Burger-King-Chefkoch Lenke

Burger-King-Chefkoch Lenke
© Burger King

So arbeitet der deutsche Chefkoch von Burger King

Tim Lenke ist das kulinarische Gehirn der Fastfood-Kette Burger King. Hier erklärt der gelernte Koch, was einen perfekten Burger ausmacht und warum er die gehobene Gastronomie für überbewertet hält.

Falstaff: Herr Lenke, Sie üben einen Beruf aus, von dem viele nicht einmal wissen, dass es ihn gibt und der wie ein Widerspruch in sich klingt: Chefkoch bei Burger King.

Tim Lenke: Gewöhnlich ist mein Job nicht, da haben Sie recht. Chefkoch ist aber nur die Kurzform. Mein offizieller Titel ist sperriger und lautet: Senior Manager Product Development & Innovation. Wenn mich jemand fragt, was ich arbeite, sage ich aber immer: Ich bin Chefkoch bei Burger King, denn auch hier müssen neue Geschmackskombinationen getestet, Rezepte angepasst und neue Burger- und Snackkreationen konzipiert werden. Das ist nicht groß anders als bei einem Koch in der Individualgastronomie. Wenn also neue Burger auf dem Menü stehen, stecke meistens ich dahinter.

Wie kamen Sie zu Burger King?

Es wird Sie überraschen: Gestartet bin ich in der gehobenen Gastronomie. Ich habe eine klassische Kochlehre absolviert in der Küche eines feinen Hotels in Hannover, familiengeführt in fünfter Generation. Da habe ich das Handwerk von der Pike auf gelernt: Wie man Wild richtig zubereitet oder Fisch ausnimmt zum Beispiel. Als ich dort Küchenchef wurde, habe ich auch selbst Köche ausgebildet. Das hat mir zwar Spaß gemacht, mir aber ziemlich schnell auch nicht mehr gereicht.

Neue Burger-Kreationen kommen in fünf bis zehn wechselnden Burger-King-Filialen ins Angebot und werden dort unter Realbedingungen getestet.
© Burger King
Neue Burger-Kreationen kommen in fünf bis zehn wechselnden Burger-King-Filialen ins Angebot und werden dort unter Realbedingungen getestet.

Inwiefern?

Ich wollte herausfinden, welche Möglichkeiten es außerhalb der klassischen Gastronomie gibt. Das feine Essen kannte ich, die Sterneküche mit ihrem Klein-Klein war aber nie mein Ziel. Statt mich als Koch nach oben in Richtung Sterne zu arbeiten, wollte ich mich lieber möglichst breit ausprobieren, denn es gibt so viele gastronomische Bereiche außerhalb der Individualgastronomie. Darauf war ich neugierig: Systemgastronomie, Gemeinschaftsverpflegung, sogar Bäckereiketten. In den vergangenen 20 Jahren habe ich in der Gastronomie so ziemlich jeden Bereich ausprobiert, den es gibt. Und manchmal muss es eben schnell und unkompliziert sein. So wie bei Burger King, wo ich nun seit vier Jahren arbeite.

Womit Sie kulinarisch ganz unten angelangt sind.

Der Anspruch an meinen Job ist in der Systemgastronomie nicht geringer als in der Individualgastronomie – im Gegenteil sogar: Unsere Produkte müssen so konzipiert sein, dass sie in 750 Küchen identisch zubereitet werden können. Und sie müssen den Großteil der Gesellschaft ansprechen und sich dabei vom Wettbewerb abheben. Deswegen gehört es zu meinen Aufgaben, die sich verändernden Essgewohnheiten und Trends miteinzubeziehen.

Was heißt das?

