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Wo die Reben wachsen: Weinanbau rund um die Metropole New York

Der Staat New York ist heute der viertgrößte Weinproduzent unter den US-Bundesstaaten.

New York war unter den ersten Staaten der USA, die Weinreben kultivierten, gehörte aber gleichzeitig zu jenen Bundesstaaten, in denen sich die kommerzielle Weinwirtschaft erst sehr spät etablierte. Heute ist New York hinter den drei bekannten »Weinstaaten« Kalifornien, Washington und Oregon an der Westküste der Bundesstaat mit der viertgrössten Weinproduktion der Vereinigten Staaten.

New York State kennt heute sieben American Viticultural Areas (AVA) und einige Unterappellationen. Gemeinsam ist all diesen Anbaugebieten das kühle Klima und eine Vielzahl von familiengeführten Weingütern, die ihre Rebberge in unmittelbarer Nähe von stehenden oder fliessenden Gewässern pflegen. Im Osten von New York City ist die Long Island AVA, The Hamptons Long Island AVA sowie North Fork of Long Island AVA, allesamt vom Atlantik umgeben. Westlich der Metropole liegen die Hudson River Region AVA, Upper Hudson AVA und an der nördlichen Staatsgrenze die Champlain Valley of New York AVA am Lake Champlain. Zwischen dem Lake Ontario im Norden und Pennsylvania im Süden liegt noch das Weinbaugebiet Finger Lakes AVA mit den Unter-AVAs Cayuga Lake und Seneca Lake. Im Nordwesten liegt die Niagara Escarpment AVA und an der Westgrenze schliesslich das Anbaugebiet von Lake Erie – diese AVA greift auch nach Ohio und Pennsylvania über – mit dem historischen Weinbaugebiet von Chautauqua County.

Long Island

Bleiben wir zunächst im direkten Umland der Metropole New York City. Bereits um 1650 wurden unter dem legendären Gouverneur von «Nieuw Nederland», Peter Stuyvesant, auf der Halbinsel Manhattan Reben zur Weinerzeugung ausgepflanzt. Sein englischer Nachfolger Richard Nicolls verlieh ein erstes Monopol für die Errichtung eines Weingartens auf Long Island. Dabei versuchten sich französische Kolonisten im Ulster County am Hudson erfolglos mit europäischen Reben. Sie konnten ihren Eigenbedarf aber zumindest aus einheimischen Sorten decken. Schritt für Schritt begann sich der Weinbau auszubreiten. Die Halbinsel Long Island mit ihrem maritimen Klima und ihren sandigen Böden stellte sich im Laufe der Zeit als idealer Anbauort für stoffige Rotweine heraus. Cuvées aus Cabernet Sauvignon und Merlot erinnern bis heute an Vorbilder aus Bordeaux. 

Am Ostende der langgestreckten Halb­insel mündet die Great Peconic Bay in eine nördliche Spitze, The North Fork AVA, wo der Grossteil der rund 80 Weingüter beheimatet ist, die sich die rund 800 Hektar auf Long Island teilen. Die südliche Spitze wird von The Hamptons, Long Island AVA, eingenommen. Auch hier ist der lokale Tourismus der Hauptmotor der Industrie. Nur ein recht kleiner Anteil der hier erzeugten Weine verlässt die Region.

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Den Hudson aufwärts

Die Region Hudson River Region AVA ist in gut zwei Stunden Autofahrt von New York aus erreichbar. Die winzige Appellation geht auf protestantische Siedler des 17. Jahrhunderts zurück. Hier in Washingtonville liegt mit der 1839 gegründeten Brotherhood Winery das älteste durchgehend betriebene Weingut der USA. Heute dominieren französische Hybridsorten und einige europäische Sorten aus kühleren Regionen, 60 Winzer bewirtschaften rund 100 Hektar. 2019 wurde mit der Upper Hudson AVA eine noch kleinere Herkunft im Westen und Norden der Bundesstaatshauptstadt Albany definiert. Rund 20 Weingärten liegen hier am Hudson und Mohawk River auf 32 Hektar. Am Westufer des Lake Champlain, der den Hudson speist, bildet ein rund 80 Meilen langes, schmales Band den Ursprung der Champlain Valley of New York AVA, die 2016 ins Leben gerufen wurde. Es handelt sich dabei um das nördlichste Anbaugebiet von New York State, mit sieben Weingütern auf etwa 40 Hektar eine Kuriosität, die vor allem von Hobbywinzern belebt wird. 

