Wer wollen wir sein im Angesicht unserer Gäste?

Zwischen Gastgeberinnenträumen und kulinarischen Sehnsüchten: »Kochen im falschen Jahrhundert« heißt der neue Roman der Wiener Autorin Teresa Präauer. Falstaff hat mit ihr ein Interview über die kulinarischen Inspirationen des Buches geführt.

Man stellt es sich so romantisch vor: Ein Abendessen mit Freunden, im Hintergrund läuft leise Jazzmusik, während man sich angeregt unterhält, über Philosophie, Kunst, Kultur. Aber dann wird aus Kultur Kulturpessimismus und statt zu philosophieren, schmerzen die Brustwarzen, weil man ja gerade abgestillt hat. Sehr genau beobachtet und dabei wahnsinnig lustig ist Kochen im falschen Jahrhundert die perfekte Sommerlektüre für Feinschmecker.

 

Wie ist Ihr eigener Bezug zum Kochen? Ist das Essen ein Thema, das sie schon lange umtreibt, oder haben Sie mit intensiverem Nachdenken darüber erst begonnen, als die Idee für den Roman entstand?

Das Thema des Romans, das Kochen, Essen und Gäste-Einladen, ergab sich aus zahlreichen Begegnungen und Beobachtungen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe. Die Wahl der Lebensmittel für einen Einkauf scheint schon so etwas wie ein politisches Statement zu sein, aber es erzählt auch viel über Zugehörigkeit und Herkunft. Und darüber, wer wir sein wollen im Angesicht unserer Gäste.

Die Figur der Gastgeberin trägt die Vorstellung eines perfekten Abendessens schon lange mit sich herum, es ist fast ein Anzeichen des Erwachsenwerdens und schließlich auch eine Art Statussymbol. Ich habe mich sehr wieder gefunden in diesem Wunsch, das perfekte Abendessen gestalten zu können, um die eigene Souveränität zum Ausdruck zu bringen. War diese Vorstellung der Ausgangspunkt des Romans? Glauben Sie, dass das universell ist oder vielleicht auch eine Dynamik, die Frauen über die Jahrhunderte stärker internalisiert haben als Männer? Wie wirkt sich diese Geschlechterdynamik generell auf den Roman aus?

Ich versuche, es mir nie zu leicht zu machen mit den geschlechtlichen Zuschreibungen und Rollenverteilungen. Aber es fällt beim Erinnern und Betrachten doch auf, dass es die Mütter und Großmütter sind, die zu Hause kochen und gekocht haben, während die berühmten Köche und Chefs noch oft Männer sind. Mich hat aber auch ganz persönlich beschäftigt, wie eine Biografie des Essens und Kochens in meinem Fall zu schreiben ist: die ersten Geschmackseindrücke — das Außergewöhnliche, aber auch das ganz Basale, wie das erste Salz, das man selbst im Supermarkt gekauft hat als junger Mensch. Geruch und Geschmack transportieren Erinnerung und Lösen das Erzählen aus.

Yotam Ottolenghi, der israelische Starkoch und Held vieler Gourmets, findet in Ihrem Roman zwar keine namentliche Erwähnung, seine Figur ist aber für Eingeweihte sofort erkennbar. Im Roman repräsentiert er das sorglose Image eines souveränen Kochs, der mit Leichtigkeit für viele Gäste kocht. Das ist genial beobachtet. Kochen Sie manchmal Rezepte von Ottolenghi?

Interessant an diesen Koch-Hypes und Bestsellerkochbüchern ist auch, welches Lebensgefühl sie in ihren Bildern transportieren möchten. Der Trend zu Middle Eastern hat mit der Sehnsucht nach Frieden zu tun, Versöhnung, interkultureller Begegnung: ein israelischer und ein palästinensischer Koch würzen gemeinsam das Taboulé! Der Wunsch ist so verständlich und der Versuch so vorbildlich, gleichzeitig muss man sich, wenn es dann Mode und Mainstream wird, auch lustig machen. Wenn das urbane Bürgertum im Westen einen auf Fingerfood und Fladenbrot macht! Wobei ich das Essen selbst sehr gern hab, die Kombination aus Süß, Scharf, Salzig, Sauer und so weiter. Das Schreiben hat eben Zeit für diese Ambivalenzen: etwas toll zu finden, und es gleichzeitig zu analysieren und aus der kritischen Distanz zu beobachten. Das wäre dann auch eine Form von Verstehenwollen.

Das eventuelle Ausarten einer Abendesseneinladung ist ein in der Literatur ein häufiges Motiv. Sehen Sie Bücher, die ein einziges Abendessen beschreiben schon als eine Art Genre? Hat das für Sie beim Schreiben überhaupt eine Rolle gespielt?

Ein literarischer Text steht für mich immer auch in Korrespondenz mit anderen literarischen Texten, ja. Das Genre ist in diesem Fall das Kammerspiel: ein Raum, eine begrenzte Anzahl an Personen, die begrenzte Zeitspanne, in diesem Fall ein Abend. Aber bei mir setzt dieser Abend drei Mal neu an, das hat schon mit dem Vorbereiten einer Essenseinladung zu tun. Was nicht alles schiefgehn könnte! Verstehen sich die Gäste, kommen sie zu spät, essen sie Fleisch, trinken sie viel oder wenig? Mit der Veränderung einer Zutat kann ein Abendessen stehen oder fallen. Das hat Potenzial für Komik und für Tragik.

Wie sieht für Sie ein perfektes Abendessen unter Freunden tatsächlich aus?

Ausreichend Wasser und Wein, nicht allzu viel Aufwand, eine weiße Baumwolltischdecke, sehr gute Gespräche – und das Gefühl, dass der Abend dauern darf.

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Maria Wollburg
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