Fabian Günzel (hinten Mitte) ist einer der Topgastronomen, die für Falstaff ins Jahr 2024 geblickt haben. In seinem »Aend« kocht er auf Topniveau. »Das wirklich Hochwertige ist rar«, sagt er.

Fabian Günzel (hinten Mitte) ist einer der Topgastronomen, die für Falstaff ins Jahr 2024 geblickt haben. In seinem »Aend« kocht er auf Topniveau. »Das wirklich Hochwertige ist rar«, sagt er.
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Kulinarische Visionen: Spitzenköche verraten die Gastro-Trends für 2024

Welche Trends erwarten uns 2024? Worauf legen Gourmets Wert? Und was geht gar nicht? Österreichische Spitzenköche und Gastronomen wagen für Falstaff ihren persönlichen Ausblick auf das kulinarische Jahr und die Herausforderungen in der Gastronomie.

Feingeschliffen und authentisch

Die kulinarische Welt wird viel authentischer, detaillierter und feingeschliffener. Statt Pseudo-Asiatisch erleben wir Japanisch, Koreanisch und Vietnamesisch. Statt Tex-Mex gibt es Chilenisch, Peruanisch und echte mexikanische Gerichte. Und die klassische Küche mit ihrem guten Handwerk kehrt zurück, die postmoderne Experimentierphase ist überwunden. Jetzt ist es wichtig, für gute Qualität auch den Preis zu verlangen, den sie wert ist. Warum haben viele Köche den Eindruck, dass sie mit gutem Essen kein Geld verdienen dürfen? Wir müssen selbst-bewusster auftreten.
Juan AmadorAmador Restaurant«, Wien

Ornament ist kein Verbrechen

Der Trend geht in Richtung opulente Reduzierung. ›Fine Dining‹ mit all seiner aufgesetzten Stilisierung in 20 Gängen ist aus der Zeit gefallen. Wir wollen gemeinsam an Tischen sitzen, gemeinsam Essen teilen und Feste feiern. Die Tafel, an der wir uns wiederfinden, ist in ihrer barocken Inszenierung Mittelpunkt des Abends. Ornament ist kein Verbrechen. Das Gemüse ist der Hauptdarsteller. Farben, Gerüche und Düfte sollen spürbar werden. Essen ist Kunst. Wir möchten zurück zum gemeinsamen Erleben des Essens als ursprüngliche Äußerung der menschlichen Existenz. Die Herausforderungen neben hohen Energie- und steigenden Lebensmittelkosten wird 2024 die Personalfrage sein. Die hohe Fluktuation vor allem in Küchenteams, die größer als zwei bis drei Personen sind, bleibt eminent. »New Work« ist hier eines der neuen Schlagwörter. Wie sich diese neuen Arbeitskonzepte jedoch auf Gastronomie und Hotellerie übersetzen lassen, bleibt aber offen.
– 
Parvin Razavi, »&flora«, Wien

Exotik ohne Klimaschäden

Local Exotic! Was vor Jahren unvorstellbar war, ist Realität: Mit modernster Technologie müssen Exoten wie Ingwer, Zitronen, Feigen und Oliven nun nicht mehr Tausende Kilometer zurücklegen, um den Weg auf unsere Teller zu finden. Sie werden heimisch angebaut und geerntet. Die Zutaten sollen schließlich schmecken und dabei Umwelt und Klima schonen. Und: Das ›Food Sharing‹ erfreut sich auch bei uns immer mehr an Beliebtheit, die Gerichte werden auf großen Tellern serviert und geteilt. Zu den großen Herausforderungen in der Branche zählt sicher, eine vernünftige Work-Life-Balance für die Mitarbeiter zu garantieren. Nur so können wir Junge für den Job begeistern.
Lizzy Aigner, »Prosecco by Aigner«, Salzburg

Konzentrierter genießen

Die Gäste wollen genießen. Vielleicht aus finanziellen Gründen weniger oft – aber wenn, dann konzentrierter. Sie legen mehr Wert auf Qualität, nachdem sie in den vergangenen Jahren von den Trends zu Regionalem und Nachhaltigkeit abgelenkt waren. Regionale Produkte sind gut, aber eben nicht nur. Nicht jedes Produkt, das ein Menü besonders macht, kann aus Österreich sein – ich denke da etwa an Langusten oder Petersfisch. Herausfordernd für uns ist, dass beste Produkte nicht in endloser Stückzahl vorhanden sind. Das wirklich Hochwertige ist rar.
– Fabian Günzel, »Aend«, Wien

