Die einfachste Methode, Oktopus weichzubekommen: Man friert ihn ein und kocht ihn auf kleiner Flamme.

Die einfachste Methode, Oktopus weichzubekommen: Man friert ihn ein und kocht ihn auf kleiner Flamme.
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Severin Cortis Küchenzettel: Reich an Armen

Severin Corti entzaubert die Küchenlegenden rund um das aromatische Weichtier mit den acht Armen und zeigt ihm stattdessen die kalte Schulter.

Naturwissenschafter sind sich einig, dass Wirbellose mit Hirnschmalz und sechstem Sinn zu den eher seltenen Spezies unseres Planeten gehören. Dabei gibt es zum Glück eh noch mehr als genug Oktopusse. Aber wie kommt es, dass diese schleimigen Weichtiere als intelligent gelten? Fußballfreunde erinnern sich vielleicht an den Kraken Paul aus dem Aquarium in Oberhausen, der bei der Fußball-WM 2010 alle Spielergebnisse der deutschen Mannschaft voraussagte und auch den spanischen Sieg im Finale gegen die Niederlande korrekt tippte. 
Skeptiker mögen anmerken, dass da der Zufall mitgespielt haben könnte – und Klugheit bei Toto-Spielern sowieso nur marginal ausgeprägt sein könnte. Die außerordentliche Intelligenz und Antizipationsgabe des Oktopus ist aber gut dokumentiert. Kraken lernen extrem schnell, sind Jäger von abgrundtiefer Schlauheit – und denken sogar mit den Armen, in denen sich mehr als zwei Drittel ihrer Nervenzellen befinden. Nur ein Drittel macht das tatsächliche Gehirn aus. Die Arme kann der Oktopus mit einer Geschicklichkeit einsetzen, die jener der menschlichen Hand kaum unterlegen ist. Der Unterschied? Er hat acht davon. Beeindruckend, aber auch irgendwie unheimlich. 
Kein Wunder, dass auch seine Zubereitung von Legenden umgeben ist, weshalb wir ihn zwar gern im Restaurant bestellen, aber kaum selbst zubereiten. Wer will sich schon einen Oktopus auf die Wäscheleine hängen, wie das in Griechenland seit jeher Sitte ist? Oder ihn vor dem Kochen erst x-mal gegen einen Felsen schlagen, wie das die Sizilianer tun? In Kroatien wiederum schwört man darauf, einen Weinkorken mitzukochen – all das, um zu verhindern, dass sein Fleisch am Ende zäh wie Gummi wird. 
Dabei gibt es eine einfache Methode, Oktopus weichzukriegen – und sie kommt uns als Binnenland entgegen: Tiefkühlen zerstört die langkettigen Proteine im Fleisch des Oktopus. Praktischerweise ist er in unseren Breiten in zuverlässiger Qualität ohnehin nur tiefgekühlt zu bekommen, dafür aber küchenfertig zugeputzt und in jedem größeren Supermarkt. Bei der Zubereitung ist zu beachten, dass das kochende Wasser, in das der Oktopus gesenkt wird, ungesalzen ist. Und dass der Kochvorgang behutsam, bei kleiner Flamme, mit nur siedendem Wasser erfolgt. Dann wird er weich. 
Womit eigentlich nur noch ein Mysterium der Auflösung harrt, nämlich jenes um den korrekten Plural von Oktopus. Dem Vernehmen nach soll das Problem gerade bei Bildungsbürgern zu solchen Unsicherheiten geführt haben, dass sie im Zweifel lieber
nur einen kaufen, auch wenn eigentlich zwei vonnöten gewesen wären. Das darf nun wirklich nicht sein, weshalb mittlerweile sogar der Duden ein Einsehen hatte: Oktopusse ist inzwischen genau so korrektes Deutsch wie die etwas altertümelnden, aber klassisch gebildeten Oktopoden. 

Severin Corti's Rezept:

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2018

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