Die Bäckerei Vuaillat aus Uster hat sich mit ihren Sauerteigbroten einen Namen gemacht. Ein Muttersauerteig von Bäcker Martin Mayer ist 19 Jahre alt und stammt aus Südafrika.

Die Bäckerei Vuaillat aus Uster hat sich mit ihren Sauerteigbroten einen Namen gemacht. Ein Muttersauerteig von Bäcker Martin Mayer ist 19 Jahre alt und stammt aus Südafrika.
© Matthias Auer

Bäcker: Die neue Brot-Zeit

Brot wird heute wieder mehr denn je geschätzt: Kleine, innovative Bäcker, aber auch grössere Betriebe liefern wahre Delikatessen aus Kruste und Krume.

Brot gehört heute in vielen Sternerestaurants zu den Höhepunkten. Im «Memories» von Sven Wassmer wird das hauseigene Sauerteigbrot geradezu zelebriert und den Gästen stolz präsentiert. Fabian Fuchs backt sein Brot im Zürcher «EquiTable» seit dem ersten Tag selber. Andreas Caminada leistet sich in seiner «Casa Caminada» beim «Schloss Schauenstein» gar eine ganze eigene Holzofen-Bäckerei. Das eigene Brot ist seit Eröffnung 2019 auch hier ein zentrales Element. Brot als Delikatesse im Sterne­restaurant? Wer hätte das gedacht.

Brot hatte es in den letzten Jahren nicht immer einfach. Industrielle Grossbäckereien sorgten dafür, dass Brot nicht nur seinen Geschmack verlor, sondern vor allem auch seinen guten Ruf. In der Schweiz musste man gutes Brot geradezu suchen, denn auch die Bäckereien wurden immer weniger.  Inzwischen ist das zum Glück anders. Brot ist wieder hochwertiger geworden – in den Top-Restaurants, aber auch im Handel.

Und nicht zuletzt auch zu Hause, im privaten Bereich, erlebt Brot gerade eine noch nie dagewesene Renaissance. Wohl auch der Corona-Pandemie geschuldet, wird derzeit in den privaten Küchen gebacken, was die Öfen hergeben (siehe auch Interview mit Brot-Blogger Lutz Geißler).

Doch zurück zu den Bäckern. Brot hat heute wie gesagt ein ganz anderes, neues Image, als das noch vor geraumer Zeit der Fall war. Lange Zeit setzten vor allem industrielle Grossbäckereien auf billig hergestellte Massenware. Die Verwendung fertiger Backmischungen gehört dabei zum Alltag. Produziert wird das Brot dabei in zentralen Fabriken, und im besten Fall wird es dann in der Verkaufsfiliale aufgebacken. Mit Handwerk hat das wenig zu tun, auch wenn einen die Werbung das glauben machen will.

Die Gegenbewegung

Diese wenig erfreuliche Entwicklung führte zu einer Gegenbewegung unter den Bäckern und Backwarenherstellern und damit zu wahren Stars unter den Schweizer Bäckern. Denn während viele noch handwerklich arbeitende Bäcker im Stillen ihre Brötchen buken und verkauften und die Kritik an der Industrie selten laut war, ist man heute stolz auf die eigenen Produkte und zeigt das auch.

Flammendes Beispiel dafür ist der Zürcher Bäcker Jens Jung, Gründer von John Baker, der Zürcher In-Bäckerei schlechthin. Neben einem modernen Auftritt macht Jung aber nicht mehr als das, was er als Bäckerssohn ohnehin kennt. Statt auf Backmischung und industrielle Methoden setzt er auf ökologisch hergestellte Grundprodukte, auf eine lange Teigführung und auf Bäckerhandwerk. Doch anstatt das still und leise zu tun, ruft er die Nachricht in die Stadt. Mit Erfolg! Die Schlange vor der John-Baker-Hauptfiliale ist gerade zu Pendlerzeiten beträchtlich.

