Die 1877 erbaute Galleria Vittorio Emanuele II. mit ihren Luxusgeschäften, Restaurants, dem opulenten Kuppeldach aus Glas und den beeindruckenden Fußbodenmosaiken wird auch als »Salon der Mailänder« bezeichnet.

Die 1877 erbaute Galleria Vittorio Emanuele II. mit ihren Luxusgeschäften, Restaurants, dem opulenten Kuppeldach aus Glas und  den beeindruckenden Fußbodenmosaiken wird auch als »Salon der Mailänder« bezeichnet.
© Georgios Tsichlis / Shutterstock

Verkannte Schönheit: Mailand und die Lombardei

Italiens Wirtschaftszentrum galt lange als grau, langweilig und irgendwie unitalienisch – besonders unter Landsleuten. Umso beachtlicher ist, wie es sich neu erfunden hat.

Der überdurchschnittliche Fleiß der Mailänder, ist man in Italien überzeugt, habe einen traurigen Grund: Ihre Heimat böte den Mailändern nichts, das sie zum Müßiggang verleite. Kein Meer, keinen See, keinen Fluss, keine Berge, nicht einmal einen Hügel. Nur ein schlechtes Klima. Ihre Essgewohnheiten seien so stark von ihrem hektischen Leben geprägt, verhöhnte der in Mailand geborene Kabarettist Enrico Bertolino einmal das Gebaren seiner Mitbürger. »Stets in Eile und im Bedürfnis, effizient zu erscheinen, begnügen sie sich einer einfachen Ladung nahrhafter Substanzen als Mahlzeit, um Energie zu tanken und frisch und munter weiter produzieren und arbeiten zu können.« Manche essen nur, weil man Anti­stress-Medikamente nur mit vollem Magen einnehmen soll, so Bertolinos abschließendes Urteil, das in seiner Abfälligkeit, wenn überhaupt, nur einem Mailänder selbst gestattet ist. Schließlich ist die nach Einwohnern zweitgrößte Stadt Italiens alles andere als arm an Attraktionen.

Da ist etwa der Salone del Mobile mit der zeitgleich stattfindenden Design Week, die jährlich Einrichtungsinteressierte aus aller Welt anziehen. Der Dom zählt dazu, das Opernhaus Scala und die Kirche Santa Maria delle Grazie mit da Vincis berühmtem Abendmahl-Gemälde. Vom gastronomischen Angebot ganz zu schweigen.

Triumph der Mailänder

Ein regelrechter kulinarischer Höhenflug setzte ein, als Mailand den Zuschlag für die Expo 2015 bekam. Seither ist in der lombardischen Hauptstadt eine völlig neue Restaurantszene entstanden, die zu den besten Italiens zählt. Ein besonderes Glanzstück ist das »MUDEC by Enrico Bartolini« im dritten Stock des von Stararchitekt David Chipperfield entworfenen Museums der Kulturen. Mit insgesamt neun Michelin-Sternen in sechs Lokalen ist der 1979 geborene Bartolini der am höchsten dekorierte Koch Italiens.

Doch auch die volkstümliche Küche Mailands und der Lombardei ist nicht zu vernachlässigen, gilt sie doch als so vielfältig wie keine andere. Was wenig verwundert, bedenkt man unter welch großem Einfluss aus den Nachbarstaaten die Region im Laufe der Geschichte stand: aus der Schweiz im Norden, insbesondere des Kantons Tessin, dem Piemont im Westen, der Emilia im Süden, dem Veneto und Trentino-Südtirols im Osten – ganz zu schweigen von den Spuren, die fremde Eroberer hinterlassen haben. Die Österreicher etwa, die dort im 18. und 19. Jahrhundert an der Macht waren, brachten ihr Wiener Schnitzel mit, das ins Cotoletta alla Milanese umgewandelt wurde, heute ein berühmtes Regionalgericht. 

Die Mailänder sind stolz auf ihre Osterie, ihre Wirtshäuser, in denen ihre typisch herzhaften Spezialitäten serviert werden. Eine davon ist die »Osteria del Binari«, etwas abseits der üblichen Touristenströme an der Stazione Porta Genova im ehemaligen Arbeiter- und heute angesagten Designerviertel Tortona. Das Lokal erstreckt sich über zwei Säle mit Dekorationen aus dem Fin de Siècle. Mächtige offene Kamine verbreiten in der kalten Jahreszeit behagliche Wärme. Im Sommer lockt ein großer Gastgarten ins Freie. Auf der Karte steht viel Traditionelles wie Safranrisotto und Ossobuco.

Emblem für Leichtigkeit

Dazu kommt, dass es in der Mailänder Innenstadt die schönsten Bars von ganz Italien gibt. Etwas die »Bar Basso«, wo in den 1970ern der berühmte »Negroni Sbagliato« erfunden wurde, eine leichtere Variante des Negroni, weil ein Bartender beim Mixen des Cocktails versehentlich zu Prosecco anstatt zur Ginflasche griff. Nicht zu vergessen auch das »Caffè Zucca« unweit des Mailänder Doms, wo der erste Campari ausgeschenkt wurde. 


So trinkt man Lebensfreude

Der erste Schluck des Abends ist der stilvollste. Man trifft sich zum geselligen »Apéro«.

Ein Mailänder Ritual

Aperitivo ist die Zeit von Arbeitsschluss bis zum Abendessen und kann auch schon mal mehrere Stunden dauern. Den Aperitivo nimmt man nie alleine, sondern stets in Gesellschaft. Ein Drink dazu ist obligatorisch. Das können Cocktails, aber auch ein Champagner oder Spumante sein, in Italien lässig als »Bollicine« bezeichnet. Zum Drink wird immer auch etwas zum Knabbern serviert. Das fängt bei Salzgebäck und Oliven an und hört bei Schinken, Tramezzini und Brötchen noch lange nicht auf. Aber aufgepasst: Zu viel sollte man nicht davon naschen, denn es wartet ja noch das Abendessen!


