Den Elementen auf der Spur: Der Geschmacksmagier Eneko Atxa erlangte in nur sieben Jahren drei Michelin-Sterne.

Den Elementen auf der Spur: Der Geschmacksmagier Eneko Atxa erlangte in nur sieben Jahren drei Michelin-Sterne.
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Avantgarde der Kulinarik: Einblicke in das nachhaltigste Restaurant der Welt

Sein Drei-Sterne-Tempel »Azurmendi« im spanischen Teil des Baskenlandes gilt als nachhaltigstes Restaurant der Welt. Hier vereint Eneko Atxa soziales Handeln, Umweltengagement und höchste Kulinarik auf eine Weise, die ihm den Ruf eines grünen Superstars einbrachte.

Wer Eneko Atxa nicht kennt, würde angesichts seines Auftretens nie auf die Idee kommen, dass der Mann einer der meistgefeierten Köche Spaniens ist. Regelrecht ans Herz gerührt wirkt er, wenn er das Lob seiner Gäste mit einer tiefen Verbeugung und gefalteten Händen quittiert – ganz so, als empfinde er die Anerkennung seines Gegenübers als größte Auszeichnung, die ihm je zuteilwurde. Dabei mangelt es dem 46-Jährigen nun wirklich nicht an Preisen: Seit 2012 trägt sein Restaurant »Azurmendi« drei Sterne, gleich zweimal wurde es zum nachhaltigsten auf der »World’s 50 Best Restaurants«-Liste gewählt. Und auch alle anderen Restaurantführer waren mit Trophäen nicht knausrig. Wobei es fast schon einer Wettbewerbsverzerrung gleicht, das »Azurmendi« als bloßes Speiselokal einzustufen – kulinarische Denkfabrik wäre viel zutreffender.

Völlig neue Maßstäbe

»In der Gastronomie zerbrechen wir uns den Kopf darüber, welche die perfekten Zutaten für ein Gericht sind. Aber wir sorgen uns viel zu wenig um den Planeten, dem wir all diese Schätze verdanken«, erklärt Atxa im Gespräch. Gerade seine Zunft, findet er, trage doch der Umwelt gegenüber eine besonders große Schutzpflicht.

Wir müssen realisieren, dass unsere wichtigste Inspirationsquelle, die Natur, zu kollabieren droht. Und wenn wir nichts ändern, ist es zu spät.

Mit dieser Überzeugung verbindet der Spitzenkoch Gourmandise und Ökologie auf eine Weise, die ihresgleichen sucht. Sein Nachhaltigkeitsstreben zeigt sich in vermeintlich kleinen Beiträgen wie der Organisation eines zentralen Liefersystems für seine Waren, dank dem er durch die Reduzierung der Anzahl von Fahrzeugen den CO2-Ausstoß verringert, und reicht bis zu Forschungsprojekten mit der NASA und der Stanford University über die Zukunft der Ernährung.

Das »Azurmendi« liegt knapp 20 Autominuten entfernt von Bilbao auf einer Anhöhe direkt oberhalb der Autobahn, praktisch mitten im Nirgendwo, in jedem Fall nicht an einem Ort, den man zufällig ansteuern oder wo man jemals ein Drei-Sterne-Restaurant erwarten würde. Das Holz und Metall, aus dem das Gebäude besteht, ist nahezu komplett recycelt. Dank Solarpanelen, Erdwärmepumpe und Regenwassernutzungsanlage versorgt das Lokal sich quasi selbst mit Energie. Und wer per E-Auto ankommt, der kann es während seines Aufenthaltes im »Azurmendi« kostenlos aufladen.

Das Obergeschoss des Gebäudes bilden ein Gewächshaus mit Kräuterbeeten sowie eine Saatgutbank, in der mehr als 400 seltene Gemüsesorten erhalten werden. Auch beim Eintreten in das futuristische Gebäude gibt es bis auf die Empfangstheke nichts, was einen an ein herkömmliches Restaurant erinnert. Mit dem dichten Pflanzenbewuchs und den bis zur Decke ragenden Bäumen hat der hallenartige Empfangsbereich etwas von einem Tropenhaus.

