Leopold Ott, Küchenchef im »Cà d'Oro« im »Grand Hotel des Bains Kempinski St.Moritz«.

Leopold Ott, Küchenchef im »Cà d'Oro« im »Grand Hotel des Bains Kempinski St.Moritz«.
© Grand Hotel des Bains Kempinski St.Moritz

Ein Österreicher kocht St.Moritz ein: Leopold Ott im Interview

Der Küchenchef des »Cà d'Oro« spricht über seine Vorbilder, was seine Lachsforelle mit grünem Curry so besonders macht, die Entwicklung der High-End-Gastronomie und 450-Euro-Gerichte.

»Mein Kopf dreht sich fast rund um die Uhr nur ums Kochen«, verrät Leopold Ott. Falstaff hat den jungen Österreicher, der seit Kurzem Küchenchef im »Cà d'Oro« im »Grand Hotel des Bains Kempinski St. Moritz« ist, zum Gespräch getroffen und mit ihm über seinen Werdegang, Kochrevolutionen und »das Rezept« gesprochen, um Gäste in die Top-Gastronomie zu locken.

Falstaff: Wie kam es eigentlich zu Ihrem Engagement im »Kempinski St Moritz«?

Ott: Das »Kempinski St Moritz« war mein erster Betrieb in der Schweiz, das war September 2010. Damals noch unter Executive Chef Mattias Roock. Ich habe damals gehört, dass es dort wohl nur die Harten länger aushalten. Das war auch gleichzeitig mein Anreiz. Zwischendurch gab's nochmal ein Engagement von 2018 bis 2020 im »Cà d'Oro«. Aber als dann der Anruf vom GM Konstantin Zeuke kam, war es für mich ganz klar, mich der Sache anzunehmen.

Zum Werdegang: Hat Kochen schon immer eine spezielle Faszination auf Sie ausgeübt?

Es gab damals eigentlich nur zwei Optionen: Fußball oder Kochen. Mit dem Fußball hat es nicht geklappt, worauf ich dann in die Hotelfachschule in Wien am Judenplatz kam. Und da hat's mich dann gepackt.

Welche Stationen Ihrer Karriere haben Sie am meisten geprägt?

Definitiv das Jahr bei Manfred Buchinger in seinem Gasthaus »Zur alten Schule«. Die zwei Jahre im »Schloss Fuschl« und natürlich die letzten fünf Jahre im »Castello del Sole«.

Welche Einflüsse bringen Sie davon jetzt im »Cà d'Oro« ein?

Von Buchinger hab ich definitiv gelernt, das meiste aus dem ganzen Produkt zu holen. Er hat immer sehr akribisch den Bio-Eimer kontrolliert, ob ich nicht zu viel weg geschmissen wird. Definitiv aber auch die Produktliebe. Im »Castello« haben wir eine sehr geschmacksintensive mediterran französische Küche entwickelt. Ich lasse jetzt allerdings auch meine österreichischen Wurzeln einfließen. Das harmoniert und funktioniert sehr gut.

Wie beschreiben Sie selbst Ihre Linie?

Klassisch französisch mit mediterranen und modernen Einflüssen. Der Geschmack muss passen, die Sauce muss sitzen.

Gibt es Gerichte, die man aus Ihrer Küche unbedingt probieren sollte?

Die Lachsforelle mit grünem Curry, Gurke und Minze ist definitiv zu einem Brenner geworden. Allerdings auch der Steinbutt mit Beeftea, Grünkohl und Champignons. Aber ich versuche natürlich, jedes Gericht so zu konzipieren, das man es probieren sollte.

War/ist es schwierig, sich in ihrer derzeitigen Position vom viel gelobten Vorgänger Reto Brändli abzuheben?

Wir kochen vom Ansatz ähnlich, aber in den Details unterscheiden wir uns. Seine Gerichte werden gelobt, meine Gerichte werden gelobt. Abheben ist vermutlich das falsche Wort, ich versuche einfach einen anderen Weg zu gehen.

Können Sie uns das neue F&B-Konzept kurz beschreiben?

Eigentlich ist es keine Neuerfindung. Ich konzentriere mich neben dem Degustationsmenü etwas mehr auf die À-la-carte-Auswahl und habe die Auswahl vergrößert. Es gibt einfach sehr viele Gäste, die nicht mehr so lange sitzen wollen und vielleicht nur drei Gänge essen wollen. Oder vielleicht während des Abends am Nachbartisch einen Teller sehen, der ihnen gut gefällt und daraufhin nochmals kommen. Der Gast soll nicht das Gefühl haben, keine Auswahl zu haben und auch nicht, dass man ihm ein großes Menü aufzwingen will. À-la-carte ist eher klassisch aufgebaut, das Menü etwas experimentierfreudiger.

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie sich ihr Kempinski-Team für die aktuelle Saison zusammengestellt?

Ich wusste, dass die Aufgabe nicht einfach wird, also habe ich Leute mitgenommen, die ich kenne und weiß auch, was ich an ihnen habe. Mentale Stärke war mir wichtig und eine Passion zum Beruf. Leute, die auch anders denken können.

