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Früchte des Spätsommers: Die Beeren sind los

Die Beeren des Spätsommers schmecken nicht nur hervorragend, sie sind auch noch sehr gesund. Wir werfen einen Blick auf unsere heimischen »Superfoods« und eine Neuheit vom Beerenhof nebenan.

Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren sind nicht nur ein kulinarischer Genuss, sondern auch heimische »Super­foods«: Sie stecken voller Vitamine, Ballast-, Mineral- und Pflanzenstoffe, die zahlreiche positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Jede Beere überzeugt mit eigenen »Superkräften«, die in den letzten Jahren zu einem wahren Beerenboom geführt haben. Das bestätigt auch Diplom-Agraringenieur Jörg Umberg. Zusammen mit seiner Frau führt er seit dem Jahr 2000 den Hof Umberg in Bottrop-Kirchhellen. Er ist von Anfang Mai bis weit in den Herbst hinein ein wahres Beerenparadies. Statt Exoten wie Goji-,­ Açaí- oder Acerola-Beeren entdecken Menschen hier die Schätze der heimischen Natur. Auch die AMI (Agrarmarkt Informations-Gesellschaft) bestätigt den Trend: In den vergangenen Jahren hat die weltweite Produktion von Strauchbeeren eine rasante Entwicklung hingelegt. Allein in der Steiermark hat sich die Anbaufläche in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Bisher unangefochtener Sieger des Spätsommertrios: die Heidelbeere. Ihr Hype als Superfood scheint unaufhaltsam. »Heidel­beeren haben einen hohen Anteil an Anti­oxidantien. Das sind freie Radikale, die vor Krebserkrankungen schützen«, erklärt Umberg. Zu ihnen gehören auch die ­Anthocyane, die kraftvollsten Antioxidantien der Natur. Sie verleihen ihnen nicht nur die charakteristische Farbe, sondern helfen laut Forschern der Universität Cincinnati, kognitive Fähigkeiten zu verbessern und Demenz vorzubeugen. Ganz nebenbei wirken Heidelbeeren blutdrucksenkend, entzündungshemmend und sie lindern Arthritis. Dafür sorgen hohe Mengen an Vitamin E, Magnesium, Kalium, Kalzium und Eisen.

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Eine Tasse täglich

Die kleinen blauen Beeren sind also ­wahre Vitamin- und Nährstoff-Booster – aber nicht nur sie allein. Besonders wenn es um Mineralstoffe geht, sind Himbeeren die wahren Superhelden und die besten Eisenlieferanten unter den Beeren. Phosphor, Kalzium, Magnesium und ganz nebenbei wichtige B-Vitamine, Vitamin C (davon enthalten Beeren mehr als Zitronen) und K, das für die Blutgerinnung wichtig ist, ergänzen ihr Portfolio. Es wirkt fiebersenkend, knochenbildend, blutreinigend, unterstützt bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, fördert die Verdauung und reguliert den Cholesterinspiegel. Nicht zuletzt sollen Himbeeren das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren und genau wie Brombeeren und Heidelbeeren vor Krebserkrankungen schützen. Von Letzteren reicht dafür, laut einer Studie der Universität Alabama, bereits eine Tasse täglich.

Praktisch, dass Beeren in den vergangenen Jahren jeglichen Saisoncharakter verloren haben. Sie sind ganzjährig verfügbar – besonders frisch und köstlich aber zur hiesigen Erntezeit.

Aromatherapie

Heidelbeeren haben von Juni bis September Saison. Eines der größten Heidelbeeranbaugebiete Europas befindet sich sogar in Deutschland, in der Lüneburger Heide. Auf rund 500 Hektar werden hier überwiegend Kulturheidelbeeren angebaut. Ursprünglich aus Nordamerika stammend, sind sie deutlich größer als die europäische Waldheidelbeere. Um zu erkennen, ob es sich um wilde Beeren oder Zuchtheidelbeeren handelt, reicht ein Blick ins Innere: Die gezüchteten Beeren haben ein helles Fruchtfleisch, die wilden Beeren sind rot gefärbt.

Etwas länger, von Mitte Mai bis teils in den Oktober hinein, können Himbeeren geerntet werden. Die süße Beere zählt in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu den häufigsten Wildfrüchten. Die ­Beeren der Sommersorten schmecken dabei ­aromatischer als die der später tragenden Pflanzen. Ähnlich verhält es sich mit den Importen aus Marokko, Spanien und Portugal. »Die Sorten, die für lange Wege gemacht sind, sind weniger aromatisch«, erklärt Jörg Umberg.