Handwerk wird wieder geschätzt

Handwerksberufe erleben seit Jahren einen neuen Aufschwung, das beste Beispiel ist das Bäckereihandwerk. Auch die Gastronomie ist ein Handwerk, das erlernt werden muss. Daher erhoffe ich mir für Köchinnen und Köche auch mehr Wertschätzung, Respekt und Verständnis. Und: Der Megatrend der Neo-Ökologie (die Konsum und Umweltschutz vereinbart, Anm.) ist in der Gastronomie angekommen. Sich ›Regionalität‹ oder ›Vegan‹ auf die Stirn zu schreiben und es dann, wenn überhaupt, nur teilweise umzusetzen, reicht heute nicht mehr aus. Eine Herausforderung wird sein, motiviertes und qualifiziertes Personal zu finden und das Verständnis der Gäste für die Herausforderungen der Gastronomie zu erlangen. Wie international üblich wird wohl auch in immer mehr österreichischen Lokalen bei der Reservierung eine fixe Anzahlung zu leisten sein.
Stefan Doubek, »Doubek«, Wien

Geschichten erzählen

Unsere Menüs müssen Geschichten erzählen. Was genau man bei einem Zehn-Gänge-Menü gegessen hat, daran kann sich nach zwei Monaten niemand mehr erinnern. Aber tolle Geschichten bleiben in Erinnerung. Noch besser ist es, wenn sich die Philosophie des Lokals darin spiegelt, wenn alles von der Architektur über die Kunst an den Wänden und die Farben im Raum bis zum Material der Tischdecke als Einheit funktioniert. Zugleich müssen wir Köche mehr Flexibilität zeigen. Wir müssen wieder mehr ›à la carte‹ und verkürzte Menüs anbieten, es muss für alle Familienmitglieder etwas dabei sein. Die Herausforderung für uns Köche ist, dass wir auch wirtschaften müssen. Wenn ich ein super Menü habe, die Zahlen aber nicht passen, dann kann mein Lokal nicht überleben.
Alain Weissgerber, »Taubenkobel«, Burgenland

Ich glaube, dass hochwertig verarbeitete Snacks Einkehr finden müssten. Egal, ob Oktopus-Piccolini oder lässige Ćevapčići.
– 
Max Stiegl, »Gut Purbach«, Burgenland

Mehr Nachfrage nach Vegan

In meiner Wahrnehmung entwickelt sich der Anspruch der Gäste zunehmend hin zu einem stärkeren Bewusstsein für die Herkunft von Lebensmitteln. Das ist sehr erfreulich. Vor allem im Bereich des Tourismus, wo nachhaltiges Reisen immer mehr zum wesentlichen Entscheidungsfaktor wird, steigt die Nachfrage nach vegetarischen und veganen Speiseoptionen stark an. Wirtschaftlich ist jedes Jahr in der Gastronomie eine Herausforderung, da die Dienstleistung noch nicht wie die Produktion in der Industrie skalierbar ist. Mit Blick auf die Mitarbeiter haben wir nur dann gute Chancen, wenn die Branche alte Regeln aufbricht und ein moderneres, sinnstiftendes Arbeiten mit Wert ermöglicht.
Paul Ivic, »Tian«, Wien

Weg mit Schaum und Gel

Das neue Jahr bringt noch mehr Produkttransparenz und eine geradlinigere Küche. Was wieder zählt, ist die Kochkunst – nicht nur die Anrichtekunst. Wir wollen Tiefgang am Teller, echte Saucen statt gekünstelte Gerichte mit Schäumchen, Gel und Undefinierbarem. Unsere größte Herausforderung bleibt die Inflation. Der Ruf der Gastonomie als Treiber der Teuerung ist ungerecht, auch wir sind Opfer. Als Restaurant muss man sich künftig noch klarer positionieren, um am Markt interessant bleiben zu können. Mit Durchschnitt kommt man nicht mehr weiter!
Gerhard Fuchs, »Die Weinbank«, Ehrenhausen

