Prämierte Edelbrand-Vielfalt von der Brennerei Stählemühle.

Prämierte Edelbrand-Vielfalt von der Brennerei Stählemühle.
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Feuer, Frucht & Fass: der Trend Fruchtbrände

Samtig-weich am Gaumen, der süsse Frucht­geschmack veredelt: fassgelagerte Fruchtbrände entwickeln im Holz ein einzigartiges Aroma.

Herrlich blühen die Felder und Bäume rings um die Obsthöfe und auf den Streuobstwiesen. Zuweilen steht vor den Höfen ein kurioses Fahrzeug, in dem Brennkessel befeuert werden und in denen die Bauern ihr Obst vor Ort zu einem Brand verarbeiten lassen. Sie werden immer weniger, aber es gibt sie noch: die Störbrenner. Ihr Gewerbe hat eine lange Tradition. Mit den mobilen Brennblasen fahren sie zu den Obstbauern, um deren Früchte zu destillieren. Der Name «Störbrenner» verweist auf einen gesundheitlichen Hintergrund: Der gewonnene Alkohol fand oft Verwendung, um die Verdauungsstörungen des landwirtschaftlichen Getiers zu lindern. Die Menschen auf dem Hof tranken freudvoll mit.
So manche Birne und so mancher Apfel wird auch dieses Jahr den Weg durch die Brennblasen und in die Flasche finden, um in flüssiger Form den Gaumen zu verwöhnen. Einige der gewonnenen Destillate werden einen finalen Feinschliff durch eine Reifung im Holzfass erfahren. Eine zunehmende Schar von Geniessern weiss das zu schätzen. Die Konsumenten entwickeln neue Freude für die hochwertigen Produkte aus ihrer Region. 
Schweizer Brände, auch Wässer genannt
Hier erfolgt die Herstellung auf der Grundlage einer Maische. Es ist also – anders als bei Geisten – genug Zucker enthalten, dass Hefen einen Gärprozess auslösen und den Fruchtzucker in Alkohol umwandeln können. Es entsteht ein Obstwein, der dann wiederum destilliert wird. Am Ende steht im Fall der fassgereiften Brände eine aromatische Abrundung im Holzfass – oft über mehrere Jahre. Die verschiedensten Holzarten von Akazie bis Maulbeere kommen zum Einsatz, und der Inhalt, der zuvor im Fass reifte, kann sich von Armagnac über Sherry bis Sauternes erstrecken.

 «Eines ist gewiss: Die fassgelagerten Fruchtbrände entsprechen dem heutigen Geschmacksempfinden der jungen Konsumentinnen und Konsumenten.» Hans Etter, Obstbrenner
© Bruno Sonderegger
«Eines ist gewiss: Die fassgelagerten Fruchtbrände entsprechen dem heutigen Geschmacksempfinden der jungen Konsumentinnen und Konsumenten.» Hans Etter, Obstbrenner

Veredelung im Fass

Moderne Schnapsbrenner widmen sich mit grosser Hingabe ihren Edelbränden. Die Akribie beginnt bereits mit der Auslese des Obstes und der vorgesehenen Obstkonzentration im Brand. Zuweilen stecken in fünf bis zehn Litern Alkohol bis zu hundert Kilogramm Obst. Dann folgt die sorgfältige Beobachtung der Maische, aber auch die Entwicklung des Destillats im Fass muss ständig überprüft werden. Es gleicht einer Kunst, wenn die Ergebnisse die Qualität der Früchte, den Boden und die Region widerspiegeln – und im Holzfass zu guter Letzt elegant abgerundet werden. 
Zuhause bei Christoph Keller
Einer der renommiertesten Künstler an der Brennblase ist Christoph Keller. Ursprünglich verlegte der Mann mit dem markanten Vollbart erfolgreich Kunstbücher, ehe er 2004 unweit des Bodensees einen alten Hof erwarb. Mit dem Hof hatte Keller ein altes Brennrecht erworben, und aus reiner Neugier begann er 2006, die Apparate in Gang zu ­setzen und das Verfahren des Brennvorgangs zu erlernen. 
Schon seine ersten Resultate wurden mit Medaillen ausgezeichnet, und rasch erregte der Quereinsteiger Aufsehen. Heute gelten seine Stählemühle-Edelbrände als wegweisend und sind hochbegehrt, insbesondere seit er verkündete, dass er sein Projekt 2019 wieder beenden möchte. 
Kellers fassgereifte Brände sind zugleich köstlich und ungewöhnlich. Den «Berner Rosenapfel im Kastanienfass» widmet er einer seiner liebsten Apfelsorten aus dem Kanton Bern. Der Winterapfel entwickelt als Destillat eine Frucht- und Würze-Intensität, die das pure Produkt kaum vermuten lässt. Die Reifung in einem Kastanienfass aus dem Spessart fügt subtile Anklänge von Rauch und Karamell hinzu. Besonders stolz ist er auf seinen Pinot Meunier aus dem Limousin-Eichenfass Vieux Reserve. Er betont, dass es sich nicht um einen Weinbrand handelt, sondern um einen wasch­echten Traubenbrand, der vier Jahre lang in einem Fass aus Limousin-Eiche reift.