Wir verzichten zum Beispiel seit über zwei Jahren bei unseren Speisen auf Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker und setzen auf natürliche Aromen. Ich war immer der Auffassung, beim Essengehen sollte es keine Hürden geben. Auf die Musik übertragen könnte man sagen: Ich wollte immer der stadionfüllende Rockstar sein, nie der Avantgardist. Außerdem habe ich schon während meiner Zeit in der gehobenen Gastronomie mehrmals wöchentlich Fastfood gegessen, als Ausgleich. Irgendwann hatte ich mich selbst an den manieriertesten Gerichten totgesehen. Ich bin oft aus der Küche raus und dachte: Jetzt brauche ich mal einen Burger. Ich kenne übrigens Spitzenköche, denen geht es heute genauso wie mir damals.

Es kommt selten vor, dass ich einfach so drauflosprobiere in der Küche. Meine Arbeit richtet sich ganz stark nach Trends aus.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit bei Burger King von der eines klassischen Kochs?

Definitiv sitze ich mehr in irgendwelchen Meetings und vorm Computer als früher. Der theoretische Anteil ist sehr hoch. Heute muss ich Lieferketten und -kapazitäten berücksichtigen. Ich gehe nicht von der Größenordnung eines Kochtopfs aus, sondern wenn wir starten, dann brauche ich von jeder Zutat zig Tonnen. Das hat natürlich Auswirkungen darauf, wie lange es von der Produktidee bis zur Markteinführung dauert. Am Anfang steht daher konzeptionelle Forschung, also welche Trends gibt es in Deutschland aber auch international, welche spannenden Entwicklungen sehen unsere Produzenten, was geben unsere erhobenen Daten her, welche Impulse setzen meine internationalen Burger King Kollegen und letzlich natürlich auch welche Verfügbarkeit es auf dem Weltmarkt gibt.

Aber wie sieht Ihre Arbeit denn nun genau aus?

Es kommt selten vor, dass ich einfach so drauflosprobiere in der Küche. Meine Arbeit richtet sich ganz stark nach Trends aus und findet in enger Abstimmung mit dem Marketingteam ab. Innerhalb von Burger King bilden wir sogar eine gemeinsame Abteilung. Dass Marktforschung und Produktentwicklung so eng zusammenarbeiten, ist schon eine Besonderheit.

Wie machen Sie Burger-Trends ausfindig?

Wenn wir einen Burger-Trend erkennen, dann ist es schon zu spät, weil ein anderes Unternehmen diesen Burger dann ja schon im Programm hat. Wir schauen eher danach, welche Länderküchen gerade angesagt sind oder vermutlich sein werden: Ob bei Streetfood, bei Snacks, Süßigkeiten oder Getränken, wir lassen in der Beobachtung nichts aus. Besonders wichtig ist für uns, welche Früchte- und Gemüsesorten und welche Art des Kochens gerade relevant sind. Besonders aufstrebend ist derzeit die koreanische Küche, die Fusionsküche und »Chaos Cooking«, um nur einige zu nennen. Was Trends angeht, gibt es außerdem einen Trickle-Down-Effekt von der gehobenen Gastronomie über das Segment, das wir »Fast Casual« nennen – also Ketten wie »Peter Pan« oder »Hans im Glück« – zu uns. Wir versuchen also, weit in die Zukunft der Ernährung zu blicken.

Und dann?

Dann wird getestet. Jeden marktreifen Burger gibt es während der Testphase noch in zahlreichen unterschiedlichen Varianten. Angefangen bei der Soße, über Panade und Brötchen. In einem internen Geschmackstest schauen wir, welche Rezepturen am besten ankommen. Wir lernen aus den Ergebnissen und passen die Burger entsprechend an. Die Kreationen, die sich durchsetzen, nehmen wir dann meist in fünf bis zehn wechselnde Restaurants ins Angebot auf und testen sie dort unter Realbedingungen.

Auf zehn Kunden kommen heute zehn verschiedene Essverhalten. Nur die Soßen bei Burgern auszutauschen und diese dann als die neusten Innovationen zu verkaufen, funktioniert nicht mehr.

