Antioxidantien und können in kleinen Mengen bedenkenlos verzehrt werden. Der in der Beere natürlich vorkommende Bitterstoff Parasorbinsäure kann bei hoher Dosierung abführend wirken. Sie wird aber durch das Kochen der Beeren in Sorbinsäure umgewandelt, die die Bitterkeit deutlich reduziert. Das naturreine Fruchtmus kann sogar als Gesichtsmaske aufgetragen werden und wirkt hautstraffend.

Im Handwerk

Auch für Holzarbeiten eignet sich die Eberesche sehr gut. Das Holz hat eine dichte Struktur, ist kleinmaserig und hart, aber dennoch biegsam und gut zu hobeln und schnitzen. Möbelbauer bescheinigen ihr eine gute Annahme von Beizen und Polituren. Da das Holz aber wenig wetterbeständig ist, werden eher Indoor-Möbel gefertigt.

ZUM TASTING

© Tahsa Cherkasova / Shutterstock

In der Küche

Vogelbeeren finden regelmäßig ihren Weg in Marmeladegläser oder werden als Gelees und Chutneys in der Küche eingesetzt. Während die zartbittere Marmelade oft in der kalten Jahreszeit als Vitamin-C-Spender verwendet werden kann, eignen sich Chutneys bestens als Begleitung für Käse. »Allerdings ist mit dem Bitterstoff etwas Vorsicht geboten«, gibt Diplomkäsesommelier Harald Wurm zu bedenken, »daher würde ich sie zu neutralem Frischkäse oder jungem Schafskäse wie dem Hirtenkäse (Die Käsemacher) oder dem Mostviertler ›Schofkas‹ anbieten.« Dazu könnte ein frischer Sauvignon Blanc, ein säurebetonter, leichter Grüner Veltliner oder ein Birnen-Frizzante gereicht werden.

Die Königsdisziplin – Der Vogelbeerbrand

Hochprozentiges aus Vogelbeeren hat eine lange Tradition, sowohl in Österreich als auch in Deutschland und der Schweiz, wo diese Spezialitäten in den meisten Regionen in verschiedener Form angeboten werden. Oftmals wird die Vogelbeere als »Liebhaberschnaps« bezeichnet. Was auch David Gölles im Gespräch bestätigt: »Die Vogelbeere polarisiert. Neben absoluten Fans gibt es auch durchaus passionierte Edelbrand-Trinker, die sie komplett ablehnen.« Dennoch ist Vogelbeerbrand aus den Sortimenten der meisten Brenner nicht wegzudenken. »Williamsbirne, Himbeere und Marille sind Bestseller, dennoch ist gerade im Bereich der Spezialitäten die Vogelbeere ein absolutes Must-have und bringt Tiefe ins Sortiment«, analysiert Georg Sulzbacher, Brand Ambassador der Destillerie Freihof und zuständig für die Top-Brände der Marke Gebhard Hämmerle.

Für den Hersteller gibt es einige Punkte, die die Eberesche zur Herausforderung machen. Zunächst ist die Ausbeute für Edelbrände sehr gering, braucht man doch rund 30 kg Beeren, um einen Liter Brand zu erzielen. Zweitens ist die Beere ziemlich trocken und enthält Sorbinsäure, die es der Hefe bei der Vergärung schwer machen kann. Daher wird etwas Wasser zugesetzt, sodass die Hefe optimale Bedingungen zur Vergärung vorfindet. »Beim zweiten Brenndurchgang erfordert die Vogelbeere besondere Sorgfalt beim Abtrennen von Herzstück und Nachlauf«, ergänzt der Riegersburger Gölles. Das es zudem wichtig ist, ein einwandfreies und ausgereiftes Ausgangsmaterial zu haben, wird auch in der »Brennerei Reisetbauer« betont. Wild wachsende Beeren in ausreichender Qualität und Anzahl zu finden, ist die größte Herausforderung, allerdings bringen auch die Früchte guter Plantagen eine gute Voraussetzung. 

