© Peter Bender

Mainzer Weinbörse: Ein Minister als Hoffnungsträger und viele Frostberichte

Die 50. Mainzer Weinbörse wurde gemeinsam von VDP-Präsident Steffen Christmann und von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eröffnet. Für die große Mehrzahl der Winzer beschloss die Börse einer Woche des Schreckens, in der manch eine und manch einer durch Frost 50, 80 oder 100 Prozent der Ernte 2024 verloren hat.

Sonntagmorgen, 28. April, um zehn Uhr füllte sich der Gutenbergsaal in der Mainzer Rheingoldhalle mit hunderten Winzern und Fachbesuchern. Mit besonderer Spannung wurde bei der Eröffnung der 50. Mainzer Weinbörse die Rede von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (GRÜNE) erwartet, dessen Partei von vielen Winzern mit einer restriktiven und ideologisch ausgerichteten Landwirtschaftspolitik gleichgesetzt wird.

Botschaften des Bundeslandwirtschaftsministers

Özdemir indes ließ große Sympathie für den Verband VDP und dessen Qualitätsphilosophie erkennen. Zwischen den Zeilen deutete er an, dass er die Sorgen des VDP um den Fortbestand des vor über 20 Jahren begonnenen Projekts »Lagenklassifikation« nachvollziehen kann. In der Tat stellt die bevorstehende Anpassung des deutschen Weinbezeichnungsrechts ans romanische Qualitätssystem die herausgehobene Stellung von VDP.Ersten und VDP.Großen Gewächsen infrage. Der VDP hatte in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert, dass »Große Gewächse« zu Dumpingpreisen und aus Randlagen drohen, wenn diese Begriffe zu Standardbezeichnungen des Weinrechts würden.

 

Schon Konfuzius sagte, am Rausch ist nicht der Wein schuld, sondern der Trinker.

 

Die Tür für Gespräche in dieser Sache sei offen, so Özdemir unter großem Applaus der Anwesenden. Nicht geringer war der Applaus, als Özdemir einer prohibitionistischen Alkoholpolitik eine Absage erteilte (»schon Konfuzius sagte, am Rausch ist nicht der Wein schuld, sondern der Trinker«). Und wie nebenbei deutete der Minister auch an, dass es wohl bald auch für deutsche Winzer Rodungsprämien werde geben können, es gebe dazu Gespräche auf EU-Ebene. Keine Nachricht zwar, die für VDP-Betriebe von großer Bedeutung sein wird, aber für die deutsche Weinwirtschaft als Ganze ist sie dies durchaus.

Zu guter Letzt ermutigte der Minister die Betriebe zum Anbau von pilzresistenten PiWi-Sorten. Ihm sei bewusst, dass derzeit PiWis nicht die Spitzenqualität der angestammten Rebsorten erreichen können, aber für viele Weintypen seien sie eine Alternative, und angesichts eines Flächenanteils von derzeit nur drei Prozent sei doch noch »deutlich Luft nach oben«, ohne dass man die traditionsreichen Europäersorten deswegen gleich aufgeben müsse.

Katastrophale Frostschäden

Nachdem die Börse eröffnet war, präsentierten die 191 anwesenden Weingüter (von insgesamt 200 VDP-Mitgliedsbetrieben) ihre neuen Jahrgänge: die Weißweine von 2023, und die Roten von 2022. In die Freude über zwei weitere hervorragend gelungene Jahrgänge mischten sich teils bedrückende Berichte über die Frostschäden der vergangenen Woche: Betriebe wie derjenige von Cornelius Dönnhoff an der Nahe stehen vor einem kompletten Ertragsausfall, ebenso der Karthäuserhof an der Ruwer. Kaum ein Anbaugebiet blieb verschont, am ehesten scheint noch die Pfalz ohne oder mit nur geringen Schäden davongekommen zu sein.

Selbst in Baden gibt es Gegenden mit katastrophalen Frostschäden, in Durbach etwa in der Ortenau erfroren große Teile der Lage Plauelrain. Im ebenfalls zu Baden gehörigen Bereich Tauberfranken berichtete Konrad Schlör aus Reicholzheim von dramatischen Verlusten: »In der Parzelle, in der wir unsere besten Spätburgunder und Schwarzrieslinge holen, konnten wir etwa die Hälfte von 40 Ar retten, auf unseren restlichen fünf Hektar Reben ist alles verfroren. Zum Glück haben wir noch gute Weine im Keller, die wir jetzt erstmal verkaufen können«, und wie zur Bestätigung gießt Schlör einen 23er Silvaner ins Glas, der mit nuancenreichem Duft und kreidiger Textur begeistert.

 

Aber man soll nicht so jammern, wir arbeiten mit der Natur und müssen immer mit solchen Ereignissen rechnen.

 

Auch im übrigen Franken gibt es teils gravierende Schäden: »Manche Weinberge sind zu 95 Prozent geschädigt, andere zu 95 Prozent intakt geblieben« berichtet etwa Karl Schmitt vom Weingut Schmitt’s Kinder aus Randersacker, der auch nachsetzt: »Aber man soll nicht so jammern, wir arbeiten mit der Natur und müssen immer mit solchen Ereignissen rechnen«.

