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Tanja Grandits: «Basel ist meine Heimat»

Tanja Grandits zählt zu den besten Köchinnen der Schweiz – und weit darüber hinaus. In ihrem Zwei-Sterne-Restaurant «Stucki» in Basel kocht sie mit einem langjährigen Team, betreibt einen kleinen Laden und schreibt Kochbücher.

Falstaff: Sie lernten Ihr Handwerk in Deutschland, verfeinerten es in London und Südfrankreich. Vor 14 Jahren landeten Sie in Basel. Wie kam es dazu?
Tanja Grandits: Das war Zufall. Das Restaurant «Stucki» war zur Pacht ausgeschrieben und wir waren damals im Thurgau tätig. Ich wollte schon immer in eine Stadt, habe aber gar nie an Basel gedacht. Mittlerweile bin ich jedoch extrem froh hier zu sein. Es gibt wenige Orte, die so perfekt sind, um ein Restaurant zu führen.

Warum?
Das liegt an den Baslerinnen und Baslern. Sie sind ganz tolle Gäste, extrem offen, wahnsinnig loyal, lassen sich auf alles ein und kommen immer wieder. Die Basler sind echte Geniesser. Es ist in in dieser Stadt wichtig, dass man gut isst und sich auch mal verwöhnen lässt. Und das mit viel Stil und nicht etwa protzig. Mir entspricht das Offene, Natürliche und Neugierige sehr und so erlebe ich meine Gäste. Mir bereitet das grosse Freude.

War das schon vor 14 Jahren so, als Sie das «Stucki» frisch übernommen haben?
Das Haus hatte mit der Schweizer Kochlegende Hans Stucki ja bereits eine grosse Geschichte. Ich muss gestehen, dass ich das «Stucki» relativ blauäugig übernommen habe und mir vorab nicht viele Gedanken gemacht habe über die Geschichte oder die Tradition des Hauses. Ich fand alles von Anfang an so toll hier, dass ich nie daran gezweifelt habe, dass es ein grosser Erfolg wird. Die Energie in dem Haus ist super. Und dann habe ich einfach gemacht. Ich glaube es war gut, dass ich einfach drauf los ging.

Sie haben sich in Ihrem «Stucki» zu einer der besten Köchinnen der Schweiz entwickelt, wie hat sich die Stadt Basel in der Zeit verändert?
Die Stadt entwickelt sich natürlich stetig weiter, aber in einem gemächlichen Tempo. Es ist ein Wandel in der Beständigkeit. Das ist auch bei uns so. Alle wichtigen Leute in meinem Restaurant sind von Beginn an dabei. Wir machen immer wieder Neues aber wir haben unsere Basis. Ein sehr gesundes Fundament. Erschüttern kann man uns nicht so leicht – trotzdem sind wir offen und neugierig.

Für den Charity-Anlass «Chefs for Peace» im Rahmen des Fussballspiels FC Basel gegen FC Dynamo Kyiv Anfang Mai haben Sie innert weniger Tage einige hochkarätige Basler Kollegen zusammengetrommelt – es war der erste Anlass dieser Art in Basel. Das würde auch nicht überall funktionieren.
Ja, da war wirklich toll. Es war sehr kurzfristig: Ich habe meine Kollegen knappe drei Wochen vor dem Anlass angerufen. Alle von ihnen haben sofort zugesagt. Und auch die Gäste kamen zahlreich, es war ein sehr schönes Erlebnis.

Haben Sie diese Reaktion so nicht erwartet?
Doch, ich gehe immer vom Besten aus. Ich zweifle nicht an dem, was ich mache. Wenn man eine Idee hat, muss man sie umsetzen. Einfach machen. Wenn man sich bei einer Idee fragt, ob sie gut ist, sollte man es besser lassen, denn dann ist sie wahrscheinlich keine gute Idee.

«Ich gehe immer vom Besten aus. Ich zweifle nicht an dem, was ich mache. Wenn man eine Idee hat, muss man sie umsetzen. Einfach machen.»

