Galicien bietet malerische Buchten und eine Menge Genusspotenzial. Der im antiken Rom erbaute Herkules-Leuchtturm ist das Wahrzeichen der Stadt A Coruña und zählt zum Welterbe.

Galicien bietet malerische Buchten und eine Menge Genusspotenzial. Der im antiken Rom erbaute Herkules-Leuchtturm ist das Wahrzeichen der Stadt A Coruña und zählt zum Welterbe.
© Shutterstock

Galicien: Grünes Genussparadies

1600 Kilometer Küste, Krebse, Muscheln und Fisch in atemberaubender Qualität – und doch ist Spaniens nordwestlichste Region im Ausland oft noch unbekannt. Wir wissen, warum Gourmets unbedingt Galicien auf die Karte setzen sollten.

Dort, wo die Welt einst endete und der Ozean beginnt, krachen die Wellen mit unbeugsamer Gewalt gegen die Klippen. Von Kap-Finisterre an, entlang der steilen Küste des Todes, wo unter der Gischt scharfkantige Felsen lauern, unsichtbar für die Seeleute vieler Jahrhunderte, die im Atlantik zunächst ihr Schiff und dann ihr Leben verloren, beginnt das Revier todesmutiger Taucher. Von den Steilwänden klauben die »percebeiros« die Delikatessen des Meeres, knopfgroße Entenmuscheln, die später in den besten Restaurants des Landes landen. Nur mit einer Art Pickel bewaffnet, springen die Taucher mal von Schlauchbooten, die kaum Tiefgang haben und bis kurz vor die schroffe Steinküste manövrieren können, mal hangeln sie sich an Seilen hinab bis in die tosende Brandung. Wer erfolgreich mit der Ernte ist, verkauft seine Beute später zu Preisen auf den Märkten, wo Genießer bis zu 300 Euro für ein Kilo zahlen. Doch manchmal schlägt der Ozean zu, holt sich die, die kein Glück gehabt haben, und spuckt sie erst Hunderte Kilometer weiter östlich wieder aus.

Dies ist Galicien, die nordwestliche Ecke der iberischen Halbinsel, Schauplatz von brachialer Naturgewalt. Tief im Land leben Wölfe und Bären, im Meer, vor den herrlichen Stränden, springen manchmal Delfine, was fast schon kitschig schön wirkt – Einheimische nennen die Region zum Spaß »Galifornia«. Es ist wahrlich ein Seafood-Paradies und Heimat der alten Kühe, die für viele Kritiker das Fleisch für die besten Steaks der Welt liefern. Eine Region, die im Ausland hauptsächlich Jakobsweg-Pilger kennen, für den Urlaub verirren sich nur wenige hierher. Was kaum verständlich ist angesichts der 1600 Kilometer Küstenlinie sowie der ungewohnt lieblichen Landschaft und des angenehmen Klimas.

Angenehm kühles Klima

Doch Galicien ist eine Provinz Spaniens, die niemand kennenlernen wird, der sich nur für die balearischen Inseln, für Barcelona und den Süden interessiert. Sie macht es Besuchern nicht leicht: Es regnet häufig, auch in den Sommermonaten. Selbst im August zeigt das Thermometer nur selten mehr als 30 Grad Celsius. Die Nächte sind angenehm kühl: Während es am Mittelmeer zwischen Mai und September ohne Klimaanlage nicht auszuhalten ist, kann man hier oben im Nordwesten gut schlafen. Auch der Ozean bleibt selbst im Hochsommer kalt, was der Qualität von Fischen und Meeresfrüchten zugutekommt.