»Das gab’s noch nie!«

Wie viele Winzer berichtet auch Sebastian Fürst aus Bürgstadt davon, dass dieser Frost ganz anders verlief als in anderen Jahren: »In Klingenberg sind Weinberge verfroren, die es sonst nie erwischt hat, und Weinberge, die sonst als erste Schäden haben, stehen da, als sei nichts gewesen«. In Bürgstadt sei die Centrafenberg-Parzelle, aus der das Riesling GG kommt, weitgehend erhalten, aber von den Spätburgundern habe nur ein kleiner Teil den Frost überstanden. Insgesamt, so Fürst, habe es »ordentlich gescheppert«.

Die letzte Hoffnung, um die Ernte zu retten.
© Shutterstock
Die letzte Hoffnung, um die Ernte zu retten.

»Komplett anders als sonst« urteilt auch Paul Weltner aus Rödelsee, der Vorzeige-Weinberg des Steigerwalds, der Iphöfer Julius-Echter-Berg, sei flächendeckend erfroren. »Das gab’s noch nie!« Dieser Aussage stimmt auch Jochen Brandt vom Juliusspital zu: »Es war komplett anders als sonst. Es tut schon weh, wenn man durch den Würzburger Stein geht und sieht nur noch hier und da ein bisschen grün.« Robert Haller vom Bürgerspital hofft noch auf einen zweiten Austrieb aus den Beiaugen: »Vielleicht gibt es dann im Herbst zwei Leseetappen: Wenn die Trauben der ersten Generation gelesen sind, macht man zwei Wochen Pause, bis dann die Trauben aus der zweiten Generation reif sind.« Haller nimmt es mit Fassung: »Ein 700-jähriges Weingut hat auch schon andere Situationen überstanden.«

Kampf mit dem Feuer

An der Saar schätzt Max von Kunow vom Weingut von Hövel aus Oberemmel die Ertragseinbußen auf 80-90 Prozent, »auch im Scharzhofberg«. Dorothee Zilliken aus Saarburg schätzt für sich den Verlust auf 70 Prozent. »Die alten Reben am Hangfuss haben überlebt, normalerweise sind eher die Parzellen oben und in der Hangmitte die begünstigten, weil der Wald oberhalb der Lage Rausch die Kaltluft abhält, aber diesmal zog der Frost oben vom Wald her rein in den Weinberg«.

Auch an der Mosel, am Mittelrhein und in Rheinhessen soll es gravierende Schäden geben, aus Württemberg berichten Karl Eugen Graf Neipperg und sein Sohn Philipp von Schäden in Schwaigern, »aber nicht in so schlimmen Ausmaß wie andere Kollegen, wir wollen mal überhaupt nicht klagen.« Moritz Haidle aus Stetten winkt auf die Frage nach den Schäden im Remstal nur ab und zieht eine Grimasse, die Erschrecken andeutet. Schwer getroffen hat es auch die Weinberge an Elbe, Saale und Unstrut: Marika Sperk vom Weingut Böhme und Töchter berichtet von flächendeckenden Schäden in ihren Weinbergen an der Unstrut, nicht viel anders erging es Martin Schwarz aus Meissen in Sachsen: »Am Hangfuss unserer Spitzenlage Friedstein habe ich in der Chardonnay-Anlage Feuer gemacht, das hat gewirkt, die Chardonnays haben es als einzige überstanden, aber die Pinots weiter oben am Hang, die ich mit Filz abgedeckt hatte, sind erfroren, es war einfach zu lange kalt, der Frost blieb fünf, sechs Stunden im Weinberg.«

Schäden im Ahrtal besonders schmerzhaft

Bedrückend ist nicht zuletzt, dass auch die Winzer im Ahrtal drastische Einbußen erlitten haben. Bekanntlich ist die Region noch immer von dem verheerenden Hochwasser des Juli 2021 gezeichnet. Da überdies so gut wie alle Betriebe in Renovationen und Gebäudesanierungen investiert haben und meist auch davor stehen, komplett neu zu bauen, sind die Frostschäden besonders schmerzhaft: »Zwar haben es die Reben im Kräuterberg gut überstanden, aber in der Lage Daubhaus beispielsweise haben wir gut 50 Prozent Schäden und unsere Weißburgunderlage in Ahrweiler ist komplett erfroren«, berichtet etwa Dennis Appel vom Weingut Meyer-Näkel aus Dernau, während er eben diesen Weißburgunder aus dem Jahrgang 2023 ins Glas gießt: Mit behutsamem Fassausbau hat das Weingut der fürs Ahrtal eher untypischen Rebsorte eine rare Delikatesse mitgegeben. Wer nicht auf den nächsten Jahrgang dieses hervorragenden Speisenbegleiters warten möchte, der dann wohl erst 2026 auf den Markt kommen wird, sollte jetzt diesen 2023er nicht verpassen.


NICHTS MEHR VERPASSEN!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Mehr zum Thema
Advertorial
Ein Hauch von Sommer
Wenn es wieder spürbar wärmer wird, ist es an der Zeit, die Vielfalt heimischer Roséweine zu...
Advertorial
Der Wein zum Spargel
Nach jedem Winter ist frisch gestochener Spargel ein besonders willkommener Frühlingsgruß. Wird...