In aller Munde: Olivenöl ist ein jahrtausendealtes Kulturgut. Essenz, Nahrungsmittel und Medizin in einem. Die antiken Griechen nutzten es auch, um ihre Körper vor oder nach einem Wettkampf geschmeidig zu machen.

In aller Munde: Olivenöl ist ein jahrtausendealtes Kulturgut. Essenz, Nahrungsmittel und Medizin in einem. Die antiken Griechen nutzten es auch, um ihre Körper vor oder nach einem Wettkampf geschmeidig zu machen.
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Voll im Saft: Das Geheimnis des perfekten Olivenöls

Im Idealfall ist Olivenöl die reine Essenz der Früchte des Olivenbaums. Und die ist nun einmal sehr ölhaltig. Wer also nach Olivensaft anstatt bloßem Fettzusatz für Gerichte sucht, ist schon einmal auf der richtigen Ölspur.

Der Olivenbaum: Wer ihn vor sein Geschäft stellt, signalisiert südliches Flair. Wer vor ihm posiert, sagt: »Ich bin im Süden.« Und manche überkommt ein nostalgisches Gefühl, wenn sie Olivenöl über ihren Salat leeren. Olivenöl ist nicht nur eine hochwertige Zutat, sondern genauso ein Stückchen südliches Lebensgefühl, das man sich tatsächlich auf der Zunge zergehen lassen kann. Hochwertiges Olivenöl ist eine essenzielle Zutat, die über Erfolg oder Misserfolg einer ganzen Gerichte-Komposition entscheidet.

TOP 3: DIE BESTEN OLIVENÖLE

Wandeln im Olivenhain

Wer schon einmal mit Agustín Santolaya durch die grünen Wiesen zwischen Arbequina-Olivenbäumen gewandelt ist, dem ergeht es bestimmt anders. Die Finca aus dem zwölften Jahrhundert auf Mallorca, auf der aus 20 Hektar Olivenbäumen pro Jahr etwa 90.000 Halbliterfläschchen Aubocassa-Olivenöl entstehen, steht Besuchern offen. 

Neben den Olivensorten Arbequina und Picual werden besonders in Spanien noch die unbekannten Sorten Brava und Manza wieder kultiviert.
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Neben den Olivensorten Arbequina und Picual werden besonders in Spanien noch die unbekannten Sorten Brava und Manza wieder kultiviert.

Der vormals als Önologe tätige Santolaya und sein Team wollen allen, die es erleben möchten, zeigen, wie hochwertiges Olivenöl entsteht und was den Unterschied zu geringer Qualität ausmacht. Genau so, wie sie es bei der großen Schwester von Aubocassa, dem Weingut Roda in La Rioja Alta, halten. Die Önologen haben sich damals gegen Wein und für Olivenöl entschieden, Kurse und Produktionen im Süden Spaniens von Sevilla über Jaén bis Córdoba besucht und schließlich auf eine Sorte gesetzt, die der König Mallorcas Jaime I. angeblich schon im 13. Jahrhundert auf die Insel brachte: Arbequina. Dieser Sorte sagt man nach, fruchtiger und milder zu sein als ihre ­pikante Verwandte Picual. 

Schnell wird klar: Wer von hochwertigem Olivenöl spricht, spricht ausschließlich von »Virgen Extra«, im Deutschen als »natives Olivenöl extra« übersetzt. Denn das ist die höchste Qualitätsstufe, in der das Öl beziehungsweise der Saft aus den Oliven nur durch Pressen bei möglichst niedriger Temperatur ohne chemische ­Prozesse gewonnen wird. In dieser Welt der »Virgen Extra« gilt es wiederum zu unterscheiden, so sagt Santolaya etwa: »In der ersten Division des Fußballs sind auch alle Klubs gut, dennoch gibt es welche, die besser oder schlechter sind als andere.« 

DIE BESTEN PAIRINGS MIT OLIVENÖL

Auf der Finca von Aubocassa jedenfalls finden Ansätze, die im Wein seit Jahrzehnten gut funktionieren, auch beim Oliven­öl ihre Anwendung. Santolaya:

Die Flora und Fauna Mallorcas stehen für Ruhe und Licht und für Offenheit. Daher kam für uns auch immer nur die milde, fruchtige und sehr wahrscheinlich ohnehin autochthone Sorte Arbequina infrage. Auch Olivenöle zeigen ihre Herkunft im Geschmack.

Um das zu zeigen, wären sie, als sie 1998 mit ihrer Produktion begonnen hätten, mit die Ersten gewesen, die aus Weingläsern verkosteten und nicht, wie damals üblich, aus ­Joghurtbechern. »Wir machen unsere Verkostungen in ­Weingläsern; allerdings in schwarzen, ­damit die Farbe nicht in die Irre führt.«

Bloß Öl, sonst nichts 

Gerade flippten die Leute nämlich bei besonders grünen Ölen aus, bestätigt Juan Vargas Azorit den Trend. Er ist Koch im nordspanischen San Sebastián und Olivenölproduzent im südlichen Jaén. Dort, wo schon sein Großvater Olivenöl produzierte. 2018 begann für den Koch und seine Schwester Ana deren Karriere als Olivenölproduzenten aus einer Hommage heraus. Vargas: »Wir haben damals 500 Halbliterflaschen unserem Großvater zu Ehren produziert.« Diese seien sehr gut angekommen und die Neugier um ihr familiäres Erbe erwacht. »Wir haben begonnen, uns mehr über Olivenöle zu informieren. Je mehr du weißt, umso mehr merkst du, wie wenig du weißt«, sagt Vargas. Auch in den Küchen herrsche großes Unwissen, so der Koch, der lange Zeit in weltberühmten Sterneküchen werkte. 