Aufgrund des Klimas wuchert die Vegetation im Frühling, was man von Spanien nicht gewohnt ist. Statt über Ocker und Beige streift das Auge hier über sattes Grün, bis in den Sommer laufen vielerorts kleine Rinnsale entlang der Straßen. So feucht wie in Galicien ist es in Spanien nur selten. Weshalb es hier, anders als zum Beispiel im kastilischen Hochland oder im Süden, keine nennenswerte Wurst- oder Schinkenspezialität gibt. Das Klima ist zu feucht, als dass Würste an der Luft vernünftig trocknen könnten. Die »Pata negra«-Keulen in den Bars von Santiago de Compostela oder A Coruña stammen aus Salamanca oder der Extremadura, wo die unverzichtbaren Eichenwälder stehen. In Galicien dominieren insbesondere in Meeresnähe hochgewachsene Eukalyptusbäume, ähnlich wie im südlichen Nachbarland.

Mit den Portugiesen pflegt man viele ­Gemeinsamkeiten. Schon allein der Sprache wegen – die Amtssprache Galicisch ist dem Portugiesischen ähnlich, gegenseitiges Verstehen kein Problem. Auch mit den historischen Kelten fühlen sich die Galicier verbunden, und in der Tat wirkt die Landschaft manchmal eher so wie in Irland oder im Süden Englands. Auf Karnevalszügen oder Stadtfesten (von denen es reichlich gibt) mischt sich häufig Dudelsackpfeifen in die Musik, was vom andalusischen Flamenco nicht weiter entfernt sein könnte und einmal mehr zeigt, wie divers Spanien als Nation ist.

Worauf sich die Spanier trotz aller Unterschiede immer einigen, ist die Liebe zum Essen. Von den alten Kühen war schon kurz die Rede, die galicische Rasse »Vaca gallega« wird im Baskenland und anderswo unter der Marke »Txogitxu« zu hohen Preisen als bestes Steak der Welt verkauft – nicht zu Unrecht, wie man angesichts eines saftigen Entrecôtes mit Fettrand sagen muss, das man zum Beispiel im »Asador O Carmelo« nahe Santiago de Compostela bekommt. Die kleinen grünen »pimientos«, die seit einem guten Jahrzehnt hierzulande oft auf den Speisekarten von Szenegastronomen stehen, kommen aus der kleinen Ortschaft Padrón – unbedingt probieren und sich über die tollen Aromen freuen.

Was aber insbesondere Delikatessen suchende Besucher umhaut, sind die Meeresfrüchte. Meeresbuchten, die tief ins Landesinnere eindringen, haben den Ruf der Region für die »mariscos« begründet, »Rías« heißen sie auf Spanisch. Die Rías Altas im Norden und die Rías Baixas etwas weiter südlich sind dank vieler Ablagerungen und eines erhöhten Nährstoffgehalts wahre Schatzkammern für Muscheln und Austern.

Feinstes Seafood überall

Man begegnet hier vielen Lebewesen aus dem Meer, von denen man bei uns teilweise gar nicht weiß, dass es sie gibt, geschweige denn, dass man sie essen kann. Taschenkrebse, Bärenkrebse, Große Seespinnen, Samtkrabben, Schwertmuscheln, Herzmuscheln und Entenmuscheln, dann natürlich Kaisergranat, Garnelen und Hummer – es ist eine wahre Pracht, was hier alles auf den Tisch kommt. Und es schmeckt! Man muss nicht einmal die Sternegastronomie besuchen, um sich höchste kulinarische Ansprüche zu erfüllen. Eine »mariscada« bekommt man in Topqualität in vielen Lokalen. Etwa im »Loureiro« im Örtchen Bueu, einem äußerlich etwas in die Jahre gekommenen Lokal direkt am Wasser. Frischester Kaisergranat bildet nur den Auftakt – hier nicht vergessen, die Köpfe auszulutschen, um an das dunkle Fleisch zu kommen, das Kennern als der aromatischste und köstlichste Teil gilt. Star aber ist die nackt auf dem Teller servierte »nécora«, eine Samtkrabbe. Nur in kochendem Wasser gegart, sonst nichts, Meer pur! Und doch schmeckt sie mit ihrem saftig-süßen Fleisch so frisch, dass man unentwegt weiteressen will.

