Mit ihrem »Bite Club Street Food Festival« feiert Miranda Zahedieh in diesem Jahr zehnjähriges Bestehen.

Mit ihrem »Bite Club Street Food Festival« feiert Miranda Zahedieh in diesem Jahr zehnjähriges Bestehen.
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Streetfood-Jubiläum: Berliner »Bite Club« Veranstalterin Miranda Zahedieh im Interview

Vor zehn Jahren hat das Londoner Duo Miranda Zahedieh und Tommy Tannock das »Bite Club Street Food Festival« gegründet. Seitdem haben sie in der »Arena Berlin«, direkt an der Spree, unzählige Events veranstaltet und sind zum beliebtesten Street Food Angebot der Stadt geworden. Zum Jubiläum hat Falstaff mit Miranda Zahedieh darüber gesprochen, was eine wirklich gute kulinarische Party ausmacht und was Besucher von der großen Geburtstagsparty erwarten dürfen.

Falstaff: Welche Rolle hat Essen und speziell Street Food für Sie in ihrem Leben gespielt? Interessieren Sie sich schon seit der Kindheit dafür?

Miranda Zahedieh: Ich bin eine gesellige Esserin. Ich bin in London aufgewachsen und hatte ziemlich kulinarisch neugierige Eltern, die mich von klein auf mit vielen verschiedenen Küchen in Kontakt gebracht haben. Aber das war nie mein Beruf. Ich habe am Royal College of Art studiert, Design-Geschichte, und eine Zeit lang an der Bauhaus-Universität gelehrt, ich war also eher in der akademischen Welt zu Hause. Dann habe ich in Berlin im Content Management gearbeitet. In London hatte ich viel von der Street-Food-Szene mitbekommen, die sich gerade entwickelte. Ich komme aus East London, dem Partyviertel. Dort gab es diese ausgefallene Kombination aus Street Food und Nachtleben. Außerdem bin ich viel in Asien herumgereist. Mein Geschäftspartner Tommy Tannock, der inzwischen wieder in der Londoner Gastronomie arbeitet, hat eine Weile in Tokio gelebt. Das waren unsere ersten Inspirationen. Darüber kamen wir ins Gespräch. Ursprünglich war »Bite Club« ein Nebenprojekt, das uns Spaß machte, wir hatten beide Vollzeitjobs und machten andere Dinge. Ich kannte die Location, die Arena Kreuzberg, wo wir seit 10 Jahren unsere Events veranstalten, vom Ausgehen. So hat eins zum anderen geführt.

Ich lasse nie jemanden verkaufen, dessen Essen ich noch nicht gegessen habe.

Was essen Sie am aller liebsten?

Es ist lustig: ich habe vor kurzem ein Baby bekommen und wollte einfach jeden Tag Brathähnchen essen. Ich konnte nur Brathähnchen und Tomatensalat essen. Letzten Sommer haben wir meinen Geburtstag im Restaurant »Julius« gefeiert. Sie haben für uns ein privates Mittagessen auf der Terrasse veranstaltet und da gab es einen unglaublichen Tomatensalat. Mein Vater ist Iraner, also liebe ich richtig gut gekochten Reis. Ich benutze dafür einen Reiskocher, aber das tun die meisten Iraner. Diese Kombination aus gebratenem Hähnchen, das sehr britisch ist, Tomatensalat, der sehr mediterran ist, und dann der persische Reis – das könnte ich jeden Tag essen.

Gibt es etwas, das Sie im »Bite Club« immer essen?

Ich bin sehr einfach gestrickt, deshalb ist es wieder Hühnchen. Das Butter Brunson’s Fried-Chicken-Sandwich. Dort hole ich mir immer das erste Sandwich des Abends ab, denn Sie wissen ja, wie es ist, wenn man eine Party veranstaltet, kommt man nie dazu, etwas zu essen oder zu trinken. Man ist zu gestresst. Ja, das ist mein Lieblingsessen. Aber ich probiere alles, bevor es in den »Bite Club« kommt. Ich lasse nie jemanden verkaufen, dessen Essen ich noch nicht gegessen habe. Ich glaube, viele andere Street Food Events in Berlin machen das nicht, aber wir sind stolz darauf, kuratiert zu sein. Leider komme ich selten dazu, es während der Events zu genießen.

Sie sind also bei jedem »Bite Club« Event anwesend?

Vor Corona ging es uns sehr gut, ich hatte ein großes Team, und ich konnte einfach um 19.00 Uhr ankommen, einen Cocktail trinken und schauen, dass alles richtig läuft. Aber seit Corona haben wir, wie alle Event- und Gastronomieunternehmen, wirklich zu kämpfen. Ich bin dieses Jahr eine One-Woman-Band. Also mache ich buchstäblich alles. Ich bin um neun Uhr morgens da und kümmere mich um die Tischdecken und die Menüs und alles andere.