Was, wenn einer Ihrer Burger im Test bei den Kunden durchfällt?

Es kann gut sein, dass manche unserer Kreationen noch nicht reif für den deutschen Markt sind, etwa weil die Zutaten von uns Deutschen noch nicht gelernt genug sind oder es operativ nicht umsetzbar ist. Dann legen wir die Idee erstmal in die Schublade oder verwerfen sie ganz, so wie eine Burger-Variante mit Fonduekäse, der leider nicht das richtige Schmelzverhalten gezeigt hat. Manchmal merkt man erst im Test im Store, dass etwas überhaupt nicht operativ funktioniert.

Ist es wirklich der Geschmack, der über Erfolg bestimmt oder eher das Marketing?

Auf dem Weg zu Burger King kommen Sie sicher an dutzenden Alternativen vorbei: Dönerläden, Imbissen, McDonald’s-Filialen. Es ist eine bewusste Entscheidung, zu Burger King zu fahren. Ausschlaggebend dafür ist natürlich der Geschmack. Gutes Marketing macht ein schlechtes Produkt nicht besser. Aber es kann einem guten Produkt helfen, sich noch besser zu verkaufen. Unsere Marketing-Abteilung hat es schön auf den Punkt gebracht: Geschmack ist King!

Dabei haben Sie es mit einer relativ anspruchslosen Klientel zu tun, oder? Schnell, billig und sättigend ist das, was für Ihre Kundschaft zählt.

Das würde ich so nicht unterschreiben. Erstens ist unsere Kundschaft ganz bestimmt nicht anspruchslos. Das Essverhalten hat sich in den vergangen zehn Jahren unglaublich stark differenziert. Auf zehn Kunden kommen heute zehn verschiedene Essverhalten. Nur die Soßen bei Burgern auszutauschen und diese dann als die neusten Innovationen zu verkaufen, funktioniert nicht mehr. Da wird zurecht mehr erwartet. Unsere Premium-Plattform »King’s Selection« ist hierfür das beste Beispiel. Wir entwickeln dafür eigenständige Burger mit speziellen Brioche-Buns, Pattys und außergewöhnlichen Geschmackskombinationen. Gerade erst haben wir den »King’s Crunchy Pepper Chicken« in die Restaurants gebracht – eine absolute Neuheit mit Gourmet-Chicken-Patty komplett aus deutschem Hähnchenfleisch und einer würzigen Joghurt-Pfeffer-Sauce. Das zeigt, dass die Ansprüche wachsen. Und zweitens: Es gibt keine spezifische Klientel.

Sondern?

Wenn man sich mal zwei, drei Stunden in eines unserer Restaurants setzt, sieht man hier den Querschnitt der Gesellschaft ein- und ausgehen. Ein Teil davon fragt nach mehr Regionalität. Einem anderen Teil ist es wichtiger, dass der Burger nur 1,99 € kostet. Und ein wachsender Teil möchte auf Fleisch verzichten. Auch Schnelligkeit ist relativ, inzwischen ist unseren Gästen schon bewusst: Qualität setzt eine gewisse Produktionszeit in der Küche voraus.

Burger King hat rund 750 Restaurants in Deutschland, von denen circa 630 von unabhängigen Franchisenehmern geführt werden.
© Burger King
Burger King hat rund 750 Restaurants in Deutschland, von denen circa 630 von unabhängigen Franchisenehmern geführt werden.

Was ist dran am Glauben, dass Fast-Food per se schlechter ist als das Essen zu Hause oder im Restaurant?

