© Wilmars Gaerten

Wilmars Gaerten über Bauernproteste: »Das Ergebnis jahrelanger Fehlpolitik«

Für Maria Giménez ist Landwirtschaft nicht nur Arbeit, sondern täglicher Protest für einen nachhaltigen Wandel. Im Interview spricht sie über ihren Betrieb »Wilmars Gaerten«, die Herausforderungen der Landwirtinnen und Landwirte – und warum Subventionen allein nicht ausreichen.

Falstaff: Frau Giménez, Sie sind Landwirtin aus Brandenburg. Beteiligen Sie sich an den aktuellen Protesten? 

Maria Giménez: Meine ganze Arbeit ist ein einziger Protest. Auch wenn ich mich nicht an den aktuell stattfindenden Straßenblockaden beteilige, bin ich gewissermaßen täglich auf Protest-Tour, spreche mit Kolleginnen und Kollegen über verschiedene Methoden, informiere meine Kundschaft auf dem Markt über die Arbeit von uns Bäuerinnen und Bauern, und arbeite mit Schulen und Kindergärten zusammen. »Wilmars Gaerten« ist nicht nur ein landwirtschaftlicher Betrieb, sondern eine rebellische Bewegung.

Das müssen Sie erklären.

Wir machen uns stark für einen Wandel in der Gesellschaft, in der Agrarpolitik und im Umgang mit der Natur. Ich selbst bin eigentlich Künstlerin, habe aber vor etwa acht Jahren begonnen, eine »Landschaft der Zukunft« zu gestalten, um dort Methoden der regenerativen Nahrungsmittelproduktion zu demonstrieren, die in der herkömmlichen Landwirtschaft nicht üblich sind. Diese Methoden ermöglichen es uns, unsere Zukunft zu sichern, unsere Lebensgrundlagen zu retten und Nahrungsmittel zu produzieren, ohne die Natur dafür auszubeuten. Wir betreiben 40 Kilometer südlich von Berlin auf über 100 Hektar Ackerfläche Agroforstwirtschaft, also ein landwirtschaftliches Produktionssystem, das Elemente des Ackerbaus und der Tierhaltung mit der Forstwirtschaft kombiniert.

Welche Rolle spielen da Subventionen?

 Ich habe in den letzten Tagen oft gehört, dass die Landwirtschaft der Sektor sei, der am meisten mit deutschen Steuergeldern unterstützt wird. Das ist jedoch eine irreführende Aussage. Ja, die Landwirtschaft wird subventioniert, aber nicht, um die echten Kosten und Preise transparent zu machen. Diese Subventionen dienen dazu, das bestehende kapitalistische Modell aufrechtzuerhalten, die Verfügbarkeit von preisgünstigen Lebensmitteln im Supermarkt sicherzustellen und die Ausbeutung unserer Böden fortzuführen – mehr nicht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden getäuscht, wenn sie glauben, dass ein Kilo Möhren für 50 Cent hergestellt werden kann – das entspricht nicht den tatsächlichen Kosten der Landwirtschaft.

Die Subventionen sichern also nicht ihren Betrieb? 

Ohne die Direktvermarktung, die uns ermöglicht, unsere Erzeugnisse direkt auf dem Markt anzubieten, könnte ich den Betrieb nicht aufrechterhalten – da helfen weder Förderungen noch Subventionen. Als Beispiel: Letzte Saison habe so viel Roggen angebaut, dass ich nicht alles direkt vermarkten konnte, sondern auf den Großhandel zurückgreifen musste. Den Verkaufspreis bestimme jedoch nicht ich, sondern der Markt. Ich musste meinen regenerativ angebauten, pestizidfreien Roggen für 180 € pro Tonne verkaufen – ein Preis, der die Qualität und die Arbeit, die hinter den 10.000 Kilo Getreide steckt, bei weitem nicht widerspiegelt. Man muss sich mal vor Augen führen, wie viel Brot man daraus backen kann.

Wie kommen diese niedrigen Preise zustande?

Die Überflutung des Marktes mit importiertem Getreide aus dem Ausland zu niedrigeren Preisen drückt die Preise. Kleine Betriebe können dieser fragwürdigen Preispolitik nicht standhalten. Die Subventionen werden ungleich verteilt: Großbetriebe erhalten viel Geld, während kleine Betriebe untergehen. Es ist absurd, dass große Konzerne, die zur Ausbeutung der Natur beitragen, die gleichen Direktzahlungen erhalten wie ich. Diese fragwürdige Preispolitik führt nicht nur dazu, dass diejenigen, die verantwortungsvoll wirtschaften, benachteiligt werden und letztendlich schließen müssen, sondern auch zur Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen. Es wird kaum thematisiert, dass wir möglicherweise nur noch 20 Jahre fruchtbaren Boden haben, um Nahrungsmittel anzubauen, wenn wir in diesem Tempo weitermachen.