Was John Baker für Zürich ist, ist die Bäckerei Kult für Basel. Bei dem Betrieb handelt es sich eigentlich um die älteste Bäckerei der Stadt – schon seit 300 Jahren befindet sich an dem Standort eine Bäckerei. 2015 wurde diese mittels Crowdfunding vom heutigen, jungen Betreiberteam übernommen und mittlerweile um einen zweiten Standort ergänzt. Angeboten werden insbesondere französisch inspirierte Backwaren, und zwar in kompromisslos hoher Qualität. Mit einem Industriebrot, das am anderen Tag bereits hart ist, haben die Produkte der Bäckerei Kult rein gar nichts zu tun – innert weniger Jahre wurde aus einem Traum und ehrlichem Handwerk ein wahrer Kult. Die jungen Betreiber füllten förmlich ein Vakuum in der Basler Bäckerlandschaft.

«Die industrielle Herstellung von Brot führte zu einer Gegenbewegung. Handwerks-Brot ist in wie nie.»

Ähnliches erzählt man sich in Luzern über den Eigenbrötler Daniel Amrein. Seit rund zehn Jahren backt er seine Brötchen, Brote und viele Backwaren mehr in Wauwil. Diese verkauft er direkt vor Ort und jeden Samstag am Luzerner Wochenmarkt. Seinen Stand findet man schnell. Einerseits der aufgetürmten Brote wegen, andererseits wegen der unübersehbaren Schlange von wartenden Menschen vor dem Stand. Bis zu 2000 Brote verkauft Amrein an einem Markttag. Denn besseres Brot ist laut seinen Kunden in ganz Luzern nicht zu finden.

Der aktuelle Brotboom ruft viele Quereinsteiger auf den Plan. Zu den prominentesten gehört sicher Seri Wada aus Zürich. Wada arbeitete im Finanzsektor, bevor er 2015 seine Mission «Best Baguette» startete. Und nicht nur seine Baguettes sind heute in Zürich in aller Munde, auch seine Croissants verfügen über eine grosse Fangemeinde. Wada selber ist dabei auf dem Boden geblieben. Denn zaubern tut auch er nicht, sondern hält sich ganz einfach an altes, aber zeitaufwendiges Handwerk.

Die Sauerteig-Meister

Ja, handwerkliches Backen erfordert Zeit, viel Zeit. Vor allem die Verwendung von Sauerteig ist aufwendig. Was beim Wein die Spontangärung ist, ist beim Brotbacken der Sauerteig. Natürliche Hefen geben dem Brot Trieb und Milchsäurestämme den typisch säuerlichen Geschmack. Hefen gibt es praktisch überall in unserer Umwelt, und lange nicht nur in Pulver- oder Würfelform. Man findet sie in der Luft, sie leben auf Pflanzen, auf unserer Haut und auch auf dem Getreidekorn respektive im Mehl.

Industriell gewonnene Backhefen müssen beim Sauerteigbrot nicht zugesetzt werden, denn in einem Natursauerteig vermehren sich Hefen auf natürliche Weise. Doch ein guter Teig will «geführt» und «gefüttert» werden, erst in einem langsamen Reifungsprozess entsteht ein hochwertiger Brotteig. Zu den Sauerteig-Meistern unseres Landes gehört Martin Mayer von der Bäckerei Vuaillat aus Uster. Mayer backt in seiner Backstube verschiedene Sauerteigbrote.

Seinen eigenen Sauerteigansatz pflegt er seit dem Jahr 2016, seit letztem Jahr nennt er zudem eine 19 Jahre alte Sauerteigkultur sein Eigen. Mitgebracht aus Südafrika, bäckt er damit zweimal die Woche das sogenannte Afrikabrot. Denn Sauerteig wird – richtig gepflegt – mit den Jahren immer besser. Nicht nur geschmacklich, auch gesundheitlich ist das Brot interessant. Mayer verkauft sein Brot auch an Kunden, die indus­triell und mit schneller Gare hergestellte Brote nicht vertragen. Wenn das kein Argument für echtes Bäckerhandwerk ist.

Inzwischen ist in Sachen Qualität ein regelrechter Brot-Boom entstanden. Immer mehr engagierte Bäcker wollen langsam und in Handarbeit hergestellte Brot­spezialitäten als Delikatesse an die Kunden bringen, und sogar in den Grossverteilern sind heute nicht nur offene Backstuben angesagt, sondern es werden auch handwerklich hergestellte Brote verkauft. Eine erfreuliche Entwicklung. Nicht nur für Geniesser.

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2020

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
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