Restaurants

MUDEC by Enrico Bartolini
Mit neun Michelin-Sternen in sechs Lokalen ist der Toskaner Enrico Bartolini der höchst-dekorierte Koch Italiens. Hauptquartier ist sein Restaurant im dritten Stock des Museums der Kulturen. Reichhaltiger Weinkeller mit über 7.000 Positionen. 

Via Tortona 56, 20144 Mailand
T: +39 02 84293701, enricobartolini.net

Seta
Geleitet von Antonio Guida ist das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete »Seta« eines der angesagtesten Restaurants in Mailand. Das gastronomische Angebot verbindet traditionelle Techniken mit einem innovativen Konzept. Über eine einsehbare Küche lässt sich das kulinarische Schauspiel mitverfolgen.

Via Andegari 9, 20121 Mailand
T: +39 02 87318888, mandarinoriental.com

Das im Innenhof des Hotels »Mandarin Oriental« befindliche »Seta« liefert mit seinem zeitlosen Design die perfekte Kulisse für die Speisen von Chefkoch Antonio Guida.
© George Apostolidis
Das im Innenhof des Hotels »Mandarin Oriental« befindliche »Seta« liefert mit seinem zeitlosen Design die perfekte Kulisse für die Speisen von Chefkoch Antonio Guida.

Sadler
Der Mailänder Spitzenkoch Claudio Sadler wurde als Verantwortlicher für den Kulinarik-Bereich des neueröffneten Luxushotels »Casa Baglioni« engagiert. Er verlegte dafür sein traditionsreiches, mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetes Lokal in der Via Ascanio Sforza ins Hotel, wo es über einen separaten Eingang verfügt.

Via dei Giardini 21, 20121 Mailand
T: +39 02 3055561, baglionihotels.com

Trattoria Mirta 
Urige Trattoria mit zeitloser Einrichtung: einfache Holztische und -stühle, that’s it! Die Küche ist klar und schnörkellos. Viele Klassiker der Mailänder Küche, aber auch aus ganz Italien, mit Bedacht auf Slow-Food-Produkte. 

Piazza S. Materno, 12, 20131 Mailand
T: +39 338 6251114, trattoriamirta.it

Trattoria Masuelli San Marco 
Historisches Wirtshaus, in dem sich traditionelle Gerichte Mailands gekonnt mit einem Hauch Piemont verbinden. Max Masuelli führt das Haus in dritter Generation. Hier muss man einmal gewesen sein!

Viale Umbria, 80, 20135 Mailand
T: +39 02 55184138, maseullitrattoria.com


Bars

Bar Basso 
Szene-Treff für Kreative, nicht nur während der Möbelmesse. Hier entstand einst der Negroni Sbagliato. Heute umfasst die Karte über 500 Drinks. Als Besucher hat man hier nur die Qual der Wahl; den Rest erledigt der eloquente Barmann.

Via Plinio 39, 20020 Mailand
T: +39 02 29400580, barbasso.com 

Camparino
Aperitivo ist ein italienischer, insbesondere Mailänder Ritus, Campari ist daraus nicht wegzudenken. Die edel-nostalgische Campari-Bar in den noblen Galerien am Domplatz sind gewissermaßen das Allerheiligste der Aperitivo-Kultur. 

Piazza del Duomo, 21, 20121 Mailand
T: +39 02 86464435, camparino.com

The Botanical Club
Die Bar betreibt eine eigene kleine Destillerie, in der hauseigener Gin gebrannt wird. Daneben gibt es selbstverständlich noch viele andere Cocktails und feine Häppchen. Zwei Standorte: Via Tortona 33 und Via Pastrengo 11. 

Via Tortona 33, 20144 Mailand
T: +39 02 4232890, botanicalclub.com 


Hotels

Das im Stadtzentrum gelegene »Senato« wartet mit 43 Zimmern auf, einer Dachterrasse sowie Innengarten.
Foto beigestellt
Das im Stadtzentrum gelegene »Senato« wartet mit 43 Zimmern auf, einer Dachterrasse sowie Innengarten.

Casa Baglioni 
Mitten im Künstlerviertel Brera hat das zur Luxusgruppe Baglioni Hotels & Resorts gehörende Boutique-Hotel erst zu Jahresbeginn eröffnet. Stilistisch hat man sich an den späteren 1960ern orientiert und besonders Wert auf die damalige Kunst- und Designwelt gelegt. Klare Linien und Formen sind ausschlaggebend für die besondere Atmosphäre im Hotel, geschaffen von den italienischen Architekten Spagnulo & Partners.

Via dei Giardini 21, 20121 Mailand
T: +39 02 3055561, baglionihotels.com

Bulgari Hotel  
Eines der raffiniertesten und exklusivsten Hotels in Mailand, ein Boutique-Hotel in der Nähe der wichtigsten Einkaufsstraße, der Via Montenapoleone. Die komfortablen Zimmer bieten einen Blick auf den zauberhaften Garten. Weitläufige Bar.

Via Privata Fratelli Gabba 7B, 20121 Mailand
T: +39 02 8058051, bulgarihotel.com

Senato
Geschmackvoll eingerichtetes Boutique-Hotel in einem Gebäude aus den frühen 1900ern. Brera-Viertel, Via della Spiga und Via Montenapoleone sind 5 Gehminuten entfernt.

Via Senato 22, 20121 Mailand
T: +39 02 781236, senatohotelmilano.it 

Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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