Sie haben mit Corona schon eine Schwierigkeit in der zehnjährigen Geschichte des »Bite Club« angesprochen. Gab es noch weitere?

Am Anfang war es eine Herausforderung, sich zu professionalisieren, unter anderem, weil wir keine deutschen Muttersprachler sind. Es gibt hier einen riesigen Berg an Bürokratie, den es erstmal zu bewältigen gibt. Ich glaube, das ist jetzt besser geworden, aber damals war man sehr auf sich allein gestellt. Es gab keine Unterstützung für kleine Unternehmen, die in die Stadt kamen und kein Deutsch sprachen. Nichts wurde übersetzt. Es ist einfach schwer, sich in diesem System zurechtzufinden. So ist das eben, wenn man Einwanderin ist. Diese Erfahrung war wahrscheinlich die schwierigste. Auch als nicht-deutsche POC Frau in der Gastronomie. Ich komme zwar aus England, aber ich habe auch einen iranischen Hintergrund. Die deutsche Szene ist ziemlich männlich und weiß, vor allem bei den Alkoholunternehmen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, war das der Fall. Oft war ich die einzige Frau im Raum, die einzige Nicht-Deutsche im Raum, die einzige nicht weiße Person im Raum. Aber natürlich kann das in vielerlei Hinsicht auch ein Vorteil sein.

Zum Glück hatten wir mit der Arena Berlin, unserem Veranstaltungsort immer eine wunderbare Beziehung, und ich kann ihnen gar nicht genug Liebe entgegenbringen: Sie sind großartig, obwohl sie uns nicht brauchen. Wir zahlen nicht so viel wie andere, aber sie haben uns immer sehr unterstützt.

Ich glaube, fast alle, die im ersten »Bite Club« einen Stand betrieben haben, haben wir auf der Tanzfläche kennengelernt.

Mit anderen Locations war das anders: Sie haben uns angefragt um dort Events zu machen, als eine Form der Gentrifizierung. Sobald sie nach zwei Sommern sehr populär wurden, wurden wir ausgepreist. Berlin ist ein riesiger Ort für Veranstaltungen geworden, auch für Firmenveranstaltung von außerhalb. Alles wurde sehr kommerzialisiert. Das ist ein Wagen, auf den wir auch hätten aufspringen können. Wir haben mit einigen dieser Veranstaltungen gut verdient, aber so hat es sich eben auch verändert. Die Stadt ist nicht mehr so frei und offen, wie sie es einmal war.

Wie sind Sie darauf gekommen, den Beruf zu wechseln und in die Gastronomie Szene einzusteigen?

Vor uns gab es schon eine Menge Expats, aber wir waren eine spezielle Welle von jungen Londonern, die nach Berlin kamen, als London zu teuer wurde. So kam es, dass viele Leute hierher kamen mit der Gastronomiegeschichte der zweiten Generation von ihren pakistanischen Großmüttern oder ihrer südamerikanischen Mutter oder was auch immer. Damals gab es in Berlin noch nicht diese kulturelle Mischung von Essen. Es gab richtig guten Döner, richtig gutes vietnamesisches Street Food und dann gab es Tim Raue und all diese Fine Dining Lokale. Dazwischen gab es nichts. Also haben wir den »Bite Club« gegründet, weil wir vielen unserer Freunde eine Plattform geben wollten. Ich glaube, fast alle, die im ersten »Bite Club« einen Stand betrieben haben, haben wir auf der Tanzfläche kennengelernt. Wir waren alle Ende 20, Anfang 30, und es war eine sehr lebendige Szene. Viele Leute kamen auf uns zu und sagten ›Oh, ich würde gerne einen Arepa-Stand machen. Ich würde gerne ein paar pakistanische Currys machen. Ich möchte richtige chinesische Szechuan-Nudeln machen.‹ Also haben wir einfach einen Raum geschaffen, in dem die Leute das tun können. Wir wollten einfach eine gute Zeit haben und gut essen. Am Anfang haben wir das Ganze nicht aus einer geschäftlichen Perspektive betrachtet.

Wie sieht für Sie der perfekte Street Food Market aus? Nach welchen Kriterien kuratieren Sie ein »Bite Club« Event?

Natürlich glauben wir an die Nachhaltigkeit und wir wollen junge Gastronomiebetriebe unterstützen, aber am wichtigsten war es uns schon immer, Spaß zu haben. Wir wollen, dass sich unsere Gäste amüsieren, eine gute Zeit haben. Wir wollen, dass das Essen wirklich schmeckt und in der Regel, dass es sich gut mit viel Alkohol verträgt. Trotzdem möchten wir mit den Trends gehen. Es ist uns sehr wichtig, dass die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, authentisch sind und nicht einfach nur sagen: ›Ich habe 50.000 Euro für einen Foodtruck ausgegeben und ich probiere das mal aus.‹ Da sind wir sehr vorsichtig.

