Der Ort Oberbergen und seine Weinberge liegen mitten im einstigen Vulkankrater des Kaiserstuhls.

Der Ort Oberbergen und seine Weinberge liegen mitten im einstigen Vulkankrater des Kaiserstuhls.
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Deutschlands Weinbaugebiete: Baden

Kein anderes deutsches Anbaugebiet ist räumlich so ausgedehnt wie Baden. Auf einer Strecke von 300 Kilometern finden sich die unterschiedlichsten örtlichen Traditionen. Eine Gemeinsamkeit haben die Weine aus dem ehemaligen Großherzogtum jedoch alle: Sie eignen sich hervorragend für die Speisenbegleitung.

Am 23. Juli 1783 vollzog sich im Großherzogtum Baden ein politischer Wandel. Anders als in den Jahren zuvor in Frankreich ging die Revolution jedoch vom Monarchen selbst aus. Denn Markgraf Karl Friedrich von Baden bestimmte per Dekret, dass alle Leibeigenschaft aufgehoben sei. Damit folgte Karl Friedrich dem Vorbild Kaiser Josephs II., der zwei Jahre zuvor das Gleiche für Habsburg bestimmt hatte. Wie weit die beiden Monarchen ihrer Zeit voraus waren, zeigt ein Blick auf andere Jahreszahlen: In Preußen wurden vererbliche Abhängigkeitsverhältnisse im Jahr 1807 abgeschafft, in Bayern 1808, in Hessen 1811, in Württemberg 1817, in Mecklenburg 1822 und in Hannover 1833.

Die Ausdehnung des heutigen Weinbaugebiets »Baden« hat seine Wurzeln in derselben Zeit: Denn das Haus Baden suchte unter Karl Friedrich in geschickter Diplomatie – und offenbar auch mithilfe  bedeutender materieller Zuwendungen – die Nähe des napoleonischen Frankreichs. Napoleon belohnte die Treue des Verbündeten nicht nur, indem er den Markgrafen den Titel »Großherzog« verlieh; Baden konnte in der Nachfolge der Säkularisation auch auf erhebliche Weise Land zugewinnen: Das Territorium soll sich damals versiebenfacht haben. So kamen etwa das Breisgau mit Freiburg, die Ortenau und Konstanz unter badische Herrschaft. Da sich Karl Friedrich nach der Völkerschlacht bei Leipzig gerade noch rechtzeitig auf die Seite Österreichs, Preußens und Russlands stellte, ließen sich die Gebietsgewinne auch langfristig und über den Wiener Kongress hinaus bewahren.

Die nach Entwürfen von Balthasar Neumann erbaute Wallfahrtskirche Birnau  ist von 110 Hektar Reben umgeben.
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Die nach Entwürfen von Balthasar Neumann erbaute Wallfahrtskirche Birnau ist von 110 Hektar Reben umgeben.

Das südliche Drittel

So kommt es, dass sich das Anbaugebiet »Baden« heute über eine Länge von rund 300 Kilometern zieht und dabei Bereiche vereint, die weinbaulich auf den ersten Blick nur wenig miteinander gemein haben. Beginnen wir ganz im Süden und folgen dann dem Lauf des Rheins: Am Bodensee liegen alle Weinberge oberhalb von 400 Metern Meereshöhe, in der frischen Seeluft gedeihen Müller-Thurgau und durch die Erderwärmung zunehmend auch Burgunder ausgezeichnet. Auf den Bereich Bodensee, dessen Definition auch den Hochrhein einschließt, folgt das Markgräflerland, das vom Rheinknie bei Basel bis vor die Tore der Stadt Freiburg reicht. Seinen Namen trägt das Gebiet, weil die meisten Ortschaften hier seit Alters her zur Markgrafschaft Baden statt zu Vorderösterreich (und also zum Habsburgerreich) gehörten. Markgraf Karl Friedrich erwies sich auch hier als Wohltäter, denn er ließ Gutedel-Reiser aus Vevey am Genfersee ins Land bringen und reformierte so den Weinbau. Noch heute nennen die Markgräfler den Gutedel »Viviser«, flächenmäßig ist er nach wie vor die wichtigste Sorte. 

Ans Markgräflerland schließt sich in nördlicher Richtung der Breisgau an, dieses Anbaugebiet umfasst neben einem Teil der Stadt Freiburg zum Beispiel auch das bereits in den Schwarzwald überleitende Glottertal sowie die zwischen Schwarzwaldrand und Rheingraben gelegenen Weinberge von Orten wie Malterdingen oder Lahr. Der Breisgau wird auf Kalkböden von Burgundersorten dominiert. Westlich der Stadt Freiburg – und teils in diese eingemeindet – bildet der Tuniberg einen rebenbewachsenen, vor allem für seine fruchtbaren Lössböden bekannten Höhenzug. Auch hier dominieren die Burgunder, die oft als süffige Sortentypen ins Glas kommen. Wo unter dem Löss Kalkstein liegt, können die Weine aber auch beträchtliche Eleganz und Tiefe erlangen. 

