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Schon gewusst: Madeira wurde auf hoher See erfunden

Gewachsen im Osten des Bordelais, gereift auf einem Segelschiff.

Schon Plinius der Ältere (24–79 n. Chr.) beschrieb in seiner Naturalis Historia, dass auf einem Schiff transportierter Wein schneller und komplexer reife. Im 17. Jahrhundert wurde die holländische Ostindien-Flotte zur Geburtsstätte eines neuen Weintyps: Die Schiffe luden auf der Hinfahrt nach Indien entweder in Lissabon kretische Süßweine, oder sie machten auf der Insel Madeira fest, um dortigen Wein zu laden, ihn um die halbe Welt und wieder zurück in die heimischen Häfen zu transportieren – mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung. Auf diesem Weg blieben die Weine etwa ein halbes Jahr an Bord. Die Oxidation der Weine unter dem Einfluss der Hitze in den südlichen Breiten wurde zur Blaupause für den Madeira, wie wir ihn heute kennen – und gab Anlass zur Entwicklung des »Estufagem«-Verfahrens: Denn die Madeira-Erzeuger entdeckten bald, dass man praktisch denselben Effekt wie auf See erzielen konnte, wenn man die Weine zu Hause längere Zeit auf warmen Speichern oder direkt unter der Sonne großer Hitze aussetzte. Heute kommen für einfachere Madeira-Qualitäten sogar beheizte Tanks zum Einsatz.

Auch nach Ende des Ostindien-Handels hat es immer wieder Versuche gegeben, die Weinreifung auf hoher See zu nutzen: So hatte etwa die österreichische Fregatte SMS Novara bei einer Weltumsegelung 1857–59 »Äquatorwein« der Firma Schlumberger an Bord. Ein heutiges Pendant ist der Bordeaux des namhaften biodynamisch wirtschaftenden Weinguts Château Le Puy, dessen Cuvée »Retour des Îles« zwölf Monate lang im Fass über die Weltmeere segelt, ehe er abgefüllt wird: Von der Bretagne aus führt ihn der Weg per Segelschiff über Lissabon nach Kap Verde, dann über den Atlantik nach Brasilien, zu den Karibischen Inseln, vorbei an Barbados und der Dominikanischen Republik zurück nach Europa, wo die Fässer nach Stationen in England und Dänemark wieder in Frankreich angelandet werden.

Château Le Puy »Retour des Îles«: Gewachsen in den Côtes de Francs im Osten des Bordelais, zwölf Monate gereift auf einem Segelschiff.
Foto beigestellt
Château Le Puy »Retour des Îles«: Gewachsen in den Côtes de Francs im Osten des Bordelais, zwölf Monate gereift auf einem Segelschiff.

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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Aakriti Dhawan
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