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Weder reif noch genießbar

Um den langen Transportweg zu überstehen, werden die Beeren zudem kurz vor der Genussreife geerntet – fatal für den Geschmack, denn die Früchte reifen nicht nach. Das Problem mit der Reife haben aber nicht nur weit gereiste Beeren. Die Farbe von Brombeeren ist zwar das auffälligste Indiz, um den Reifegrad der Frucht zu bestimmen – zuerst grün, entwickeln die Beeren ziemlich rasch eine rote Färbung, die schon zum Pflücken verleitet –, aber stopp! Die roten Früchte sind so weder reif noch genießbar. »Sie werden tendenziell zu früh gepflückt und sind dann die schwarzen sauren Dinger, mit denen Verbraucher die Beere in Verbindung bringen«, weiß ­Umberg. In seinem Hofladen gibt es sie stattdessen zuckersüß, denn erst wenn sie fast schwarz sind und sich leicht vom Blütenboden ablösen, ­haben sie die ­optimale ­Reife erreicht.

Die Haskapbeere
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Die Haskapbeere

Kleine Beeren – große Zukunft

Umso dunkler die Beere, desto höher seien ihre Anteile an Antioxidantien, Mineral- und Nährstoffen, so Umberg. Damit hätte die Brombeere eigentlich den ersten Platz verdient. Nur leider wird sie hierzulande nicht nur etwas stiefmütterlich behandelt – der Agraringenieur vergleicht die ­Brombeere spaßeshalber mit dem grünen Spargel, »beiden wird seit Jahren eine große Zukunft vorausgesagt, die einfach nicht eintritt« –, sie bekommt außerdem Konkurrenz aus dem hohen Norden. ­Umberg hat sie vor Jahren in England entdeckt: die Haskap-Beere. Sie wurde erst Ende 2018 im Rahmen der »Novel-Food-Verordnung« als neuartiges Lebensmittel in der EU zugelassen. Der Hof Umberg ist einer der wenigen Betriebe, die sie anbauen. Das hat seinen Preis: Zwischen 15 und 30 Euro zahlt man pro Kilo. Ursprünglich kommt die Beere aus Sibirien. Hierzulande kennt man sie auch als ­Maibeere, wie der Name sagt, wird sie im Mai reif.

Nicht einmal einen Monat später ist die Erntezeit schon wieder vorbei. Optisch ähnelt die circa zwei Zentimeter große, längliche Frucht der Heidelbeere. Ihr Geschmack und ihre Superkräfte sind eine Kombination unserer heimischen Sorten. Solange sie noch nicht wie Unkraut am Wegesrand wächst, gewinnt vielleicht die Brombeere an Beliebt­heit. Mit ihrem hohen Betacarotin- und Vitamin-E-Gehalt schlägt sie ihre heimischen Artverwandten und auch so manches Superfood aus Übersee. Von Mitte Juni bis in den Oktober hinein hat sie Saison. Im Garten sorgen Sorten wie »Choctaw« und »Baby Cakes« für Schmunzler und auch für garantiert süße Beeren, bei denen man sicher nicht mehr das Gesicht verzieht.

Tipps & Fakten

Lagern

Der größte Fehler, den man laut Umberg machen kann, ist, die Beeren zu waschen. Frisch vom Strauch kommen sie unbehandelt in die Schale und in den Kühlschrank. Dort bleiben Himbeeren und Brombeeren bis zu drei Tage, Heidelbeeren bis zu zwei
Wochen lang frisch – verlieren aber an Aroma. Der ultimative Tipp des Landwirts deshalb: »Nicht lagern, sondern lieber oft und frisch kaufen und sie frisch verzehren – oder direkt selbst anbauen.« Eingefroren halten Beeren übrigens bis zu zwölf Monate und verlieren dabei kaum Nährstoffe.

Verrauch

5,1 Kilo Strauchbeeren isst der Deutsche,
3,5 Kilo der Österreicher und 4,4 Kilo der Schweizer pro Kopf und Jahr. Die meisten davon, wenn sie bei uns Saison haben: Die startet ab Mitte Mai mit den Heidelbeeren, gefolgt von Himbeeren, Johannis-, Stachel- und Brombeeren. Von Mitte Juni bis in den August hinein herrscht Beerenhochsaison.

Produktion

Deutschland belegt mit fast 11.000 Tonnen Heidelbeeren jährlich den fünften Platz der weltweit produzierenden Länder. Absoluter Spitzenreiter sind seit Jahren die USA mit fast 270.000 Tonnen. Im Winter versorgen uns aber hauptsächlich Südeuropa und Südamerika mit frischen Beeren.

Preis

Die ständige Verfügbarkeit hat ihren Preis. Am teuersten sind Brombeeren, dicht gefolgt von Himbeeren mit bis zu 24 Euro pro Kilo. Das betrifft nicht nur importierte Beeren. Schuld sind der Klimawandel und die sich dadurch ändernden Anbaumethoden.

Irrtum

Nicht überall, wo Beere draufsteht, ist auch Beere drin. Für Botaniker sind Erd-, Him- oder Brombeeren keine Beeren, sondern Sammelfrüchte. Genauer gesagt Sammelnuss-
beziehungsweise Sammelsteinfrüchte – also mehrere kleine Früchte, die zu einer Frucht zusammenwachsen. Ihre Samen in Form von winzigen Nüsschen oder Steinchen befinden sich nicht geschützt im Inneren der Beere, sondern außen auf dem Fruchtkörper.

 

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2023

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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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