 Die Destillerie Etter lagert Fruchtbrände in Barriques und Korbflaschen.
© Bruno Sonderegger
Die Destillerie Etter lagert Fruchtbrände in Barriques und Korbflaschen.

Auf dem Holzweg: die älteste Destillerie der Schweiz

Der Name Fassbind verkörpert die älteste Destillerie der Schweiz, die in diesem Jahr ihr 170-jähriges Bestehen feiert. Stephan Kopp von Fassbind erkennt einen wachsenden Zuspruch der Verbraucher bei holzfassgereiften Destillaten: «Der Geschmack der Konsumentinnen und Konsumenten entwickelte sich in den letzten Jahren in die Richtung von Destillaten, die durch ihre Fasslagerung einen weichen Charakter erhalten.» Holzkenntnisse seien für die Herstellung eine wichtige Herausforderung: «Das Resultat einer gelungenen Holzreifung steht oder fällt mit der Auswahl des Fasses. Da es sich bei den Holzfässern auch um Naturprodukte handelt, verhält sich jedes Fass und jede Holzart unterschiedlich. Die Auswahl der Fässer, die Kontrolle und das Timing unterliegen unserem Master-Blender Josef Bürgi.» 
Zuletzt beschritt das Unternehmen neue Wege und wählte das natürliche Holz zur Frucht, sagt Kopp: «Das heisst: Eau de Vie Poire Williams im Birnenholz, Eau de Vie Prune Pflümli im Pflaumenholz, Eau de Vie Kirsch im Kirschenholz etc. Die Entwicklung dieser speziellen Fässer war sehr langwierig und komplex, da sich Fruchthölzer nicht mit Eichenholz vergleichen lassen.»

 Seit 1879 pflegt die Familie Etter die Obstbrand-Tradition.
© Bruno Sonderegger
Seit 1879 pflegt die Familie Etter die Obstbrand-Tradition.

Das Zusammenspiel zwischen Holz und Brand

Einer der erfahrensten Männer im Obstbrand-Gewerbe ist Hans Etter, Präsident des Verwaltungsrats und der Etter-Destillerie, die seit 1870 die Obstbrandtradition pflegt. Etter betont das filigrane Zusammenspiel von Holz und Brand: «Obstbrand verhält sich im Fass anders als Rum oder Cognac. Wir müssen aufpassen, dass die Charakteristik der Frucht vom Holz nicht zugedeckt wird. Im Idealfall erzielen wir einen balancierten Brand mit eigenständigem Obst-Ausdruck, abgerundet durch das Holz.» 
Etter freut sich über den Erfolg der fassgereiften Erzeugnisse, beispielsweise der Etter Vieille Prune oder Vieille Kirsch, die drei bis fünf Jahre in Barriques und 50-Liter-Korbflaschen reifen, um die Fruchtnoten von zarter Vanille umspielen zu lassen: «Eines ist gewiss: Die fassgelagerten Fruchtbrände 
entsprechen dem heutigen Geschmacksempfinden der Konsumentinnen wie auch der jungen Konsumenten.»

Wachsendes Potential
Das wachsende Potenzial der Brände erkennt auch Thomas Huhn, Barchef des eleganten «Hotel Les Trois Rois» in Basel: «Obstbrände sind das Synonym für heimische Destillierkunst.» Auf seiner Bar-Karte finden sich heimische Edeldestillate von Etter, Humbel oder Morand, aber auch auswärtige Klassiker von Stählemühle, Mette oder Rochelt. In anspruchsvollen Cocktailbars tragen die Edelbrände, insbesondere in ihren fassgereiften Varianten, zunehmend zur Trinkkultur bei. 
«Lange war es selbstverständlich, in den Bars Destillate aus aller Welt zu präsentieren, aber die herausragenden Spezialitäten aus der eigenen Region fehlten. Endlich erkennen die Bartender die Vielfalt der Brände und setzen es in ihren Bars und auch in Cocktail-Wettbewerben um», erläutert der Barchef. 
Originell und hohes Niveau: heimische Produkte
In diesem Jahr fand im «Les Trois Rois» das grosse Finale der «Made in GSA Competition» statt: ein Cocktail-Wettbewerb, der sich gerade den heimischen Produkten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz widmet (GSA steht dabei für Germany, Switzerland, Austria). «Dreizehn Prozent der eingereichten Drinks basierten auf Edelbränden, und die Cocktails waren nicht nur auf höchstem Niveau, sondern auch überaus originell», zeigt sich Juror Thomas Huhn beeindruckt.
Internationale Gäste, die im «Les Trois Rois» nach einem «Manhattan» fragen, überzeugt Huhn gerne, doch einmal seinen «Dunkin Cocktail» zu probieren. Dabei interpretiert er den klassischen Manhattan mit Williamsbirne und Holunder.
Was man noch über die Herstellung von Edelbrand wissen sollte:

(aus dem Falstaff Magazin 05/2016)

Peter Eichhorn
Peter Eichhorn
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