Die Basler Gastroszene hat in den letzten Jahren einige hochkarätige Neuzugänge bekommen. Wie ist der Austausch untereinander in der täglichen Arbeit?
Untereinander haben wir Gastronomen oft weniger Kontakt, als wir uns wünschen. Wir haben fast alle dieselben Öffnungszeiten und Spitzen, was es teilweise schwierig macht, sich gegenseitig zu besuchen. Da sind Anlässe wie der Charity-Event, die Genusswoche und die Bemühungen der Genussstadt perfekt, um gemeinsam Dinge zu tun. Ich freue mich immer sehr, noch mehr und auch neue Kontakte zu knüpfen. Es ist für mich immer eine Bereicherung mit Kollegen gemeinsam etwas zu machen.

Was Sie mit ihren Kollegen teilen, ist der Standort Basel, eine Stadt am Rhein im Dreiländereck. Inwiefern prägt Sie die spezielle Lage Basels in Ihrer Arbeit?
Das ist tatsächlich ein grosser Einfluss. Wir können hier im Dreiländereck auf zahlreiche Dinge zurückgreifen, die direkt hinter der Grenze zu finden sind. Beim Käse beispielsweise arbeiten wir mit einem Affineur aus dem Elsass. Natürlich haben wir in der Schweiz auch tollen Käse und auch diesen bieten wir an, doch es ist schön, dass unser Affineur aus Frankreich einfach schnell vorbeikommen kann. Allgemein schätze ich unsere Region als erstklassig ein, was die landwirtschaftlichen Produkte betrifft. Es gibt eine Fülle von Erstklassigem hier. Wir haben besten Wein, unglaubliches Fleisch und so tolles Gemüse. Aber auch Produkte wie erstklassige Nussöle, die viele bei uns gar nicht kennen und sogar in der Spitzenküche in Kopenhagen Verwendung finden.

Sie selbst stammen aber von der anderen Seite der Grenze, aus Deutschland. Welche Rolle spielt für sie persönlich die nahe Grenze?
Ich nehme sie nicht wahr. Ich bin gebürtige Deutsche, aber auch halb Österreicherin. Ich habe jetzt nach 22 Jahren einen Antrag auf den Schweizer Pass gestellt. Ich habe alle Nationen, die Deutsch sprechen, in mir. Darum sind Grenzen für mich nicht so wichtig, genauso wie die Nationalität einer Person nicht wichtig für mich ist. Ich fühle mich hier sehr wohl. Basel ist meine Heimat geworden. Und auch die Heimat von meiner Tochter Emma, sie wird im August 17 Jahre alt.

Was hat ihre Heimat Basel denn zu bieten? Es scheint, als sei die Lebensqualität hier besonders hoch.
Was diese Stadt bietet, ist immens. Die ganze kulturelle Vielfalt etwa. Wir haben hier beispielsweise die besten Museen der Schweiz. Auch sonst kann man hier alles machen, jede Freizeitaktivität, die es überhaupt gibt. Gerade wenn die Freizeit so beschränkt ist wie in unserem Beruf, ist das natürlich schon herrlich.

«Es gibt eine Fülle von Erstklassigem Hier. Wir haben besten Wein, unglaubliches Fleisch und so tolles Gemüse.»

Viele ihrer Mitarbeiter begleiten Sie schon viele Jahre, einige sind gar seit dem Anfang dabei. Steckt dahinter ein Geheimnis?
Das «Stucki» ist ein spezieller Ort. Wir schaffen eine Atmosphäre, in der man sich wohlfühlt. Als Gast, aber auch als Mitarbeiter. Morgens während der Mise-en-Place wird gelacht, wir hören Musik. Jeder ist natürlich konzentriert und fokussiert. Wir geniessen es miteinander Zeit zu verbringen. Man muss das als Chefin auch vorleben. Ich habe mittlerweile 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und möchte zeigen, dass es auch leicht sein kann, ohne Druck. Man arbeitet besser, wenn man entspannt ist. Und man kann besser kochen oder servieren, wenn die Atmosphäre stimmt.