 

Sie sind zu Recht wütend. Die gegenwärtige Situation ist das Ergebnis jahrelanger Fehlpolitik. Viele fühlen sich abgehängt. Wir sind entscheidend für die Grundversorgung unseres Landes.

Die Bauern protestieren also nicht nur wegen der Subventionen?

Nein, und sie sind zu Recht wütend. Die gegenwärtige Situation ist das Ergebnis jahrelanger Fehlpolitik. Viele fühlen sich abgehängt. Der Staat honoriert nicht den Aufwand, den wir betreiben, um unsere Lebensgrundlagen zu sichern, dabei sind wir entscheidend für die Grundversorgung unseres Landes. Für manches Getreide, das zu Dumpingpreisen von Landwirten abgekauft wird, haben diese vielleicht tagelang gezittert, weil Regenfällen oder Trockenperioden die Ernte beeinflusst haben. Es fehlt jegliche Wertschätzung. Schließlich sorgen die Bäuerinnen und Bauern dafür, dass die Regale in den Supermärkten gefüllt sind – und die Verbraucher nicht bei Wind und Wetter morgens um vier auf den Feldern stehen müssen.

Was könnte die Politik Ihrer Meinung nach dagegen tun?

Es mangelt an Unterstützung und staatlichen Förderprogrammen. Es wäre sinnvoll, Landwirtinnen und Landwirte bei der Umstellung auf regenerative Methoden zu unterstützen. Studien zeigen, dass, wenn wir jetzt 40 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen auf solche Methoden umstellen, das 1,5-Grad-Ziel erreichen könnten. Unsere pfluglose Arbeit spart Ressourcen, das Pflanzen von Bäumen speichert Kohlenstoff und wir fördern die Biodiversität. Wir produzieren Nahrungsmittel. Diese Wichtigkeit ist den meisten Menschen nicht bewusst. Wir brauchen ein dezentralisiertes Ernährungssystem. Auf dem Markt sollten lokale Produkte Priorität haben, nicht aus einem nationalistischen Standpunkt heraus, sondern um sicherzustellen, dass die lokalen Bauern ihre Erzeugnisse zuerst verkaufen können, bevor ausländische Produkte gekauft werden, nur, weil sie günstiger sind. Es sollte nicht der globale Weltmarkt sein, der die Preise diktiert. Es sollte generell nicht nur um den Preis gehen.

Wie können Konsumenten die hiesige Landwirtschaft unterstützen und wie kann man verdeutlichen, dass es um die Ernährung eines jeden Einzelnen geht?

 Der Slogan »Support your local farmer« erscheint mir unpassend, es müsste eigentlich »your local farmer supports you«, heißen. Es ist wichtig, unsere Verhaltensmuster zu hinterfragen. Jeder, der es sich zeitlich und finanziell leisten kann, sollte den Kontakt zu landwirtschaftlichen Betrieben in seiner Umgebung suchen. Durch den Besuch von Märkten und aktive Informationsbeschaffung kann man beginnen, sich mit regionaler Ernährung auseinanderzusetzen und so seine lokale Bäuerin oder seinen lokalen Bauern unterstützen.

Wilmars Gaerten arbeitet eng mit Berliner Spitzengastronomen zusammen. Inwiefern hilft Ihnen diese Zusammenarbeit, Bewusstsein für Ihre Arbeit zu schaffen?

Die Zusammenarbeit mit Restaurants wie dem Ora, Ernst, Julius oder Nobelhart & Schmutzig ist für mich eine völlig neue Erfahrung und sehr bereichernd. Diese Partnerschaft ist wertschätzend – die Gastronomen besuchen unsere Farm, wir planen gemeinsam und sie sind zurzeit aktiv in der Auswahl des Saatguts beteiligt. Die Köchinnen und Köche können ihren Gästen dadurch eine ganz neue kulinarische Erfahrung ermöglichen: Wenn eine Karotte direkt aus unserem Gemüsegarten nahe Berlin stammt, schmeckt sie unvergleichlich. Das gibt uns die Möglichkeit, sinnlich zu zeigen, dass wir durch diese Art des Anbaus nichts verlieren, sondern hinzugewinnen – an Lebensqualität und an Genuss.

 


NICHTS MEHR VERPASSEN!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
Mehr zum Thema
Kulinarische Tage
Top 10: Rezepte mit Honig
Zum Tag der Biene am 20. Mai haben wir zehn Inspirationen fürs Kochen, Backen und Mixen mit Honig...
Von Marion Topitschnig, Fee Louise Schwarz, Redaktion
Fleisch
Apfelkoteletts
Diese Schweinekoteletts mit gebratenen Apfelscheiben ist ein typisch fränkisches Gericht, das...
Von Nanette Herz
Garten
Tomatensalat
Am besten schmeckt ein Tomatensalat bekanntlich, wenn die Tomaten sonnengereift und regelrecht...
Von Nanette Herz
Fisch
Mainzander im Salatbett
Wenn Nanette Zander besorgt hatte, tranchierte sie ihn ganz frisch in Filets und briet diese dann...
Von Nanette Herz