Kulinarik-Theater

Wer im »Azurmendi« zu Gast ist, wird zum Partizipant einer Menü-Choreografie, die eher an eine Kunstperformance erinnert und von der Einnahme des Amuse-Bouches bis zum Dessert fordernde vier Stunden in Anspruch nimmt, während derer man verschiedene Erlebniskammern durchschreitet, in denen jede der Speisen in einer anderen Kulisse offeriert wird – wie die verschiedenen Szenen eines interaktiven Theaterstücks. Zu einem Glas Txakoli, dem für das Baskenland typischen milden und leicht perlenden Weißwein, wird einem im Foyer eines der Signature Dishes des Starkochs serviert, ein geflochtenes Picknickköfferchen mit dem baskischen Nationalgericht Pintxos. Von dort aus geht es in die Küche, wo an einer eigenen Station das Trüffel-Ei, ein weiterer Evergreen Atxas, wartet. Dafür wird einem rohen Eigelb kochend heißer Trüffelfond injiziert. Individualistisch und intensiv im Geschmack geht es im Blumenzimmer weiter, der letzten Station, bevor man anschließend an den Tisch geführt wird. Da findet sich etwa ein Bonbon mit einem flüssigen Kern aus Rosenwasser, kunstvoll auf einer Blüte angerichtet.

Eine Formel Für Freude

Koch werden, das wollte Atxa schon immer. Aufgewachsen als Spross einer renommierten Winzerfamilie, hat er seine Ausbildung an den besten Adressen des Baskenlandes absolviert. Bis heute hat die Achtung lokaler Traditionen für Atxa höchste Priorität. 2005, im Alter von nur 28 Jahren, öffnete er auf dem Familienweingut sein erstes Restaurant. 2007 erhielt er den ersten Stern. Der zweite folgte im Abstand von drei Jahren, den dritten gab es nur zwei Jahre später.

Als er 2017 mit dem »Eneko« sein Zweit-Restaurant eröffnete, erhielt dieses noch im selben Jahr den ersten Stern. Inzwischen betreibt er ein weiteres Sterne-Restaurant in Lissabon, dazu Lokale in Tokio, Sevilla und Madrid. Im letzten Jahr eröffnete im »Radisson Collection Hotel« in Bilbao das »NKO«, in dem er auf verblüffende Weise eine kulinarische Verbindung zwischen seiner baskischen Heimatküche und der von ihm über viele Jahre studierten Kulinarik Japans herstellt. Zu Atxas nachhaltigem Konzept gehört auch ein modernes Arbeitszeitmodell: »Mir ist es ein großes Anliegen, dass mein Team entspannt, fröhlich und motiviert zur Arbeit kommt.« Denn nur glückliche Menschen seien in der Lage, auf seinem Niveau zu arbeiten. Darum hat das »Azurmendi« Dienstag, Mittwoch und Donnerstag nur mittags geöffnet, nur freitags und samstags zusätzlich am Abend, kurz nach 22 Uhr ist aber Schluss. Arbeitszeiten, die Atxas 70-köpfige Mannschaft wohl zu einer der zufriedensten der gesamten Branche machen.

Im »Azurmendi« wird den Gästen die Nachhaltigkeitsbotschaft übrigens sogar mit auf den Heimweg gegeben. Aus dem gebrauchten Fett stellt man duftende Seifenstücke her, die jeder Gast bekommt. Und der Maestro verabschiedet sich mit den Worten: »Danke, dass du Teil unserer Gemeinschaft bist

Zu Gast

»Azurmendi«
azurmendi.restaurant
Rund zehn Kilometer außerhalb von Bilbao findet sich mit dem sternegekrönten »Azurmendi« ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit.

»NKO«
bilbao.nkoeneko.com
Im »Radisson Collection Hotel Bilbao« bietet Atxa eine Fusion aus baskischer und japanischer Küche.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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