Im »Herzig« gibt es ausreichend Platz für den Gast und den Genuss. 

Im »Herzig« gibt es ausreichend Platz für den Gast und den Genuss. 
© Walter Luttenberger Photography

»Herzig«: Kunst an der Wand und auf dem Teller

Sören Herzig eröffnet am 12. April sein erstes eigenes Restaurant in Wien. Eine Vorschau und erste Impressionen.

Er kommt aus dem Norden Deutschlands – seit 2015 aber kocht Sören Herzig in Österreich. Der Schüler von Juan Amador ist damals mit dem erst kürzlich mit drei Michlin Sternen ausgezeichneten Koch nach Wien gekommen. Nach drei gemeinsamen Jahren in »Amadors Wirtshaus« hat Herzig weitere Erfahrungen im »Aï« und »Dots« gesammelt – dabei aber immer vom eigenen Restaurant geträumt. Am 12. April ist es soweit, das »Herzig« eröffnet. Und das in einer Ecke Wiens, die man in kulinarischer Hinsicht noch gar nicht auf dem Plan hatte.
In der Schanzstraße 14 im 15. Wiener Gemeindebezirk – mit der U-Bahn rund 15 Minuten von der Wiener City entfernt – ist das »Herzig« im ehemaligen Dorotheum-Gebäude beheimatet, das aufwändig saniert wurde und mittlerweile Raum für Architekturbüros, das Adidas Headquarter, Start-Ups, eine Galerie und eben das »Herzig« bietet, das in den vergangenen Monaten im Erdgeschoß realisiert wurde.
Obwohl Sören Herzig, Jahrgang 1989, deutsche Wurzeln hat verfügt er in Wien über ein hochkarätiges Netzwerk aus Freunden und Bekannten. Ohne die Unterstützung der in der Schanzstraße 14 ansässigen Unternehmen hätte ihm sich weder die Location erschlossen, noch hätte sich das Projekt überhaupt realisieren lassen. »Ich habe an dem Konzept nun vier Jahre getüftelt«, erzählt Sören Herzig beim Presse-Preview vor dem offiziellen Start. Und ein erster Lokalaugenschein zeigte eindrucksvoll, dass die Michelin-Sterne, die Amador zum ersten Drei-Sterne-Koch Österreichs machten, wohl auch etwas Richtung des 15. Wiener Bezirkes strahlen könnten.

Herzensangelegenheit

Dass der Eingang zum Restaurant auch mal übersehen werden kann, könnte man als Understatement deuten. Betritt man das »Herzig« kommt einem umgehend der Begriff »Großzügigkeit« in den Sinn. Die Tische stehen weit auseinander, der zurückhaltend gestaltete, offene Raum bietet Platz. Für die Gäste, für die Kunst an den Wänden und jene, die Sören Herzig auf die Teller bringt. Und bei manchen Kreationen kann das auch tatsächlich wörtlich genommen werden. Dass der Chef des Hauses mit Leidenschaft bei der Sache ist und sich Zeit für die Details nehmen konnte, sieht man im »Herzig« an jeder Ecke. Das Logo, eine nordische Rune, soll einerseits an Herzigs Wurzeln erinnern, andererseits steht sie für »Herz«. Der uralte Holzboden wurde aus dem ganzen Haus zusammengetragen und aufwändigst restauriert, die Sessel vom befreundeten Wittmann-Designer entworfen und vom traditionsreichen Möbelproduzenten exklusiv für das »Herzig« gefertigt. 