Der Name ihres Öls, »Solo Aceite«, vermittelt, was es für gutes Öl braucht. Nämlich »nur« gute Oliven, mit deren Bäumen über das Jahr (Grünschnitt und Bewässerung bei fortschreitender Trockenheit) gut umgegangen werde, die sanft und ohne Verletzungen geerntet werden und so rasch wie möglich zur Presse gelangen. So können die feinen Aromen des Olivensafts weder durch Oxidation noch durch Hitze oder Licht (daher die dunklen Flaschen) zerstört werden. 

»Es gibt sehr viele Sorten, die schon weitestgehend unbekannt sind, wie Brava, Manza oder Pico de Limón«, so Vargas. Oft sei die schonende Ernte so viel teurer als der Preis, den das Öl erzielen kann, sodass die Oliven gleich gar nicht geerntet würden. Für solche Anlagen, auf denen zum Teil alte, unbekannte Sorten wachsen, interessieren sich immer mehr Menschen, wie die Geschwister Vargas Azorit. Auf der Produzentenseite sowie auf der Abnehmerseite, auch wenn hier noch Spielraum besteht. Vargas:

Olivenöl ist eine wichtige Zutat. Die meisten Restaurants arbeiten mit einem oder zwei Ölen. Diese müssen dann zu allem passen. Das ist beim Wein doch auch nicht so.

Die Olivenhaine von »Solo Aceite« werden mit größter Sorgfalt gepflegt und geerntet. Die Herstellung ist von klein auf ein wichtiges Thema.
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Die Olivenhaine von »Solo Aceite« werden mit größter Sorgfalt gepflegt und geerntet. Die Herstellung ist von klein auf ein wichtiges Thema.

Von Wein und Wasser

Überlegungen, die im Wein funktionieren, nämlich die Wissenschaft in die Produktion sowie in die Haine zu integrieren, finden auch auf Castillo de Canena Anwendung. Rosa Vañó führt gemeinsam mit ihrem Bruder und ihren Eltern, 93 und 90 Jahre alt, die Finca im südspanischen Jaén. Seit 20 Jahren setzen sich Rosa und ihr Bruder Francisco dafür ein, die Großartigkeit von hochwertigem Olivenöl in die Welt hinauszutragen. Dafür holen sie sich auf der einen Seite die Unterstützung von Universitäten wie der von Davis, Kalifornien, oder Barcelona und Jaén, aber auch von Köchen wie dem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Ángel León im andalusischen Puerto de Santa María. Er hat gemeinsam mit Familie Vañó ein Olivenöl mit Plankton entwickelt, mit dem südliche Meeresaromen ganz vegan auf die ­Gerichte des »Aponiente« gelangen. Universitäre Studien beschäftigen sich beispielsweise mit dem idealen Stopp der Bewässerung. Denn man könne den Moment, in dem der Baum kein Wasser mehr aufnehme, exakt bestimmen, so Vañó. Das Thema Wasser sei bei steigender Trockenheit und Hitze generell die größte Herausforderung, der ­Olivenanbauer weltweit gegenüberstünden.

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Jahrhundertelange Tradition

Etwas zu bewahren, das seit langer Zeit zu ihnen und ihrem Land gehöre, sei auch ihm das größte Anliegen, sagt Fadrique Álvarez de Toledo. »Und das ist nur durch einen respektablen Umgang mit der Umwelt möglich«, sagt Álvarez de Toledo. Er steht dem Familienunternehmen Marqués de Valdueza, dessen Geschichte bis ins Jahr 1624 zurückreicht, vor. Bei Marqués de Valdueza wird ebenso jede Stellschraube der Produktion von gekühlter Lagerung in hochmodernen Edelstahltanks bis hin zur raschen Ernte und Verarbeitung genau überwacht. Für die Region Extremadura typische Sorten wie Morisca werden ebenso gepflegt wie die in weiteren Teilen Spaniens vorkommenden Sorten Hojiblanca, Arbequina und Picual. 

Erst wenn ein Abnehmer in einem der Exportmärkte bestellt, wird aus den Tanks abgefüllt. Und das nur aus der aktuellen Ernte. Denn im Gegensatz zu Wein wird Olivenöl nicht fermentiert und ist umso besser, je frischer. Álvarez de Toledo: »Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, sich einen frisch gepressten Orangensaft wochenlang aufzuheben.«

In puncto Aufklärung sei noch viel zu tun, so Álvarez de Toledo. Selbst in Spanien, in dem 51 Prozent der Olivenölproduktion stattfinden, herrsche Unwissen. »Ein Großteil der Produktion erfolgt in Kooperativen, wer auf natives Olivenöl extra setzt, macht aber schon einiges richtig.« Für einen Liter hochwertiges Olivenöl benötigt man um die acht bis neun Kilogramm Oliven. Mindere Qualitäten kommen mit drei bis vier Kilogramm aus. Wenn zusätzlich die Sorten und der Jahrgang auf dem Etikett vermerkt sind, ist man überhaupt auf der richtigen Ölspur. 

Bei einem »Aceite de Pago«, wie beispielsweise jenem aus dem Qualitätszusammenschluss »Grandes Pagos de Olivar« , handelt es sich darüber hinaus um Olivenöl, das von Olivenbäumen im eigenen Besitz und Pressung der Finca stammt. Diese Qualitätskriterien sind wohl auf die gesamten 1,5 Millionen Tonnen Olivenöl, die in der EU produziert werden, anwendbar. 


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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2023

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Bert Spörk
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