Der Schein trügt! Dieses Schloss liegt nicht in Südfrankreich, sondern in Hollywood – und hat dort einen besonderen Ruf.

Der Schein trügt! Dieses Schloss liegt nicht in Südfrankreich, sondern in Hollywood – und hat dort einen besonderen Ruf.
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Good old Hollywood: Wie das »Chateau Marmont« seinen Charme bewahrt

Seit jeher gehen Kinostars und Musiker, Künstler und Kreative im »Chateau Marmont« in Hollywood ein und aus und sorgen für eine Hotelgeschichte mit Anekdoten im Überfluss. Bis heute hat sich die fast ein Jahrhundert alte Institution ihren Charme des alten Hollywoods bewahrt.

Wenn Wände sprechen könnten, dann hätten sie im »Chateau Marmont« in West-Hollywood viel zu erzählen. Sehr viel sogar. Durch jedes Zimmer, jeden Gang, die alte Bar und die Lobby, ja durch jede Ecke des berüchtigt-legendären Hotels geistern Erinnerungen an Kino-Ikonen und wilde Musiker, an Kreative, Autoren und viele andere Berühmtheiten. Zahlreiche Anekdoten inklusive.

Zwar ist hier jeder Gast willkommen, der sich ein Zimmer reserviert. Doch Hollywood liebte das »Chateau Marmont« von Anfang an und machte es seit jeher zur Kulisse für großes Kino über Liebe und Kunst, Skandale und Ausschweifungen hinter den hohen Mauern. Zur Besetzung gehörten Stars wie James Dean, Marilyn Monroe und Scarlett Johansson genauso wie Paul Newman, Leonardo DiCaprio, Johnny Depp oder Starfotograf Helmut Newton. Die Liste ist endlos. 

Dennis Hopper wollte hier einst mit Natalie Wood in Champagner baden, was für die Schauspielerin allerdings in der Notaufnahme endete. Und während Howard Hughes von seinem Penthouse aus gern mal die Starlets am Pool mit einem Fernglas beobachtet haben soll, verbrachte der große Regisseur Billy Wilder einmal einige Tage in einem Raum neben der Lobby-Toilette, weil nichts anderes frei war. »Das Zimmer war klein, hatte aber sechs Toiletten«, war sein trockener Kommentar damals. Jean Harlow setzte hier zudem ihre Affäre mit Clark Gable fort, obwohl sie gerade erst wieder frisch verheiratet war. Und Britney Spears? Die schmierte sich bei einem Zusammenbruch Essen ins Gesicht, wonach sie des Restaurants verwiesen wurde. Manche dieser Geschichten endeten auch tragisch. Der »Blues Brother« John Belushi etwa starb 1982 in einem der Bungalows an einer Drogenüberdosis.

Welches Jahr schreiben wir? Schwer zu sagen. Die Lobby verströmt zeitlosen Charme.
© Jason Frank Rothenberg
Welches Jahr schreiben wir? Schwer zu sagen. Die Lobby verströmt zeitlosen Charme.

Französisches Vorbild

Das »Chateau Marmont« existiert bereits seit 1929, als das Kino die Tonfilmrevolution erlebte. Der Anwalt Fred Horowitz fand zu dieser Zeit am Sunset Boulevard, der damals teilweise eher eine Schotterstraße war, den idealen Platz für seine Baufantasie: ein luxuriöses Apartmentgebäude, das einem Schloss nachempfunden werden sollte. Inspiration dafür war das »Château d‘Amboise« im Tal der Loire, das er auf einer Europareise entdeckt hatte. Sein Plan mit den Apartments ging zwar im Zuge der Weltwirtschaftskrise nicht auf. Dafür öffneten sich nach dem Verkauf des Gebäudes nach wenigen Monaten die großen Holztüren für Hotelgäste. 

Gegenüber entstand damals gerade das Nobelhotel »Garden of Allah«, das bereits in den 1950ern sein Ende fand. Das markante »Chateau Marmont«, das man schon aus der Ferne über dem Sunset Strip thronen sieht, steht trotz schwieriger Zeiten immer noch: erprobt erdbebensicher gebaut, an jener Ecke, an der sich die Marmont Lane eine Anhöhe hochschlängelt.

Sieben Stockwerke im gotischen Stil umfasst das Hauptgebäude – inklusive Säulen, Bögen und gewölbter Decken, alles ein bisschen wie aus einem Märchen. 63 Zimmer in unterschiedlicher Größe gehen von den schummrigen, gelb-gold beleuchteten Korridoren ab. Erweitert wurde das Hotel später um Cottages und um Bungalows im Midcentury-Modernism-Stil.

