Spitzenkoch Musa Dağdeviren.

Spitzenkoch Musa Dağdeviren.
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Falstaff-Talk mit Musa Dağdeviren: »Ein Kebab kann etwas sehr Feines sein«

Musa Dağdeviren ist unermüdlich dabei, in Vergessenheit geratene Gerichte der türkischen Küche aufzuspüren und für die nachfolgenden Generationen aufzubereiten. Den Kulinarik-Archäologe wurde sogar schon von Netflix dokumentiert. Nun ist er für das Gourmet-Festival St. Moritz ins Engadin gereist.

Falstaff: Musa Dağdeviren, was fasziniert Sie am meisten an der türkischen Küche?

Musa Dağdeviren: Sie ist facettenreich und äußerst gesund. Außerdem werden gewisse Gerichte nur zu gewissen Jahreszeiten zubereitet, wir achten auf jahrhundertalte Traditionen und berücksichtigen die Zyklen der Natur. In meinem Restaurant in Istanbul kochen wir rund 450 verschiedene Suppen – das kulinarische Erbe ist riesig. Aber es kann sein, dass es an einem Abend nur eine Suppe gibt, denn auch wir richten uns nach den Brauchtümern unserer Vorfahren und nach der saisonalen Verfügbarkeit der Produkte.

Sie haben auf der Suche nach alten Rezepten in etliche Küchen und Kochtöpfe blicken dürfen…

Da erlebt man viel Bewegendes. Eine Geschichte möchte ich erzählen, die sich in der Schwarzmeerregion abspielte. Ich habe eine 96-jährige Frau in ihrem Zuhause im Gebirge besucht, auch ihre 70-jährige Tochter war dabei. Wir haben zusammen gekocht und ich konnte all meine Fragen zu den Rezepten stellen. Die Tochter war erstaunt über das reichhaltige Wissen der Mutter und fragte sie, warum sie dies alles nie erfahren habe. »Musa ist es, der mit mir spricht, nicht du.« Oftmals interessieren sich die Nachkommen gar nicht für die kulinarischen Wurzeln, die ihre Mütter und Großmütter so gerne weitergeben würden. Wenn ihnen dann jemand zuhört und sich für die Rezepte interessiert, ist da viel Dankbarkeit zu spüren.   

Viele verbinden die Türkei als erstes mit Döner Kebab. Wie stehen Sie zu diesem Gericht?

Kebab kann etwas sehr Feines sein. Um industriell hergestellte mache ich einen großen Bogen, die esse ich nicht. Ein guter Kebab wird ohne Sauce zubereitet, nur mit gegrillten Tomaten, frischer Petersilie, Zwiebeln und kleinen Peperoncini. Was mir wirklich gut schmeckt, ist der Iskender Kebab. Das dünn aufgeschnittene Fleisch wird auf Fladenbrot mit etwas gegrillter Paprika, Bouillon und zerlassener Butter serviert. Eine Delikatesse! Es gibt übrigens zahlreiche Varianten von Kebab – ich könnte mit all den gesammelten Rezepten und Variationen ein ganzes Buch füllen. Und genau darüber denke ich derzeit tatsächlich nach (lacht).


Denise Muchenberger
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