Wie schwierig ist es, sich in der Top-Szene zu behaupten und dann das Niveau auch zu halten? Es ist ja kaum vorstellbar, dass ein Koch über die Jahre hinweg immer wieder neue Kochrevolutionen herbeiführen kann?

Die Frage kommt etwas früh. Der Winter läuft sehr gut, ich werde bestimmt auch nächsten Winter wieder hier sein. Es ist viel harte Arbeit und man muss auch Opfer dafür bringen. Mein Kopf dreht sich fast rund um die Uhr nur ums Kochen. Kochrevolution ist ein harter Begriff, aber man muss an sich arbeiten und sich weiter entwickeln, da gehören auch Rückschläge dazu. Aber wer nichts wagt, kann nichts verlieren. Leidenschaft und Wille sind dabei besonders wichtige Faktoren.

Man sagt ja, je hochwertiger die Küche, desto weniger wirft sie ab. Wie muss sich also ein High-End-Lokal aufstellen, um sich auch in der Zukunft behaupten zu können?

Die Frage ist natürlich auch, ob das Lokal auf eigenen Beinen steht oder durch einen Gönner, oder wie man das nennen will mitgetragen wird. Will man, dass es etwas abwirft oder ist es eine Prestigesache? Als Küchenchef ist es natürlich immer besser, wenn man gute Zahlen schreibt. Bei einigen Restaurants sieht man auch, dass sie den Fokus auf Gemüse legen, da ist der Einkauf etwas einfacher.

Intelligentes Einkaufen ist wichtig, das Produkt muss optimal verarbeitet werden um auch das Maximum an Ertrag zu erzielen. Wenn ein Stück Fleisch im Einkauf 60 Euro pro Kilo kostet und ich Abschnitte von 40 Prozent habe, dann wird es natürlich schwierig. Das häuft sich dann alles an. Natürlich spielt auch das Personalmanagement eine große Rolle. Qualitativ gutes Personal zu finden, wird auch momentan nicht einfacher, fängt leider schon bei der Ausbildung an.

Auch Work-Life-Balance wird ein immer größeres Thema, die Priorität der Generation hat sich gedreht, hier sind natürlich nicht alle in einen Topf zu werfen, aber der Trend ist ersichtlich. Zum Glück stimmt das alles bei mir im »Cà d'Oro«. Das Team ist sehr gut, die Qualität sehr hoch. Die Zahlen stimmen bei uns. Die Ausrichtung mit à la carte war ein Volltreffer.

Haben es High-End-Lokale, die in ein Hotelkonzept eingebettet sind, leichter als Spitzengastronomie in großstädtischer Alleinlage?

Das sind ganz klar verschiedene Paar Schuhe. Die Kalkulationen müssen passen, das Personalmanagement stimmen. Als Lokal in einem Hotel ist die Lage natürlich einfacher, da man natürlich Zahlen anpassen kann. Als alleinlaufendes Restaurant stellt sich das natürlich anders dar. Funktionieren kann aber beides.

René Redzepi, der Chef des »Noma«, das ja seine Pforten schließt, ist der Meinung, dass immer weniger Menschen bereit sein werden, mehr als 450 Euro für ein Menü zu zahlen. Glauben Sie das auch?

Das ist ein schwieriges Thema und ich sehe mich da auch nicht wirklich berechtigt, meine Meinung ihm gegenüber zu äußern. Aber definitiv sind 450 Euro viel Geld. Menschen sind aber auch oft nicht bereit, so viel Geld für einen Abend auszugeben. Aber ich denke nicht, dass es nur daran liegt. Es wird gerade nicht einfacher.

Mit welchen »Rezepten« kann man Gäste in die Top-Gastronomie locken? Was muss hier alles geboten werden?

Ich denke, dass ein wichtiger Faktor ist, zu erkennen was das Bedürfnis des Gastes ist. Es muss nicht immer bedeuten, dass es auch dem Gast schmeckt, nur weil es mir schmeckt. Es gibt verschiedene Konzepte, die funktionieren. Wenn man in einer Großstadt ein rein veganes Restaurant führt, wo in diesen städtischen Ballungsräumen die Nachfrage auch eine große ist, dann ist das ein gutes Konzept. Ich denke aber nicht, dass es im »Kempinski« funktioniert, da keine Nachfrage herrscht. Preis-Leistung muss stimmen, Qualität, Kontinuität. Top-Gastronomie ist überhaupt ein sehr großes Wort.

Bleiben Sie im Sommer in den Bergen oder zieht es Sie wieder ins »Castello del Sole«?

Im Sommer bin ich wieder im »Castello del Sole«. Das Wetter ist wärmer und ich habe inzwischen eine schöne Wohnung gefunden. Es ist inzwischen ein bisschen zu meiner zweiten Heimat geworden. Das »Cà d'Oro« ist ein reiner Winterbetrieb. Und St. Moritz im Sommer reizt mich nicht ganz so – ich bin eher der Skifahrer als Bergwanderer.

Zu den Insidertipps für St. Moritz geht es hier.

Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
Chefredakteurin Online
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