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Weinpersönlichkeiten der ProWein: Andrea Wirsching im Interview

Falstaff Deutschland Wein-Chefredakteur Ulrich Sautter hat sich im Vorfeld der ProWein 2023 mit Andrea Wirsching vom Weingut Hans Wirsching in Franken zum Talk getroffen.

Falstaff: Womit haben Sie aufs Jahr 2023 angestoßen? Mit Champagner, weil die zuletzt befürchtete Rezession vielleicht doch ausfällt oder zumindest mild verlaufen wird? Oder mit Selters, weil Wein- und Weltlage einen absolut nüchternen Kopf erfordern?

Andrea Wirsching: Ich liebe Champagner, aber an Silvester habe ich tatsächlich mit einem Diel Brut Reserve Cuvée Mo angestoßen, weil ich den so großartig finde. Ich habe auch gar keine Lust, mich in vorauseilendem Gehorsam von der Klippe zu stürzen, bloß weil das ganze Land in der Depression versinkt. Ja, es gibt Herausforderungen wie Kostenanstieg, Klimaerwärmung, eine weltweite Überproduktion im Weinbereich und natürlich auch die Politik. Auf der anderen Seite haben wir eine Klientel, die immer noch bereit ist, für gute Produkte Geld auszugeben, und sich das auch leisten kann. Lebensfreude ist etwas, das gerade jetzt gebraucht wird. 

Gibt es Länder, Regionen, Rebsorten, denen Sie in Zukunft vermehrt Aufmerksamkeit widmen wollen?

Für uns ist Amerika nach wie vor ein sehr interessanter Markt, weil die Wirtschaft dort boomt und Wein gerade in den Städten zum Lifestyle gehört. Ansonsten strecken wir unsere Fühler Richtung Asien aus. An den chinesischen Markt glaube ich nicht, da verkaufen wir zwar im Moment ganz gut, aber das kann sich auch ganz schnell ändern.

Wein wird oft als ein besonders »emotionales« Produkt beschrieben. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Gefühle, Stimmungen, Erlebnisse oder Erfahrungen, die Menschen mit gutem Wein verbinden?

Guter Wein wird oft mit gutem Essen kombiniert – idealerweise in netter Gesellschaft. Da werden ganz viele primäre Bedürfnisse angesprochen und befriedigt, das kann Freude pur sein. Als Naturprodukt aus reifen Früchten, die durch natürliche Gärung verwandelt wurden, erzählt Wein eine ganze Geschichte von Land, Wetter und Kultur. Wer die Landschaft vor Augen hat, verknüpft den Genuss mit Bildern und Düften, mit Erinnerung an Entspannung und Begegnung. Das entschleunigt. Ich finde, das gehört zum guten Leben, und ich bin einmal gespannt, ob die aktuelle Selbstoptimierungskultur das irgendwann kapiert.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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