Beeren, die vor dem ersten Frost geerntet wurden, ergeben einen fruchtigen Brand, während Beeren, die einmal mit Frost in Berührung gekommen sind, den typischen Marzipangeschmack stärker aufweisen und trockener und würziger am Gaumen wirken. Eine Harmonisierung im Glasballon durchläuft der Vogelbeerbrand XA der Brennerei Gölles, wo derzeit der Jahrgang 2000 in Flaschen abgefüllt angeboten wird. Ein nicht ganz außer Acht zu lassender Aspekt ist allerdings auch der Preis für einen echten Vogelbeerbrand. Denn für eine Flasche wird schon gerne mal – je nach Füllvolumen – ein knapp dreistelliger Betrag aufgerufen. Auf den Liter gerechnet sind zwischen 150 und 300 Euro – in einigen Fällen mehr – fällig. 

© Erni / Shutterstock

Ein Geist in der Flasche

Deutlich günstigere Alternativen bieten da die weit verbreiteten Vogelbeergeister. Die »Vergeistung«, also der Ansatz der Früchte in neutralem Alkohol mit anschließendem Brennen, wird bei Früchten mit wenig natürlichem Zucker gerne eingesetzt. Neben der Himbeere bietet sich die Vogelbeere an. Allerdings kommt es schon zu geschmacklichen Unterschieden. Denn je nach verwendetem Neutralalkohol und Auszug kommt der marzipanartige Geschmack der Vogelbeere mehr oder weniger zur Geltung. Der Preispunkt beträgt allerdings nur rund ein Zehntel des Preises eines 100-Prozent-Destillats. Fassgelagerte Vogelbeerbrände und -geiste werden im Normalfall nicht angeboten, da die Aromen des Fasses den feingliedrigen Vogelbeergeschmäckern abträglich wären.  

Moderne Vogelbeer-Varianten

Dass die Vogelbeere aufgrund ihrer herben Grundstilistik im Bereich der Aperitivos eine gute Figur macht, beweist die steirische Manufaktur »Fuxbau«. Ihre Vogelbeer-Variante, die eine Symbiose von Vogelbeere und Zitrus darstellt, kann hervorragend als Basis für Cocktails und Longdrinks herangezogen werden. Erst vor Kurzem konnte sie bei der Falstaff »Ready Made Aperitivo Trophy« mit 95 Punkten glänzen. Mit einem Ansatz von Vogelbeerbrand, reichlich Saft, vollreifen Früchten und wenig Zucker arbeitet Gölles bei seinem Vogelbeer-Bitter, der neben dem Einsatz in der Bar auch über Eis das Genießerherz erfreut.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Vogelbeere enorm vielseitig ist und vielen Produzenten als Spezialität am Herzen liegt. Und sogar musikalisch wurde der Vogelbeerbaum besungen. Der sächsische Förster und Mundartdichter Max Schreyer textete auf die Melodie eines bereits existierenden österreichischen Volkslieds eine Ode an die Eberesche. 1894 erstmals öffentlich aufgeführt, erfreute sich das Lied »Der Vuglbärbaam« bald über das Erzgebirge hinaus großer Beliebtheit.

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2023

Zum Magazin


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Erhard Ruthner
Erhard Ruthner
Autor
Mehr zum Thema
Ein Digestif als krönenden Abschluss.
Spirits
Das Beste kommt zum Schluss
Der Digestif ist das Gegenstück zum Aperitif – während Spirituosen und Drinks zum Start des...
Von Benjamin Herzog
Die Schwestern Cristina, Antonella und Elisabetta mit Vater und Patriarch Benito Nonino in der bereits legendären Brennerei der Familie in Percoto im Friaul.
Grappa
Der gute Geist des Grappa
Der Tresterbrand Grappa hat sich vom Arme-Leute-Schnaps zum High-Society-Produkt gewandelt. Dabei...
Von Simon Staffler
Rum
Tiki Beere
Sammy Walfisch aus der Wiener Cocktailbar »Botanical Garden« kreierte diesen Craft Cocktail.
Von Sammy Walfisch
Schnaps
Zirben Smash
Craft Cocktail kreiert von Sammy Walfisch aus der Wiener Cocktailbar »Moby Dick« mit Zirbe und...
Von Sammy Walfisch