Ich bezweifle, dass es per se gesünder ist, wenn ich mir zu Hause Spaghetti mit Tomatensoße koche oder die Fertigpizza in den Ofen schiebe. Auch in vielen Bereichen der Gastronomie kommen Convenience-Produkte zum Einsatz. Diese sind per se aber auch nicht ungesünder. Natürlich ist eine mit frischen Zutaten gekochte Mahlzeit ein Highlight, aber nicht jeder schafft das jeden Tag. Gerade in unserer schnelllebigen mobilen Zeit ist dies für die wenigsten täglich umsetzbar – darum sind verschiedene Essensangebote so wichtig. Burger King hat nicht den Anspruch, das nährstoffreichste Superfood der Welt zu verkaufen. Wir bieten den schnellen Burger genau wie den Gourmet-Burger, auf den man einfach Bock hat – nicht jeden Tag, sondern wenn man sich etwas gönnen möchte. Unser Essen fügt sich damit ein in einen ausgewogenen Lebensstil, in dem man sich mobil und zuhause ernährt.

Unsere Restaurants werden mehrfach im Jahr unangekündigt von einem unabhängigen Dienstleister geprüft, was zeigt, wie wichtig uns Hygiene, Lebensmittelsicherheit und das Gästeerlebnis sind.

Was macht einen perfekten Burger aus?

Perfekt ist nie erreichbar, denn für jeden Geschmack ist etwas anderes »perfekt«. Um große Teile der Bevölkerung mit einem guten Burger glücklich zu machen – und das ist ja unser Ziel bei Burger King – sollte ein Burger verständliche und wenig polarisierende Zutaten haben, die miteinander harmonieren und eine Einheit bilden; so wie der Whopper. Andere Burger gehen mehr in eine bestimmte geschmackliche Richtung und besetzen ein Thema, welches vielen schmeckt, aber durchaus polarisiert. Gerade haben wir mit dem »King’s Harissa« einen Premium-Burger mit einer recht scharfen Sauce erfolgreich in den Restaurants. Das schmeckt nicht jedem, ist für jemand anderes aber vielleicht genau das perfekte Geschmackserlebnis.

Die Produktqualität ist das eine, was ist mit der Umsetzung? Was Hygiene angeht, lag ja zuletzt einiges im Argen bei Burger King.

Es wurde über Vorfälle berichtet, die sich in fünf von 750 Burger King Restaurants ereignet haben. Wir bedauern diese Vorfälle sehr und nehmen sie ernst. Darum wurden die betroffenen Restaurants vorübergehend geschlossen und genau überprüft. Außerdem haben wir Sonder-Audits in allen 750 Burger King Restaurants in Deutschland durchgeführt. Unsere Restaurants werden mehrfach im Jahr unangekündigt von einem unabhängigen Dienstleister geprüft, was zeigt, wie wichtig uns Hygiene, Lebensmittelsicherheit und das Gästeerlebnis sind. Es gibt klare Vorgaben: Unsere Standards sind hoch und die Prozesse eindeutig. An diese müssen sich alle Mitarbeitenden halten. Klar ist aber auch, dass in einer Küche Menschen arbeiten und Fehler nun einmal menschlich sind – da ist es egal, ob es Individual- oder Systemgastronomie ist. Unser Anspruch ist es, die Standards bei allen Mitarbeitenden noch mehr zu verankern, weswegen wir unsere Trainingskultur mit Nachdruck weiterentwickeln.

Herr Lenke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.


Tim Lenke (Jahrgang 1981) ist Senior Manager Product Development & Innovation bei der Burger King Deutschland GmbH und verantwortet die gesamte Produktentwicklung der Marke Burger King in Deutschland. Der gelernte Koch hat unter anderem in verschiedenen Häusern der Individual- und Gemeinschaftsgastronomie als Küchenchef und Betriebsleiter gearbeitet sowie die Filialnetze und Sortimentweiterentwicklungen verschiedener Bäckereiketten geleitet. Seit 2019 hat Tim Lenke die Plant-based Strategie bei Burger King maßgeblich vorangetrieben. Er zeichnet sich für zahlreiche Produktinnovationen in der deutschen Systemgastronomie verantwortlich und entwickelt die Rezepturen klassischer Burger King Produkte kontinuierlich weiter.

Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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