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Badens weinbauliches Herz

Nördlich des Tunibergs und im Nordwesten der Stadt Freiburg erhebt sich der erloschene Vulkan Kaiserstuhl aus der Rheinebene. Der Kaiserstuhl wird von den Geografen – trotz seiner eher bescheidenen Maße von etwa 16x12 Kilometern – als Mittelgebirge klassifiziert. Sein höchster Punkt misst 557 Meter, die Reben stehen bis in Höhen von 200 bis auf etwa 420 Metern. Durch das Dreigespann aus Vulkanverwitterungsböden, warmem Klima und einer fast vollständigen Fokussierung des Wirtschaftslebens auf den Weinbau kann der Kaiserstuhl als das beispielhafte Anbaugebiet innerhalb Badens gelten, ganz sicher ist der Vulkankegel auch überregional die bekannteste badische Herkunft. Im Kaiserstuhl haben die Burgundersorten ihre Hochburg – der Grauburgunder erlangt wohl sogar nirgendwo anders einen so individuellen, Terroir-affinen Ausdruck wie in den Spitzenlagen der Kaiserstuhl-Gemeinden Ihringen, Achkarren, Oberrotweil, Burkheim oder Oberbergen.

Springen wir zurück in den Breisgau, so schließt sich an diesen in nördlicher Richtung die Ortenau an. In der Ortenau ist allenthalben der Übergang des Schwarzwalds in den Rheingraben das Thema von Geologie und Weinbergsrelief, die Böden sind fast ausnahmslos aus dem kristallinen Grundgebirge des Schwarzwalds entstanden, aus Granit, seltener aus Gneis. Rund um Offenburg sind Weinbaugemeinden wie Durbach, Ortenberg oder Oberkirch berühmt, rund um Baden-Baden Neuweier, Umweg und Varnhalt, zwischen diesen beiden Oberzentren gibt es bei Kappelrodeck, Sasbachwalden und Bühl berühmte Weinbautäler, die sich vor allem dem Spätburgunder verschrieben haben. In Durbach sowie im Baden-Badener Rebland befinden sich zudem einige der rar gesäten Riesling-Hochburgen Badens.

Lese im Weingut Höfflin in Bötzingen: Matthias und Julius Höfflin begutachten den Reifezustand der Trauben.
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Lese im Weingut Höfflin in Bötzingen: Matthias und Julius Höfflin begutachten den Reifezustand der Trauben.

IM NORDEN UND NORDOSTEN

In nördlicher und östlicher Richtung schließt sich an die Ortenau der Kraichgau an, der als Einsenkung zwischen Schwarzwald und Odenwald von milden Hügeln und häufig durch Boden aus der Zeit des Keupers gekennzeichnet ist. Der Kraichgau war früher eine Hochburg des Auxerrois, heute besitzt diese Sorte jedoch nur noch geringen Stellenwert. Burgundersorten und Riesling dominieren den Weinbau, und je weiter man nach Osten und an Strom- und Heuchelberg kommt (die die Grenze zu Württemberg markieren), desto häufiger trifft man auch bereits den Lemberger (Blaufränkisch) an.

Rund um die Stadt Heidelberg erstreckt sich die Badische Bergstraße, die allerdings – anders als der Name nahelegt – nicht die bergigsten oder höchstgelegenen Weinberge Badens umfasst. In Höhen zwischen 120 und 250 Metern und auf Böden aus Kalk oder Buntsandstein fühlen sich vor allem Burgundersorten wohl.

Etwas separiert vom badischen Weinbau-Kernland, das sich die Rheinebene entlang zieht, liegt Tauberfranken ganz im Nordosten Badens. In der Umgebung der Orte Wertheim und Beckstein wachsen in Höhenlagen bis zu 350 Metern Wein-Originale heran, die ihrer geografischen Position am Schnittpunkt Frankens, Württembergs und Badens mit weinkultureller Vielfalt Ausdruck verleihen: Es gibt herausragend guten Müller-Thurgau, mineralischen Silvaner, bemerkenswert hochwertigen Schwarzriesling, und auch Chardonnay und Spätburgunder fühlen sich auf den Muschelkalkböden der Region äußerst wohl.

Julian Huber fokussiert ganz und gar auf Chardonnay und Spätburgudner – und schreibt die Erfolgsgeschichte seines Vaters Bernhard fort.
© Felix Groteloh
Julian Huber fokussiert ganz und gar auf Chardonnay und Spätburgudner – und schreibt die Erfolgsgeschichte seines Vaters Bernhard fort.

Gibt es »den« badischen Wein?

Sucht man nach der Schnittmenge an Eigenschaften, die allen badischen Weinbaugebieten und ihren Weinen gemein sind, dann fallen trotz aller Unterschiede auch einige Gemeinsamkeiten ins Auge: Erstens ist Baden – und durch die Erderwärmung hat diese Aussage auch für Bodensee und Taubertal Berechtigung – ein eher warmes Anbaugebiet. Zweitens besitzen die Burgundersorten hier Heimrecht. Drittens zeigt sich der Einfluss des nahen Frankreichs nicht nur an der Sortenwahl, sondern auch im Kulinarischen. Die meisten badischen Weine sind als Speisenbegleiter gedacht. Vielleicht zeichnet es Baden am meisten aus, dass die enorme Vielfalt, die durch die weitblickende Politik Karl Friedrichs entstanden ist, doch einen roten Faden besitzt – und diesen vor allem im genussfreudigen Lebensgefühl.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2023

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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