Was die Getränke angeht, waren wir schon früh Befürworter von Naturweinen. Wir haben immer mit lokalem Berliner Craft Beer gearbeitet. In erster Linie geht es wirklich darum, dass die Dinge lokal, authentisch, von guter Qualität und preiswert sind. Und wir legen immer Disco auf, denn das macht bei Sonnenschein einfach glücklich.

Der große Unterschied zwischen Berlin und London, was Streetfood angeht, ist, dass der Mittagsbetrieb hier nie in Gang gekommen ist.

Gab es einige besonders denkwürdige Veranstaltungen, wo einfach alles gepasst hat?

Das klingt so arrogant, aber wir haben mittlerweile wirklich den Dreh raus. Es gibt immer wieder diesen schönen Moment, wo man da steht, sieht, wie alle lachen, wie sich die Leute kennenlernen.

Lustig war ein Abend, wo ein Sturm der Stärke acht angesagt war. Es gab wirklich sintflutartigen Regen. Wir haben den »Bite Club« nicht abgesagt und trotz des Sturms kamen zwei- oder dreihundert Leute, was erstaunlich ist. Wir haben im Regen getanzt, viel getrunken und hatten eine wirklich gute Zeit. Also, ja, wir amüsieren uns immer. Das ist wirklich das wichtigste. Wir arbeiten mit guten Leuten zusammen und haben immer viel Spaß.

Hinter den Kulissen ist es immer am schönsten, wenn die Verkäufer ankommen, besonders bei der ersten Veranstaltung nach dem Winter, weil sie sich wahrscheinlich noch nicht alle gesehen haben. Obwohl sie vielleicht mittlerweile Restaurants haben und nicht mehr Streetfood machen, kommen sie immer wieder zu uns zurück. Es ist wie eine nette Gemeinschaft, in der jeder sagt: ›Hey, wie geht es dir? Wie geht's den Kindern?‹ Wir tauschen Geschichten aus. Das ist für mich immer ein Highlight.

Wie würden Sie die Berliner Streetfood Szene im Vergleich zur Londoner beschreiben? Wie hat sie sich in den letzten 10 Jahren verändert, wie hat sich der »Bite Club« verändert?

Lustiger Weise ist auch »Street Food Thursdays« vor ein paar Wochen zehn geworden. Mir war gar nicht bewusst, dass wir nur wenige Wochen voneinander entfernt eröffnet haben.

Der große Unterschied zwischen Berlin und London, was Streetfood angeht, ist, dass der Mittagsbetrieb hier nie in Gang gekommen ist.

In London gibt es diese Sachen wie Canary Wharf, die wirklich gut laufen. In Gegenden mit vielen Büros und bauen sie unter der Woche tagsüber Street-Food-Märkte auf. Das haben wir schon mehrfach versucht, bislang hat es nicht wirklich funktioniert. Ich glaube, Berlin ist zu weit verstreut. Die Geographie lässt diese festen Räume nicht zu. Am Potsdamer Platz wird mit dem neuen Food Court ausprobiert. Das scheint auf jeden Fall ein neuer Trend zu sein.Die Leute mögen es, in Einkaufszentren zu essen, aber für mich ist das das komplette Gegenteil von dem, was ich mache, nämlich dieses Open-Air-Ding, das eher ein Event und Spaß sein soll.

In London dreht sich jetzt alles um diese eingebauten Märkte mit Tischbedienung und dem ganzen Getränkeverkauf. Dafür wird wirkliches Streetfood dort immer weniger, weil alles professionalisiert ist. Das ist in allen Städten so, ich schätze, wir gehen einfach diesen Weg. Aber es gibt immer noch viele neue Anbieter, die neue Dinge ausprobieren wolle.

© Neil Hoare Photography

Was dürfen Gäste vom 10. Jährigen Jubiläums-Event am 14.7.2023 erwarten?

Wir setzen jetzt nicht gerade Konfettikanonen ein oder veranstalten ein Konzert oder sowas. Wir halten uns an die Formel der letzten zehn Jahre, weil sie so gut funktioniert und auch, weil es in den letzten Jahren budgettechnisch etwas schwierig war. Aber wir bringen viele der alten Anbieter zurück, wie »Jones Eiscreme« und  »Chut 'nify«. Es kommen sogar einige, die aus dem Street Food Betrieb ausgestiegen sind, wie »Taco Kween«, die von Anfang an dabei war. Es wird also ein nostalgisches Lineup der Berliner Gastro-Streetfood-Szene sein. Und dann gibt es auch ein paar junge, strahlende neue Lokale. Es wird einen Kuchen und Champagner geben und wir machen ein bisschen Party-Stimmung.

Wir haben vorher noch nie Merch gemacht, aber für das Jubiläum gibt es »Bite-Club«-T-Shirts für Erwachsene und Kinder. Wir werden sehen, wie die laufen.

Am Ende ist es nur eine aufgemotzte Version der normalen Veranstaltung mit einem Lineup von Oldie Berlin, weil wir es so am liebsten mögen.

Maria Wollburg
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