Zu guter Letzt gibt es noch den Pulpo. So viel Tintenfisch essen sie hier, dass das typische Gericht im ganzen Land sprichwörtlich geworden ist: »Pulpo a la gallega«, Tintenfisch nach galicischer Art, das bedeutet: ein gekochter Tintenfisch, in Stücke geschnitten und mit etwas Olivenöl beträufelt, nur gewürzt mit grobem Salz und, wenn’s hochkommt, noch etwas Paprikapulver. Auf dem Markt von Santiago de Compostela, dem Mercado de Abastos, sucht man sich am besten ein schönes Exemplar frisch am Stand heraus und geht eine Halle weiter zu einer der kleinen Gastronomien, die gegen ein Handgeld von fünf Euro jede mitgebrachte Ware frisch zubereiten.

Dazu passt hervorragend ein Glas Albariño, eine von Spaniens spannendsten Weißweinsorten, der direkt von hier kommt. Er profitiert von den klimatischen Bedingungen, von den kühlen Nächten und den nicht zu heißen Tagen. Zudem wächst er direkt am Meer und hat in seinen besten Vertretern eine Salzigkeit, die ihn einzigartig macht. Repräsentativ für die besten Weine der Region ist das kleine Weingut Albamar von Winzer Xurxo Alba. Ein Glas seines reinsortigen »Albamar 2018« ist ein köstliches, komplexes Vergnügen.

Auf ins Naturparadies

Das Weingut liegt im kleinen Fischerdorf Cambados, wo auch der Sternekoch Yayo Daporta sein gleichnamiges Restaurant betreibt und ein Menü anbietet, das allein aus dem Ozean stammt. Zur Spitze der Gastronomie zählt er indes nicht, die wohl bessere Gourmetküche gibt es im zweifach besternten »Culler de Pau« bei Javier Olleros. Viele der sterneprämierten Restaurants ballen sich rund um Pontevedra, eine der schönsten Städte der Region, die zu Unrecht im Schatten von Santiago de Compostela steht. Dennoch sollte man nicht den Fehler machen, sich nur auf der Westseite am Meer aufzuhalten.

Mit dem »Nova« befindet sich ein exzellentes Restaurant ein gutes Stück weiter im Landesinneren, in Ourense. Hier stehen gleich drei Menüs auf der Karte, die zeigen, wie weit sich die galicische Kochkunst spannt. Ourense selbst ist berühmt für seine natürlichen Thermalquellen, die teilweise gratis genutzt werden können. Von dort ist es nicht weit bis zur Ribeira Sacra, einem Weinbaugebiet mit teils überragenden Rotweinen aus der Mencía-Traube, das zugleich ein unfassbar schönes Naturparadies ist. Wie ein Canyon fallen die Berge zum Fluss Sil ab, der das Gebiet durchkreuzt. Das sollte jeder Galicien-Besucher machen: vom Hang aus auf den Sil hinunterschauen, den Blick schweifen lassen und die Stille genießen. Man fühlt sich sehr klein, und es fühlt sich sehr schön an.


Hotels

Hotel Palacio del Carmen *****

Komfortables und liebevoll eingerichtetes Hotel in einem früheren Kloster. Bis zum Stadtzentrum braucht man fußläufig etwa eine Viertelstunde.
DZ ab ca. 220 Euro.

Rúa das Oblatas, s/n, 15703 Santiago de Compostela

T: +34 981 552444, marriott.de

Novavila Design Wine Hotel *****

Versteckt im Landesinneren, ist dieses kinderfreie Hotel der perfekte Rückzugsort für entspannte Tage. Hier kann mit sich mit spezieller Kosmetik aus Trauben behandeln lassen. DZ ab ca. 175 Euro, mindestens zwei Übernachtungen.