Im Nordwesten liegen die Anbaugebiete in unmittelbarer Nähe der Great Lakes, wo im Zusammenspiel mit Steilhängen die warmen Luftströme des Lake Ontario aufgefangen werden und so der Region zum wärmsten Klima des Bundesstaates New York verhelfen. Seit 2005 ist Niagara Escarpment als AVA anerkannt. Auf kalkreichen Dolomit-Böden und Schotterkonglomerat (Letzteres beim Lake Ontario) wachsen hier auf rund 350 Hektar die Reben in einem sehr moderaten Klima. Gut ein Dutzend Weingüter kultivieren hier europäische Sorten wie Sauvignon Blanc, Riesling, Chardonnay oder Pinot Gris für Weissweine, die an trockene Elsässer erinnern. Es gibt feine Rotweine aus Pinot Noir, Syrah und Cabernet Franc, dazu hat Eiswein aus Vidal hier Tradition. Weiter nördlich liegt am Südufer Lake Erie AVA, eine der grössten Traubenproduktionsstätten ausserhalb Kaliforniens. Auf 7500 Hektar werden hier 95 Prozent des Ertrags der Anbaufläche zur Traubensaftherstellung statt für die Weinproduktion verwendet. 

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Weinregion Finger Lakes

Das wirkliche Weingeschehen in New York State konzentriert sich aber auf zwei Regionen: auf das bereits angesprochene Anbaugebiet von Long Island, jener lang gestreckten Halbinsel, die von New York City ostwärts in den Atlantik ragt, und auf die Finger Lakes im Landesinneren, südlich des Lake Ontario. Die Finger-Lakes-Region ist heute in erster Linie für Riesling bekannt, denn das Klima hier ist eher kühl und sehr kontinental. Der Weinbau um die tiefen Gletscherseen, lang, dünn und fast parallel, eben wie Finger, wird erst durch deren klimaausgleichende Wirkung ermöglicht. Die drei grössten Seen sind, von West nach Ost, Keuka Lake, Seneca Lake und Cayuga Lake – alle Namen sind irokesischen Ursprungs. Die Winter sind hier so kalt, dass die Reben teilweise eingegraben werden, um sie vor Frost zu schützen. Riesling mit seinem harten Holz hat hier einen Vorteil. In manchen Ecken gedeiht sogar Cabernet Franc. Die Weine sind daher stark von «Cool Climate»-­Gegebenheiten geprägt. Sie sind frisch und haben einen leichten Körper, dennoch fehlt es ihnen keinesfalls an Tiefe.

Die unglaublich schöne Natur der Wald- und Seenlandschaft macht die Gegend zur viel besuchten Ferienregion. Die meisten Weine, die hier auf insgesamt 3801 Hektar wachsen, werden daher lokal verkauft und getrunken. In einigen Fällen verweisen die Namen der Weingüter auf die Herkunft ihrer Gründer. Nicht wenige davon haben deutsche Wurzeln. Legendär ist etwa Dr. Konstantin Frank, Spross einer deutschen Familie aus Odessa am Schwarzen Meer, der den Beweis erbrachte, dass man an den Finger Lakes auch europäische Edelsorten, allen voran eben den Riesling, erfolgreich kultivieren kann. Hermann J. Wiemer oder Weis Winery lassen ebenfalls ihre deutschen Wurzeln anklingen. Im Laufe der Zeit hat sich ein buntes Winzervölkchen rund um die malerischen Seen niedergelassen; man trifft auf Dänen wie Morton Hallgreen, der einst in Montpellier studierte, bei Cos d’Estournel arbeitete und heute das tolle Weingut Ravines an den Finger Lakes besitzt. Freunde des südfranzösischen Rotweines kennen Louis Barruol als Besitzer von Château de Saint-Cosme in Gigondas. An den Finger Lakes hat er sich gemeinsam mit seinem im Florida geborenen Partner Rick Rainey einen Traum erfüllt. Am Seneca Lake entstehen unter dem Label Forge Cellars feine Rieslinge und Pinot Noir. Einen Besuch ist auch die Fox Run Winery wert. Im Jahr 1990 erwarben Larry und Adele Wildrick das Anwesen und eröffneten in einem alten Schuppen ein Weingut. Es war bekannt für seine Gastfreundlichkeit und Vielfalt, wurde jedoch nach einiger Zeit weiterverkauft. Heute hat der Winzer Craig Hosbach die Verantwortung im Keller – und eine seiner Spezialitäten ist die rote Sorte Lemberger, die in Österreich als Blaufränkisch bekannt ist. So klein ist die Weinwelt.

© Dr. Konstantin Frank Winery

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2023

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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