Durchdacht, detailverliebt, originell

Details, darauf achtet Sören Herzig auch und vor allem, wenn es um seine Gerichte geht. Als Amuse Gueule wird »Sniff«, eine Zwiebelsuppe mit Comté, im Reagenzglas serviert, Hamachi kommt im Knusper-Karottenmantel und mit Ingwermayonnaise auf den Tisch und das einfach klingende »Mettbrötchen« entpuppt sich als stimmige Geschmacks-Preziose aus Zwiebelbaiser, Tatar und Schnittlauchmayonnaise. Bereits die Grüße aus der Küche lassen eine Richtung erkennen: der Fokus auf einzelne Zutaten wie Zwiebel oder die fettige Geschmacksträgerkomponente in Form von Mayonnaise oder Creme sollten in der späteren Speisenfolge ebenso wiederkehren wie die Referenzen Richtung deutsche Heimat.
Weiter geht es mit Sören Herzigs Signature Dish, das schlicht »Carbonara« heißt und sich als vielschichtiges Spiel aus Konsistenzen und Aromen präsentiert – unter anderem mit knusprigem Speck und wächsernem Wachtelei. Danach kommt hausgemachtes, Salz-Brioche noch lauwarm auf den Tisch, dazu gibt es aufgeschlagene Butter mit Schnittlauchessenz und Kalbsverhackertes. Es folgen zwei Fischgänge – zum einen eine Makrele von bester Qualität kombiniert mit Zwiebelmayonnaise, Zimtblütenjus und Ofenkartöffelchen in essbarer Silberfolie, zum anderen ein Sandwich von der Seezunge gefüllt mit Kaisergranat, dazu ein auf Holzkohle gegrillter Spargel, Beurre Blanc, Estragon-Mayonnaise und eine Kaisergranat-Bisque.
Es folgt ein »Brathähnchen« in Form des Pfaffenstücks gepaart mit knuspriger Hühnerhaut, pochiertem Eigelb, Getreide und Mimolette-Käse. Der Fleischgang besteht aus einem auf den Punkt gegarten Lammrücken mit Dill-Honig-Senf und Rhabarber Sous Vide, der für den saueren Kick sorgt. Als Zwischengang folgt ein Eis aus Parmigiano Reggiano mit grünem Spargel, Caesar’s Salad und altem Balsamico bevor es ans süße Finale geht. Dieses startet mit einer Kombination aus Birne, Hefe und Zitronenthymian gefolgt von einem Dessert inspiriert vom südamerikanischen Palo Santo Holz, dessen ätherische Öle beim Ausräuchern böse Geister vertreiben sollen. Bei Sören Herzig ruft es das Gute in Form von Geschmack herbei – Hafereis, ein knuspriger Ast mit geröstetem Kokos, eine Art Hippe, die an einen Baumstamm erinnert und mit Kokoscreme gefüllt ist und dazu noch separat ein Schälchen mit Kaffee-Kokos-Creme.

Und dann kommt noch einmal eine Kindheitserinnerung auf den Tisch: Herzigs Interpretation des Kaktus-Eis zeigt noch einmal mit welcher Leichtigkeit und Frische er Spitzenküche und Kreativität zu einem Gesamterlebnis fusioniert – immer wieder mit einem Augenzwinkern und viel Spaß. Den bereitet auch das charmante Service ebenso wie die Getränkebegleitung.
Aus der noch relativ kleinen Weinkarte, die aber das Beste aus allen Welten zu bieten hat, wählt der junge Sommelier Johann Artner durchaus auch gewagte Kombinationen. Für Witz ist auch hier gesorgt, etwa wenn Artner zum Dessert einen Drink aus seiner Jugend offeriert, einen »Cowboy-Spritzer«, für den Rum mit einem Schluck Wasser kombiniert wird. Wer weniger Promille bevorzugt, dem sei die wirklich innovative antialkoholische Speisenbegleitung ans Herz gelegt – von geräuchertem Schwarztee mit Himbeere und Agave über die Kombination von Paprika und Erdbeere bis hin zu Mandelmilch mit Rose und Koriandersamen reicht hier das spannende Spektrum.
Petit Fours werden bei Herzig großgeschrieben, weshalb das Menü mit kunstvollen Pralinen, die sich in Form und Farbe als Kunst an den Wänden widerspiegeln, schließt.

Lunch und Dinner

Während abends Dining (ohne »Fine« vorneweg) in Menüform (sieben Gänge kommen auf 135 Euro, die Weinbegleitung kostet 85 Euro, die antialkoholische Getränkebegleitung schlägt mit 45 Euro zu Buche) geboten wird, ist das »Herzig« mittags eine Kantine – Lunch gibt es ab 8,50 Euro und es stehen unter anderem Schweinsbraten »wie von der Mama« – gemeint ist jene von Herzigs Verlobter und Gastgeberin Saskia Leberzipf – oder der Pasta-Mittwoch.

INFO

Herzig - geöffnet ab 12.4.
Schanzstraße 14, 1150 Wien
Öffnungszeiten
:
Lunch – Dienstag bis Freitag zwischen 11.30 und 14 Uhr
Dining – Dienstag bis Samstag ab 18.30 Uhr
www.restaurant-herzig.at

Marion Topitschnig
Autor
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