36637 Meis, Pontevedra

T: +34 609 111023, novavilariasbaixas.com

Gandarela Turismo Rural

Sehr geschmackvolles, restauriertes kleines Landhotel, das naturverbunden direkt am Fluss in der Nähe von Ourense liegt. DZ ab ca. 80 Euro.

Puga 1, 32459 Toén

T: +34 667 727249, gandarela.es

Restaurants

Restaurante Loureiro

Vom relativ schmucklosen Äußeren dieses Hotelrestaurants sollte man sich nicht täuschen lassen: Die Qualität des Essens, vor allem der »-mariscada«, ist erstklassig.

Avenida Loureiro 13, 36939 Bueu

T: +34 986 320719, restauranteloureiro.es

Culler de Pau**

Das wohl beste Restaurant Galiciens liegt auf der schönen Halbinsel O Grove. Mit Blick aufs Meer genießt man hier die hochfeine Version traditioneller galicischer Küche, zubereitet von Javier Olleros.

Calle Reboredo 73, 36980 O Grove

T: +34 986 732275, cullerdepau.com

Asador O Carmelo

Das Fleisch in diesem exzellenten Grillrestaurant rund zehn Minuten südlich von Santiago de Compostela kommt aus der eigenen Zucht.

Trva. Casalonga 6, 15866 Calo (Teo)

T: +34 981 539045, asadorocarmelo.es

Abastos 2.0

Unmittelbar am Mercado de Abasto gelegen, bietet dieses Restaurant eine gehobene Alternative zu den (ebenfalls sehr guten) Bars direkt im Markt. Zur Auswahl exzellenter Meeresspezialitäten kommt eine gute Weinkarte.

Praza de Abastos, Rúa das Ameas, 13–18
15703 Santiago de Compostela

T: +34 981 576145, abastosdouspuntocero.com

A Viaxe

Hier kommen die Zutaten Galiciens mit peruanischen Rezepten und Techniken zusammen (Ceviche etc.). Auch sonst zeigt sich die fischlastige Küche weltoffen.
Praza do Matadoiro 3

15704 Santiago de Compostela

T: +34 662 618862, aviaxe.es

Tapas-Bars

Detapaencepa

Auf zwei Etagen bekommt man hier raffinierte Tapas und kleine Gerichte nebst einer formidablen Weinkarte. Das Rinderfilet mit Foie gras und PX-Sherry sollte man nicht verpassen.
R. do Ecuador 18, 36203 Vigo

T: +34 986 473757, detapaencepa.com

Sybaris 2.0

Um in die galicische Weinwelt einzutauchen, ist diese Adresse optimal. Zumal die Weine von exzellenten, gut gemachten Tapas und weiteren Speisen ebenbürtig begleitet werden.

Rúa Cardenal Quiroga, 22, 32003 Ourense

T: +34 988 107162, vinotecasybaris.es

Café Vanessa

Alteingesessene Bar mit typischen galicischen Tapas. Probiertipp: Toast mit eingelegten Sardinen und geräuchertem San-Simón-Käse.

Est. de Catabois 365, 15405 Ferrol

T: +34 981 372402

Casa Marcelo*

Eine Tapas-Bar mit Stern – dieses Konzept verfolgt Marcelo Tejedor seit Jahren mit großem Erfolg. Für seine kleinen Kreationen webt er auch Elemente der japanischen Küche mit ein.

Rúa das Hortas 1, 15705 Santiago de Compostela

T: +34 981 558580, casamarcelo.net


Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2022

Zum Magazin

Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
Autor
Mehr entdecken
Mehr zum Thema
Advertorial
Der Charakter von Toro
Roberto San Ildefonso gründete Ende der 90er-Jahre die Finca Sobreno in Toro. Er erkannte das...
Barcelona
Auf den Straßen Barcelonas
Es gibt Städte, die besucht man immer wieder. Barcelona, die katalanische Metropole am Mittelmeer,...
Von Anna Wender