Gerhard J. Lobner © Weingut Mayer am Pfarrplatz/Martin Steiger

Gerhard J. Lobner probiert den alkoholfreien Gemischten Satz.

© Weingut Mayer am Pfarrplatz/Martin Steiger

Gerhard J. Lobner: »Man schmeckt deutlich, dass es kein Traubensaft ist«

Der Winzer verrät im PROFI-Interview die Geheimnisse hinter dem neuen alkoholfreien Wein von »Mayer am Pfarrplatz«, was er von »KI-Sommeliers« hält, wie die Traktoren der Zukunft aussehen, vor welchen Herausforderungen der Wiener Weinbau steht und ob er vom Wein manchmal die Nase voll hat.

von Alexander Schöpf
18. Oktober 2023

PROFI: Sie bieten seit kurzem erstmals einen alkoholfreien gemischten Satz an. Wie ist es dazu gekommen und wie sind die ersten Reaktionen der Kunden und der Wein-Szene darauf?

Gerhard J. Lobner: Die grundsätzliche Idee dahinter ist, jenen Personen, die keinen Alkohol trinken können oder wollen, die Möglichkeit zu geben, nicht auf Weingenuss verzichten zu müssen. Es ist oft keine Frage von »entweder oder«, sondern vielmehr von „»sowohl als auch« – so gönnt man sich zum Businesslunch ein Glas Entalkoholisierten und am Abend dann einen herkömmlichen Wein. Bislang ist die Resonanz von sämtlichen Seiten sehr gut darauf, wahrscheinlich liegt das genauso daran, dass wir als erstes Premium-Weingut einen Weißen in diesem Bereich anbieten.

Wie nahe kommt die alkoholfreie Variante geschmacklich an einen »normalen« Wein heran?

Natürlich ist es unrealistisch, hier 1:1 das gleiche Bukett wie bei einem herkömmlichen Wein vorauszusetzen, denn Alkohol ist ja ein Geschmacksträger. Dennoch hat unser Neuzugang ein klares Profil, das an einen herkömmlichen Wein nahekommt – fruchtig mit Würze, trocken, nicht allzu süß. Gerade im Abgang schmeckt man deutlich, dass es sich um einen entalkoholisierten Wein und nicht um einen klassischen Traubensaft handelt.

Werden Sie auch weitere Sorten in Zukunft in einer alkoholfreien Variante anbieten?

Ja, das werden wir!

Klassische alkoholische Getränke wie Wein oder Gin auch in einer alkoholfreien Variante anzubieten, hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Welches Marktpotential sehen Sie in diesem Segment – gerade im Hinblick auf Wein?

Ich denke, dass die Menschen vor allem bewusster abwägen, wann sie Alkohol trinken und wann nicht – deshalb gehe ich davon aus, dass dieses Segment weiterwachsen wird. Das heißt nicht, dass jemand völlig auf das Glas Wein verzichtet, aber vielleicht beim Anstoßen im Büro dann doch lieber auf die entalkoholisierte Alternative zurückgreifen will. Und wenn wir beispielsweise nach Deutschland blicken, sehen wir, dass Wein, dem der Alkohol entzogen wurde, dort schon viel verbreiteter ist – das wird sicherlich auch noch hierzulande in den kommenden Jahren der Fall sein.

Ist alkoholfreier Wein auch eine Möglichkeit, um jüngere Generationen an den Weingenuss heranzuführen?

Man könnte es sicherlich so sehen, dass man einer jüngeren Zielgruppe damit den Anstoß gibt, in die Weinwelt reinzuschnuppern. In den meisten Fällen wird es vermutlich genau umgekehrt sein: Nämlich, dass ein Weintrinker dann eben genauso das Pendant fast ohne Alkohol ausprobiert, eben zu unterschiedlichen Anlässen oder Situationen – insofern sind es zwei Varianten, die sich gut ergänzen.

Sie kennen die Weinwelt praktisch von Kindesbeinen an: In den vergangenen 20 Jahren hat es massive Veränderungen gegeben. Die Anzahl der anbauenden Betriebe hat sich beispielsweise signifikant verringert, während die Messlatte, was die Qualität betrifft, deutlich erhöht wurde. Welche Entwicklungen nehmen Sie aktuell wahr, die mittel- und langfristig die heimische Weinwirtschaft prägen werden und wo sehen Sie die größten ungenützten Potentiale?

Die Herkunft spielt eine immer größere Rolle, Qualität wird noch viel stärker über sie definiert. Die Herkunftspyramide, die wir bei uns am Betrieb schon sehr lange leben, findet auch in immer mehr Weinbaugebieten legistisch Einzug. Diese klare Gliederung in Gebiets-, Ort- und Riedenwein macht es uns auch auf den wachsenden Exportmärkten leichter. Dieses System ist international etabliert und wird verstanden.

Eines der geflügelten Worte der vergangenen Jahre – vor allem seit der Corona-Pandemie – ist die Digitalisierung. Diese hat natürlich auch im Weinbau schon längst Einzug gehalten. Wie hat die Digitalisierung den Weinbau verändert?

Digitalisierung hat all unsere Lebensbereiche stark beeinflusst. Die Entwicklung geht auch im landwirtschaftlichen Bereich rasant voran. In einigen Jahren werden autonome Traktoren, die mit der heutigen Optik eines klassischen Traktors nicht viel gemein haben, unsere Weingärten bearbeiten. Es können Steuerungen via Handy bedient werden und viele Kontrollfunktionen damit vereinfacht wahrgenommen werden. Auch bieten sich im Vertrieb zusätzlich ganz neue Möglichkeiten. Aber der handwerkliche und zwischenmenschliche Aspekt wird dennoch nicht so schnell verloren gehen.

