Schweizer Design: Sitz. Platz. Steh!
Schweizer Design legt mit seinen hochwertigen Produkten skandinavische Ansprüche an den Tag. Ein kleiner Rundgang durch Zürich.
Gutes Design erkennt man oft daran, dass man es gar nicht mehr als Design wahrnimmt, so fest ist es in unserem Alltag verankert. Die Schweiz scheint einen guten Riecher dafür zu haben, was formschön, funktional und zugleich unaufdringlich nützlich ist. Man schätzt Design, das zwar speziell ist, aber sich nicht in den Vordergrund drängt. Bestes Beispiel dafür ist der Sparschäler «Rex»: Nach dem Krieg wurde er von Alfred Neweczerzal erfunden und für Zena patentiert, noch heute ist er in fast jedem Haushalt zu finden. Auch die «Eternit Spindel», 1951 von Willy Guhl und Anton Bee entwickelt, hat sich als zeitlos erwiesen. Eigentlich als Pflanzenschale gedacht, wird sie in Schwimmbädern allerdings gerne als überdimensionaler Aschenbecher zweckentfremdet. Und die ikonografische Le-Corbusier-Liege, abgekürzt LC4, hat eine überraschende Karriere nicht nur als Design-Klassiker hingelegt. Das jüngst erschienene Buch «We Don’t Embroider Cushions Here» dokumentiert, wie beliebt die LC4 in der Porno-Industrie ist: In über 800 Filmen und Videos hat sie bereits für Fesselspiele als stylische Unterlage herhalten müssen.
Design aus der Schweiz legt skandinavische Ansprüche an den Tag: Qualität wird grossgeschrieben. Es ist innovativ und trotzdem für den Alltag gemacht. Erste Anlaufstelle, um Einblicke in die reiche Design-Geschichte des Landes zu werfen, ist das Museum für Gestaltung in Zürich, das seit 2014 in das architektonisch spannende Toni-Areal übersiedelt ist. Heute befindet sich dort ein Uni-Campus, vor dem Umbau wurden die Hallen als Molkerei genutzt. Über 500.000 Objekte aus seiner Plakat-, Design-, Kunstgewerbe- und Grafiksammlung vereinigt das Museum unter einem Dach.
Nachdem man die Klassiker kennengelernt hat, steht ein Rundgang durch die kleinen Shops an, die nicht nur die bekannten Freitag-Taschen im Sortiment haben. Zürich-Tourismus veranstaltet regelmässig Touren in den sogenannten «Kreislauf 4 + 5», ein multikultureller Stadtteil, der lange als Problemviertel galt, sich in den letzten Jahren aber zum Design-Eldorado entwickelt hat. Es gibt nette Cafés wie «Herman’s Wohnzimmer». Und Vintage-Läden wie «Timetunnel Living» liegen im sogenannten «Viadukt», das sind ehemalige Eisenbahnbögen, die umgebaut wurden und nun eine Mischung aus Markthalle, Restaurantmeile und Design-Paradies sind.
Überhaupt besinnt sich Zürich gerade auf sein architektonisches Erbe, das mit neuem Leben gefüllt wird. Im Löwenbräu-Areal ist die historische Brauerei aus dem Jahr 1897 flankiert von zwei markanten Hochhäusern. Auf dem Gelände haben zahlreiche Galerien und das Migros Museum für Gegenwartskunst eine neue Heimat gefunden. In Zürich ist Design aber ohnehin überall präsent: Schon bei der Ankunft am Bahnhof lohnt ein Blick auf die Info-Uhr. Sie wurde 1944 von Hans Hilfiker entworfen. Seit 1986 gibt es davon auch Armbanduhren. Auch das ist sympathisch an der Schweiz: Sie weiss ihr reiches Design-Erbe zu schätzen und in die Gegenwart zu übersetzen.