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Ährensache: Wie Wiens innovative Bäckereien das Brot weiterentwickeln

Alte Getreidesorten, recyceltes Brot, Langzeitführung mit Sauerteig: Nachhaltigkeit wird bei den Bäckerinnen und Bäckern der Stadt großgeschrieben. Kleine Boulangerien wie Großbäckereien investieren damit nicht nur in die Umwelt, sondern auch in die Bekömmlichkeit ihrer Backwaren.

Als Julian Lubinger seine »Organic Small Batch Bakery Ährnst« im Sommer 2023 offiziell in der Wiener Burggasse eröff­nete, waren die Öffnungszeiten noch klar geregelt. Schon nach kurzer Zeit wurde aus »8 bis 12 Uhr« allerdings »8 Uhr till sold out«. Lubingers Croissants und anderes fein­splittriges Plundergebäck sind schon jetzt Kult – und oft innerhalb von zwei Stunden ausverkauft. Was seine Kreationen von anderen unterscheidet, ist vor allem anderen die Herstellung: Statt wie üblich mit einem Germteig arbeitet Lubinger mit Sauerteig, den er bis zu vier Tage gehen lässt und erst gegen Ende aus geschmacklichen Gründen mit Germ versetzt. Seine Croissants gibt es klassisch plain, mit Schokoladen-, Vanille-, Zitronen- oder Pistaziencremefüllung, als Danish Pastry mit Früchten belegt oder als herzhaftes Laugencroissant mit Eiersalat.

Für einen Hype sorgte einst auch das Bio-Feierabend-Wiederbrot der Bäckerei Ströck. Ursprünglich hätte das Brot, das zu einem Teil aus dem Bio-Roggen-Pur-Brot vom Vortag besteht, exklusiv in den »Ströck-Feierabend«-Filialen angeboten werden sollen. Die hohe Nachfrage sorgte schließlich dafür, dass das Wiederbrot mittlerweile in allen Filialen erhältlich ist. Zur Herstellung wird das alte Brot im Backofen knusprig getoastet, anschließend fein gemahlen und mit Wasser vermischt. Dazu kommen Sauerteig und Mehl. Die Idee dazu übernahm Ströck von der Londoner »Gail’s Bakery«, die mit ihrem »Waste-less Sourdough« ebenfalls erfolgreich ist. Übrig gebliebene Backwaren, die bei Ströck in der Regel rund zehn Prozent der Produktion ausmachen, wurden bisher als Tierfutter benutzt. Mit dem Wiederbrot aber ist es gelungen, das wertvolle Lebensmittel Brot effizienter zu nutzen und gleichzeitig ein neues, geschmacklich überzeugendes Produkt zu kreieren.

Öfferl bäckt in Niederösterreich, verkauft seine Brote aber auch in der Bundeshauptstadt.
© Öfferl
Öfferl bäckt in Niederösterreich, verkauft seine Brote aber auch in der Bundeshauptstadt.

Eine zweite Chance bekommt auch das Brot der Bäckerei »Felzl«. Produkte, die tagsüber nicht verkauft werden, wandern jeden Abend nach Ladenschluss in die Brot­automaten in der Schottenfeldgasse, ­Kaiserstraße und Währinger Straße, wo sie zu einem günstigeren Preis verkauft werden. Die Automaten sind Teil des Zero-Waste-Projekts »I love Brot«, bei dem es um die Vermeidung von Lebensmittelabfällen bei den Konsumenten, im Handel und in der Produktion geht, und zu dem auch die »Felzolini Brotchips« gehören, die nur durch die Ofenrestwärme geröstet werden.

Zurück in die Zukunft

Im Grunde war und ist das klassische Bäckerhandwerk nachhaltig. Wer mit Leidenschaft ans Werk geht, pflegt in der Regel enge Beziehungen zu seinen Lieferanten, achtet auf einen respektvollen Umgang mit seinen Rohstoffen und Mitarbeitern und versucht Brotabfälle zu reduzieren oder überhaupt zu vermeiden.

Dank Wegbereitern wie Helmut Gragger, Joseph Weghaupt oder Georg Öfferl, aber auch durch Jungbäcker beziehungsweise Unternehmer wie Julian Lubinger (»Ährnst«) und Peter Ostendorf ­(»mel&koffie«) werden Brote auch heute wieder öfter aus alten Getreidesorten gebacken, kommen ohne Hilfsmittel und Zusatzstoffe aus und bekommen eine längere Teigreifezeit über mehrere Tage, wodurch sie in der ­Folge ­bekömmlicher sind. Darüber hinaus machen sie ihr Vorgehen transparent: Sie gewähren ihren Kunden Einblicke in ihr Handwerk, indem sie ihre Bäckereien bewusst offen konzipieren, zu Führungen in die Produktion einladen oder Partnerbetriebe auf ihren Websites vorstellen oder deren Produkte in ihren Filialen mitverkaufen.

Die Brote von Motto Brot beinhalten nur Bio-Zutaten – es zahlt sich aus, sich durch das Sortiment zu kosten.
© Oliver Jiszda
Die Brote von Motto Brot beinhalten nur Bio-Zutaten – es zahlt sich aus, sich durch das Sortiment zu kosten.

Auch Großbäckereien haben den Nachhaltigkeitsgedanken mittlerweile verinnerlicht – oder nie abgelegt. In der Bäckerei Felber legt man auch 60 Jahre nach der Gründung Wert auf traditionelle Backmethoden und beste Zutaten wie 100 Prozent Mehl und Getreide aus Österreich. Durch den konsequenten Umbau der Bäckerei ist man außerdem auf einem guten Weg, zu einem CO2- neutralem Unternehmen zu werden. Und auch »Der Mann« steht seit über 160 Jahren für einen sorgsamen Umgang mit Rohstoffen. Übrig gebliebene Produkte werden seit vielen Jahrzehnten an Sozialeinrichtungen gespendet oder kommen der Tierfutterproduktion zugute. Der CO2-neutrale Strom stammt zu 100 Prozent aus europäischer Wasserkraft. 2021 erhielt »Der Mann« die Auszeichnung »Nachhaltiges Unternehmen Österreichs«. Der Blick in eine nachhaltige Zukunft der Backstuben ist schon jetzt vielversprechend.

Erschienen in
Falstaff Wien Special

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Sonja Planeta
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