Und warum bleiben die Leute so lange bei Ihnen?
Ich glaube als Chefin ist es wichtig, dass man sein eigenes Ding macht. Dann kann man die Leute commiten und sie bleiben dann auch. Wenn man einfach irgendetwas macht, geht das nicht. Ich glaube das ist etwas, was man als Chef nie unterschätzen darf.

Ihre Küche ist einzigartig und hat eine starke Handschrift. Ein Gourmet erkennt Ihre Teller ohne sie zu kosten – nur schon der Farben wegen. Sie sagten über diese Einschränkung, die Sie sich selbst auferlegen, dass sie ihre Kreativität beflügelt.
Ja, diese Beschränkung ist wohltuend und macht kreativ.

«Reduktion und Klarheit sind für mich in all meinem Schaffen zentral. Das ist das, was einem Kraft und Stärke gibt.»

Ist das etwas, was für Sie auch in anderen Lebensbereichen wichtig ist? Diese Reduktion?
Reduktion und Klarheit sind für mich in all meinem Schaffen zentral. Das ist das, was einem Kraft und Stärke gibt. Man muss wissen, was man will und sich nicht in 1000 Dingen verlieren. Reduktion und Klarheit sind wirklich wichtig, genauso wie Offenheit oder Neugierde natürlich.

Diese Klarheit kommt auch bei Ihren Kochbüchern zum Ausdruck. Als Buchautorin haben sie eine ganz andere Rolle als im Restaurant. Sie müssen den Lesern Dinge an die Hand geben, die sie zu Hause umsetzen können.
Ja, das ist wirklich etwas anderes, als für sie zu kochen. Ich habe bis jetzt sieben Kochbücher herausgebracht. Mein letztes Buch – Tanja vegetarisch – war unglaublich erfolgreich. Bis heute wurden mehr als 40 000 Exemplare davon verkauft. Es erschien wohl genau zum richtigen Zeitpunkt, während der Pandemie. Ich habe selbst gemerkt, wie die Leute ihr Bewusstsein verändert haben in dieser Zeit. Seit dem Lockdown und dem Buch verkaufen wir viel mehr vegetarische Menus. Die Kochbücher sind auch ein Marketingtool fürs Restaurant.

Plant-based ist der Trend der Stunde. Sie haben einige Kollegen, die ganz umgestellt haben und keine tierischen Produkte mehr servieren. Wäre das für Sie auch denkbar?
Nein, im Moment nicht. Wir bieten beides an. Nach wie vor glaube ich, dass meine Gäste die Option erwarten, Fleisch essen zu können. Ich finde es auch schön, gute und vertretbare Produkte in der Region zu finden und diese meinen Gästen anzubieten. Ich und meine Tochter essen daheim, privat, immer vegetarisch. Wenn ich einen Kochkollegen besuche und der macht ein tolles Menu mit Fisch oder Fleisch, dann esse ich das und geniesse
das, weil ich weiss, dass die Produkte von bester Herkunft und gut zubereitet sind. Ich habe viele Gäste, die das auch so machen. Sie gönnen sich bei uns dann einen Fisch- oder Fleischgang. Wir machen daraus gemeinsam etwas Besonderes. Und das ist schön.

In ihrem Laden bieten Sie auch Produkte für die heimische Küche an. Um diesen zu besuchen, muss man nicht mal die Treppenstufen zum Restauranteingang hochsteigen.
Genau, da ist die Schwellenangst klein. Während des Lockdowns haben wir im Laden Take-away angeboten. Die Köche haben oben gekocht und das Servicepersonal war unten im Laden. Das hat eine noch stärkere Verbindung mit den Leuten aus dem Quartier und der Stadt geknüpft. Die Leute waren teilweise jeden Tag im Laden, obwohl sie unser Restaurant zuvor noch nie besucht hatten. Als wir wieder öffnen durften, sind sie dann teilweise wirklich gekommen. Das ist wunderschön.


Erschienen in
Basel Spezial 2022

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
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