Diskretion geht über alles

Wie jedes Schloss ist auch das »Chateau Marmont« eine Welt für sich. Am Pool hört man zwar gedämpft den Verkehr rauschen und die Billboards, die hinter den Palmen aufragen, holen für die Dauer eines flüchtigen Blicks die Wirklichkeit in den Hotelkosmos. Gäste suchen hier aber die Privatsphäre, denn das »Chateau Marmont« ist ein Refugium und funktioniert paradoxerweise, obwohl es sich in Hollywood befindet, als Versteck. Diskretion ist oberstes Gebot in diesem »No-Tell-Hotel«. Nicht nur der verschlungene Garten mit seiner tropisch anmutenden Opulenz und dem satten Grün bietet Ecken und Nischen, in denen man sich zurückziehen kann. Wer sich zeigen und der Öffentlichkeit präsentieren will, sucht andere Orte in Los Angeles auf.

Entspannt man am Pool auf den orangenen Liegen unter den weiß-hellblauen Schirmchen, kommt durchaus ein bisschen Filmstargefühl auf – ganz so, als hätte man sich in Sofia Coppolas »Somewhere« verirrt, dem das Hotel 2010 als Kulisse diente. Der Pool wurde damals sogar auf dem Kinoplakat verewigt. Überhaupt wurde das Hotel im Zuge all dieser Geschichten seiner illustren Gäste selbst zum Star in Filmen, Romanen, Musik. Erst vor wenigen Jahren widmete der britische Musiker Jarvis Cocker, Frontmann der Band »Pulp«, gemeinsam mit dem Pianisten Chilly Gonzales dem bekannten »Room 29« ein ganzes Konzeptalbum. Schon Marilyn Monroe nächtigte in dem Zimmer, in dem die Gäste ein Piano vorfinden, auf dem sie spielen können.

In den Cottages und Midcentury-Modernism-Bungalows hat man noch mehr Privatsphäre.
© Nikolas Koenig
In den Cottages und Midcentury-Modernism-Bungalows hat man noch mehr Privatsphäre.

Manches ist nicht so perfekt, glamourös und luxuriös, wie manche es in einem Luxushotel womöglich erwarten würden. Doch genau darin liegt der Charme: Das »Chateau Marmont« hat diese Aura des Besonderen und eine starke Persönlichkeit, ist aus der Zeit gefallen und dabei voller Geheimnisse. Als der Hotelier André Balasz das Haus in den frühen 1990ern übernahm und für die notwendigen Modernisierungen sorgte, wurden sie so behutsam durchgeführt, dass die Nahtstellen zwischen gestern und heute meist kaum zu erkennen sind. Der Charme des alten Hollywoods, der in diesen Mauern ruht, blieb intakt und wurde in die Gegenwart gerettet. Selbst über der Aufzugtür gibt es noch den alten Zeiger, der das Stockwerk anzeigt.

Auch in den Zimmern und Suiten haben viele Einrichtungsstücke die Jahrzehnte überlebt und stammen noch aus den ersten Jahrzehnten, selbst die entzückenden Fliesen in den Badezimmern sind mitunter original. So residiert man bis heute in geschmackvollen Räumen mit Patina und dezenter Eleganz. »Dial 0 for anything«, steht auf einem Kärtchen zur Begrüßung. Es gibt nur wenige Orte wie diesen in einer mitleidlos schnelllebigen Stadt.

Speisen auf der Terrasse – unter Schirmen und umgeben von Grün. Das Wetter in Los Angeles ist ja schließlich meist sonnig.
© Jason Frank Rothenberg
Speisen auf der Terrasse – unter Schirmen und umgeben von Grün. Das Wetter in Los Angeles ist ja schließlich meist sonnig.

Nicht das Handy zücken!

Auf der Terrasse des Restaurants speist man, umgeben von viel Grün, casual elegant unter weißen Schirmen. Auf der übersichtlichen Karte stehen Gerichte wie gegrillte Riesengarnelen, Linguini mit Muscheln, char-grilled Burger oder der Klassiker Spaghetti Bolognese. Wer beim Essen mit etwas Glück die eine oder andere Berühmtheit entdeckt, der muss gar nicht erst das Handy zücken: Fotografieren ist ausdrücklich nicht erwünscht!

Übrigens: Beinahe wäre diese exklusive Hollywood-Hotel-Geschichte vor Kurzem auserzählt gewesen. Nach Beginn der Corona-Pandemie gab es kurzzeitig die Idee, das Hotel in einen exklusiven Mitglieder-Club umzuwandeln. Doch nachdem die Pläne bekannt wurden, gab es so viele empörte Anrufe, dass der Plan wieder verworfen wurde. Die Legende lebt also weiter – außerhalb der Zeit. 

Chateau Marmont

Eine Hollywood-Institution

Bereits kurz nach der Fertigstellung im Jahr 1929 wurde das »Chateau Marmont« Hotel in Hollywood zum Star-Magneten. Das Hauptgebäude in Form eines Schlosses verfügt über 63 Zimmer und Suiten. Darüber hinaus gibt es Cottages und Bungalows im Angebot. Im hauseigenen Restaurant kann man auf der großen Terrasse speisen.

Adresse:
Chateau Marmont
8221 Sunset Blvd, Hollywood, CA 90046 chateaumarmont.com

Weitere Informationen über Los Angeles: discoverlosangeles.com


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Erschienen in
Falstaff Nr. 10/2023

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Sascha Rettig
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