Im Moment ist das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde. Es ist bereits von »digitalen Nasen« und »KI-Sommeliers« die Rede und die französische Kellerei Aubert & Mathieu hat mit Hilfe von ChatGPT einen Wein kreiert. Macht Ihnen diese Entwicklung Angst?

Es ist schon beeindruckend, wozu Technologie inzwischen in der Lage ist, wäre jedoch Wein ausschließlich über Zahlen und Fakten fassbar, bräuchten wir heute schon keine Verkostungen mehr, sondern müssten einfach nur die Analysewerte heranziehen. Das Wein viel mehr als das ist, darauf brauche ich hier nicht näher einzugehen.

Wien ist die einzige europäische Hauptstadt mit einer nennenswerten Weinproduktion. Angesichts des stetigen Wachstums der Stadt: Wird es in Zukunft überhaupt noch ausreichend Platz für den Weinbau geben?

Wien ist sogar die einzige Hauptstadt der Welt, die ein eigenes Weinbaugebiet innerhalb der Stadtgrenzen besitzt. Diese Einzigartigkeit ist nicht nur für Weinliebhaber und Winzern bedeutsam, sondern auch der Stadtregierung sehr bewusst. Mit der Gruppe »WienWein« ist es uns gelungen, dass die Stadt ein Gesetz verabschiedete, welches nicht nur einen umfassenden Schutz der Weingärten bietet, sondern auch die Verpflichtung auferlegt, dass überall, wo in Wien Weingärten stehen, nach etwaigen Rodungen wiederbepflanzt werden muss. Auch das ist meines Wissens einzigartig in der Welt. Grundstücksspekulanten haben am Wiener Nussberg deshalb schon vor langem das Weite gesucht.

Welchen Stellenwert hat der Wiener Wein in der österreichischen Weinszene und wie wird er im Ausland wahrgenommen?

Wien ist mit seiner Anbaufläche sehr begrenzt. Die gesamte Produktion könnte locker in Wien allein getrunken werden. Dennoch sind wir zum Glück eine Handvoll Wiener Winzer, die über entsprechende Größe verfügen, um nicht nur Wiener Wein flächendeckend in Österreich vermarkten zu können, sondern auch im Export recht erfolgreich auftreten zu können. Die Markenstärke Wiens in Kombination mit dem Wiener Weinbau ist ein Türöffner auf vielen internationalen Märkten.

Fachmann am Werk: Gerhard J. Lobner © Weingut Mayer am Pfarrplatz/Martin Steiger
Fachmann am Werk: Gerhard J. Lobner © Weingut Mayer am Pfarrplatz/Martin Steiger

Der Weinanbau in Wien hat eine lange Tradition: Was muss die Wiener Weinwirtschaft tun, um in Zukunft relevant zu bleiben?

Der Wiener Weinbau steht vor vielen Herausforderungen. Ich habe schon erwähnt, dass die Wiener Weingärten einen ganz besonderen Schutz unterliegen, bei den Betrieben bzw. Betriebsstätten sieht das schon ganz anders aus. Diese liegen meist in sehr exklusiven Wohngegenden. Hier ist so mancher Betriebsführer bzw. manche Winzerfamilie ständigen Verlockungen aus der Immobilienbranche ausgesetzt. Um diesen Verlockungen besser widerstehen zu können, ist es entscheidend, den Wiener Wein noch stärker und klarer zu positionieren, um auch in Zukunft ökonomisch starke Betriebe erhalten zu können. Mit dem Wiener Gemischten Satz DAC ist es den Wiener Winzern gelungen, nicht nur eine schon fast ausgestorbene Anbaumethodik – welche übrigens im Zuge des Klimawandels noch viel stärkere Bedeutung gewinnen wird – zu retten, sondern dem Wiener Wein damit ein klares Profil zu geben. Nun ist es jedoch an der Zeit, das Wien-DAC behutsam zu öffnen. Gerade was die zukünftige Herkunftsbezeichnung von Riedenweinen betrifft, können wir in Wien nicht einfach bei Riesling auf Lagenwein verzichten.

Auf den – noch brachliegenden –großen Themenkomplex Weintourismus in einer Kulturmetropole und die vielfältigen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, kann ich hier aus Zeitgründen gar nicht eingehen. Wien und der Wiener Weinbau bieten viele Chancen – man muss sie nur ergreifen.

Sie haben 2007 bei Mayer am Pfarrplatz angeheuert und seit 2009 leiten Sie die Geschäfte. 2015 haben sie dann auch noch den elterlichen Beitrieb, das Weingut Gerhard J. Lobner, übernommen. Gibt es Tage, wo Sie vom Wein die Schnauze voll haben, oder ist die Leidenschaft zu groß, als dass es solche Momente überhaupt gibt?

Der Weinbau begleitet mich mein ganzes Leben, ebenso wie die Faszination und Freude daran. Natürlich gibt es Momente, wo man vor schwierigen Situationen steht, und dann auch weitreichende Entscheidungen treffen muss. Was ich über die Jahre nicht gelernt habe, sind Freiräume zu schaffen, in denen ich abschalten kann. Daran arbeite ich noch.

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