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Alles knackt, was knacken soll

Mit dem Bingo Bistro weht plötzlich ein weltmännischer Hauch durch München. Aber zum Glück bleibt trotzdem alles bayrisch regional mit französischem Akzent. Ein Besuch.

»Berlin ist nicht Hamburg, Berlin ist nicht Frankfurt«, hat Bushido mal gerappt. Nach einem Besuch im »Bingo Bistro« im Glockenbachviertel möchte man anfügen: Berlin ist aber München. Gemessen an der zwar klischeehaften, vielerorts aber leider tatsächlichen Schnöselhaftigkeit dieser Stadt, ist es sehr erfrischend, auf der orangen Bank im kleinen Laden zu sitzen, die unverputzte Wand, die unverhohlene Freundlichkeit der Kellner und die etwas unsinnige Katzenuhr anzustarren. Dann nimmt man einen Schluck Wein und denkt sich: Aha, sowas funktioniert hier also auch – wenn man sich nur traut.  

Wer in den vergangenen Monaten im Digital-Detox war, dem ist möglicherweise entgangen, dass München einen neuen Szeneladen hat. Aber sonst waren die Bilder wirklich überall bei Social Media. Der riesige Salatkopf auf dem Teller, das Rinder- oder Saiblingstarar, die volltätowierten Kellner und Köche. Interessant zu beobachten, wie innerhalb kürzester Zeit alle Gourmets der Stadt, wussten, dass man unbedingt mal wieder im Glockenbachviertel vorbei muss. Und das ganz ohne Kampagne. Einfach nur, weil sogenannte User nicht die Klappe darüber halten konnten, wie gut das Essen hier sei. 

 

 

Auf der Karte sammeln sich vor allem französische Weine, deren Namen die Kellner fast ohne Probleme runterrattern. Sonst gibt es Bier, Crémant und Champagner. Das alles ist schön einfach gehalten und falls man ab und an mit »accent aigu« und »accent grave« durcheinander kommt, weiß der Service weiter und empfiehlt etwas.  

Die Vorspeisen kommen im Sharing-Stil und natürlich muss man den Salatkopf mit Wienerdressing und Croutons bestellen. Tatsächlich: Er schmeckt nach Salat. Aber irgendwie auch nach mehr. Wahrscheinlich, weil man beim Essen richtig Respekt vor dem Selbstbewusstsein der Besitzer bekommt, das Ding auf die Karte zu setzen. Das ist »bold«, wie man im Agenturenreich München gerne sagt. Außerdem gibt es sauer eingelegtes Gemüse: Fenchel, Kohlrabi, Gurke. Dazu Sauerteigbrot und hausgemachte Butter 

Eine Bereicherung für München

Alle paar Minuten kommen junge Leute mit bunten Kappen rein, auf denen freche Sprüche stehen wie »I don’t work here« oder »Te quiero«. Das passt zum urbanen Vibe, bei dem es ja auch eh darum geht, zu verschleiern, wo man sich gerade befindet, weil man das ja als Jetlag geschädigter Kosmopolit meist selbst nicht so genau weiß. Kurz ist man geneigt, auf Englisch zu bestellen, aber einem fällt die Vokabel für Saibling nicht mehr ein, also lässt man es.  

Der Saibling liegt schön rosa wie der Abendhimmel über München auf knackigen, grünen Erbsen und frischen Tomaten. Das Gericht ist lauwarm, der Fisch schön kühl, das schmeckt alles ganz herrlich sommerlich. Bei dem Gang wird einem geradezu in den Schnauzer gedrückt, wie frisch die Zutaten sind: Das Gemüse vom Viktualienmarkt, der Fisch aus dem Starnbergersee, na ja, der Wein zwar aus Frankreich, aber gerade kam er aus dem Kühlschrank. Alles knackig, was knacken soll und weich, was weich sein soll. 

Nach dem Essen kommt ein Espresso, auf dem Löffelchen liegt ein karamellisiertes Popcorn. Und das fasst das »Bingo Bistro« ganz gut zusammen. Es ist ein Laden, der ein bisschen knallig ist, ein bisschen hip, aber in seiner Detailverliebtheit vor allem süß. Eine Bereicherung für München. 


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Moritz Hackl
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