Einfache Dinge, wahnsinnig gut

Kurzfristige Trends wie etwa in der Mode sehe ich in der Kulinarik nicht. Wohl aber große Entwicklungen – und die wichtigste ist sicher jene hin zu mehr Qualität. Das muss übrigens nicht immer teuer sein. Man kann einfache Dinge wahnsinnig gut und preisgünstig machen. Das wird auch das Konzept hinter unserem neuen Lokal am Neuen Markt in Wien, das dieses Jahr eröffnet: Rund um die Uhr gute Qualität zu guten Preisen.
Mario Plachutta, »Plachutta«, Wien

Mehr Wertschätzung für den Kulinarik-Standort 

Ich will die Trends ja lieber setzen und ihnen nicht bloß folgen. Ich wurde einmal als Avantgardist bezeichnet, weil ich gerne einen Schritt voraus bin. Diese Zuschreibung fand ich schmeichelhaft – und es ist mein tägliches Ziel, diesem Anspruch gerecht zu werden. Es geht jedenfalls immer um das Finden von außergewöhnlichen Geschmäckern. Was ist ein gutes Produkt, wo bekomme ich es her, wie kann ich es bestmöglich zubereiten, ohne es zu verfälschen? Und wie kann ich den puren Geschmack herausholen? Herausfordernd ist, dass wir seitens der Gäste mit immer heftigeren Krankheitswellen, willkürlichen Flugstreichungen oder Bahnstreiks konfrontiert sind, die unsere Besucher irgendwo stranden lassen. Das wiederum führt zu hoher Storno- oder No-Show-Bereitschaft der Gäste, die dafür aber nicht die Kosten übernehmen wollen. Wirtschaftlich sind explodierende Energiekosten, extrem gestiegene Produkt- und Personalkosten ein großes Thema. Wir selbst reagieren mit noch besserer Planung und engeren Öffnungszeiten auf diese Entwicklung. Wenn die Menschen weiterhin schön – oder überhaupt – Essen gehen möchten, dann muss dringend etwas passieren, um das Restaurantsterben zu verhindern. Der Kulinarikstandort Österreich muss höhere Wertschätzung von allen Seiten erleben.
Konstantin Filippou, »Konstantin Filippou«, Wien

Klassik neu beleben

Die Verantwortung für Nachhaltigkeit, Regionalität und Saisonalität wird noch zunehmen. Die »Alpine Cuisine« sehe ich als großartige Möglichkeit, den Ruf der Alpenküche zu stärken und ihre Unverwechselbarkeit zu zeigen. Zudem ist es schon lange mein Ansatz, klassische Küche – ob österreichisch oder französisch – neu zu bearbeiten und ihre Seele mit Kreativität um zeitgemäße Techniken zu ergänzen. Zugleich wird in den Ballungszentren die Zahl der Ethno-Fusion-Restaurants mit unterschiedlichen Konzepten steigen. In der Alltagsküche wird der Fokus wieder auf dem Familientisch liegen, auf dem Selberkochen, auf dem Homegardening. Die Gemüsebauern ums Eck und die Eigenvermarkter mit ihren großartigen Produkten, die müssen wir frequentieren!
Thomas Dorfer, »Landhaus Bacher«, NÖ

Die asiatische Küche bleibt tonangebend

Die Jungen lieben die Sharing-Konzepte, bei denen alles auf den Tisch kommt und gemeinsam von den Gerichten gegessen wird. Vor allem in der Spitzengastronomie ist es eine Herausforderung, das umzusetzen, weil es eben nicht für jeden Gast passt. Ein weiterer Trend, der sich nicht verlaufen, sondern sogar noch zunehmen wird, ist sicher jener hin zur asiatischen Küche. Ihre Einflüsse werden in den kommenden Jahren sicher noch intensiver. Ein Thema, das uns stark beschäftigt, ist die Preisgestaltung. In der Spitzengastronomie kommen wir preislich langsam in Sphären, die den Gästen wirklich in der Brieftasche wehtun. Das ist nicht gut. Zugleich müssen wir so kalkulieren, dass es wirtschaftlich ist. Wir sind daher dazu übergegangen, unsere großen Menüs teilweise neu zu konzipieren: Da finden sich nicht mehr in jedem Gang Luxusprodukte wie Hummer und Trüffel, sondern wir bauen auch Regionales ein und bieten ein, zwei vegetarische Gänge. Das ist zeitgemäß und spannend – und wirkt sich zugleich positiv auf den Preis aus.
Erich Lukas, »Verdi Restaurant & Einkehr«, Linz


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Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2024

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Christoph Schwarz
Christoph Schwarz
Chefredakteur
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