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Bier: Grenzenlos gehopft

Wo Bier sogar aus einem Brunnen fließt, sprudeln die Ideen der Kreativbrauer. Karnische Kleinbrauereien geben nicht nur im hopfenreichen Slowenien ein »Craft«-iges Lebenszeichen.

Die Brau-Spezialität schlechthin zwischen Karawanken und Dolomiten war jahrhundertelang das Steinbier: Heiße Fels-stücke ließen dabei den Malzzucker karamellisieren. Traditionsbewusstsein prägt Kärnten bis heute, immerhin steht hier mit Hirter (1270 gegründet) in Micheldorf eine der ältesten Brauereien Österreichs. Mit dem unpasteurisierten »Morchl« pflegt der Familienbetrieb dieses Erbe, mit dem fassgelagerten »Beerique« in der Großflasche überraschte man die Craft-Beer-Fans. Diese werden mittlerweile in Radenthein bei Uli Bachers »Shilling« ebenso fündig wie in Kötschach-Mauthen bei »Loncium«, das die Brauer Klaus Feistritzer und Alois Planner sogar um ein Bierhotel erweitert haben. Selbst Hopfen wird – etwa von Josef Habich vom Wimitzbräu in Mittelkärnten – wieder kultiviert.

Mut zur Kreativität

Mit Schleppe in Klagenfurt, wo seit 1607 gebraut wird, verfügen auch die Vereinigten Kärntner Brauereien (»Villacher Bier«) über eine bundesweit aktive Spezialitäten-Brauerei. Ihre nummerierten Kreativbiere erweitern die Villacher Vielfalt um internationale Bier-Spezialitäten – vom Pale Ale (die mit 96 Falstaff-Punkten ausgezeichnete »No. 1«) bis zum Porter (»No. 5«). Apropos inter­national: Kärntens 17 Brauereien haben einen großen Anteil daran, dass Italien wieder der größte Exportmarkt für heimisches Bier wurde. Zumal mit der Fein Brewery in Faak am See und der Arnoldsteiner Prewstone die Kärntner Brau-Welt un­mittelbar an der Grenze anfängt.

Italiens »Craftiger« Durst

Der italienische Bierdurst allerdings wächst ständig, und das entgegen dem Trend. Mit 31,8 Litern pro Kopf nähert sich die Höchstmarke des Vorjahres allmählich sogar dem Weinkonsum. Incredibile? Keineswegs, denn ein Auslöser des Booms war das Braurecht, das ab 2010 allen Getreidebauern zugestanden wurde. Carlo Antonio Venier etwa begann damals am Familienhof in Lestizza bei Udine Bier mit dem Anspruch »da campo a bocale« (vom Feld ins Glas) zu brauen. Mittlerweile stammt auch der Hopfen aus seiner eigenen Ernte. Folgt man der Genussroute der Region, der Strada del vino e dei sapori del Friuli Venezia Giulia, landet man bei Giulio Cristancig in Corno di Rosazzo. Mitten im Weingebiet schenkt er seine vier »Campestre«-Biere im Sommer auch am Freiluftstand aus – ein erfrischender Stopp am Weg zum Meer!
Auf die Hafenstadt Triest und ihren berühmten Bewohner James Joyce spielt das Weißbier »Joyce« an, das in Forni di Sopra entsteht. Auch die Brauerei »Foglie D’Erba« ist Mitglied der Genussroute Strada del vino e dei sapori, die weiter zu Antica Contea führt. Die Brauer Andrea Marchi und Costantino Tosoratti pflegen neben britischen Stilen (in London beschlossen sie schließlich, Gorizias erste Brauerei zu eröffnen) die »tradizione Mitteleuropea«. Mit einem Pilsener und dem hellen Lager namens »Görzer« schließen sie an die Bierstile aus der versunkenen K.-u.-k.-Monarchie an.

Hopfen-Macht Slowenien

Zehn Kilometer »gegenüber«, im slowenischen Nova Gorica, steht Andrej Sluga an den 16 Zapfhähnen von Reservoir Dogs. Was als Hobby eines Arztes und eines Mittelschullehrers begann, stellt heute eine der bekanntesten Kreativ-Brauereien des Landes dar. Doch die Dogs sind beileibe nicht die Einzigen. Slowenien, mit 1600 Hektar Anbaufläche der fünftgrößte Hopfenlieferant weltweit, startete eine rasante Aufholjagd in Sachen Bier. Der fast monopolisierte Markt – Platzhirsch »Laško« und die Nummer 2 »Union« gehören zur Heineken-Gruppe – hat eine Explosion der Brauereien von 13 auf mittlerweile 57 erlebt. Dabei ist einer noch gar nicht mitgerechnet: Vasja Golar, dessen »Bevog«-Bierdosen Kultstatus genießen, braut jenseits der Grenze im österreichischen Bad Radkersburg. Bunte Dosen sind auch das Markenzeichen von Lobik in Maribor. Die Standard-Abfüllungen – etwa das nach Mango schmeckende »Fruitpocalypse now!« – kann man kaum übersehen. Raritäten wie das Heidelbeer-Sauerbier bieten die Stadtbrauer in ihrem stylishen »TapRoom« am Drau-Ufer an.
Anita Lozar und Matej Pelicon wiederum haben sich im Vipava-Tal Bieren verschrieben, »die wir selbst gerne trinken«. Vor allem das unfiltrierte Dark Ale »Black Aurora« ihrer Pelicon-Brauerei in Ajdovščina räumt dabei Preise ab. Eine Auszeichnung ganz anderer Art hat man dem Brauen in Žalec gewidmet. Hier steht der erste Bier-Springbrunnen Europas! In der Hopfen-Metropole fließen seither permanent sechs Sorten zu Ehren des »grünen Goldes« (slow. zeleno zlato), das die Alpe-Adria-Region im Genuss vereint.


Erschienen in
Falstaff Spezial Alpe Adria 2019

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Roland Graf
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