Massimo Bottura und Lara Gilmore eröffnen das »Al Gatto Verde«.

Massimo Bottura und Lara Gilmore eröffnen das »Al Gatto Verde«.
© Lido Vannucchi

»Al Gatto Verde«: Massimo Bottura eröffnet neues Restaurant in der Casa Maria Luigia

»Es wird eines der nachhaltigsten Restaurants der Welt werden«, verrät der Spitzenkoch im Gespräch mit Falstaff. Im Mittelpunkt steht eine neue Form des Grillens, das »NOT BBQ«.

Massimo Bottura eröffnet am 20. September 2023 sein neues Restaurant und setzt damit die weltweite Fine-Dining-Sphäre in Aufruhr,  denn »Al Gatto Verde«, »Die grüne Katze«, ist Botturas großer Vorstoß in die nachhaltige Gastronomie. Im Gucci-Design gestylt, mit vielen grünen nachhaltigen Details, wie es der Name verrät, haben Bottura und seine Frau Lara Gilmore einen weiteren Hotspot im vielseitigen Bottura -Universum geschaffen. »Es wird eines der nachhaltigsten Restaurants der Welt werden, sowohl technisch als auch in den Köpfen der Menschen«, so der kunstaffine Star-Gastronom im Falstaff-Interview in der Casa Maria Luigia. Reservierungen sind bereits möglich.

NOT BBQ

Das Restaurant befindet sich im Innenhof der Acetaia Maria Luigia, die im vergangenen Jahr mit 1.400 traditionellen Balsamico-Essigfässern aus den Jahren 1910 bis 1980 liebevoll restauriert wurde.

Das Leben in der Küche dreht sich um den Holzofen, ähnlich dem, der in der Casa Maria Luigia für die Zubereitung des Frühstücks verwendet wird, führt Bottura aus. Die Herausforderung bestehe darin, das Feuer und alles, was damit zusammenhängt - Hitze, Rauch, Grillen - mit den besten italienischen, handwerklichen Zutaten zu veredeln. Die Küche sei daher mit einem handwerklichen Universo-Grill aus der Toskana und einem Holzofen aus Modena ausgestattet. »Unsere Restaurant-Leiterin in der Casa Maria Luigia, Jessica Rosval, hat uns eigentlich auf die Idee gebracht«, holt Bottura gegenüber Falstaff weiter aus. »Sie hat jeden Sonntag für uns gegrillt. Ganz nach kanadischer Art, denn sie ist Kanadierin. Auf der ganzen Welt wird gerne Fleisch gegrillt. Die erfolgreichsten Restaurants, wie das Etxebarri, Elkano, Burn Hands, Fire Door. Sie alle grillen, wissen Sie. Aber das, was wir hier machen, ist mehr als Grillen. Das ist der Girarrosto, der klassische toskanische Stil. Und so haben wir nicht lange gewartet und uns entschieden, das Al Gatto Verde zu realisieren.«

Das Team

An der Seite von Küchenchefin Jessica Rosval steht Sous-Chef Alessia Belladonna, die seit 2021 zum Küchenteam gehört. Der Service wird von Maria Cristina Messori geleitet, die zuvor Maître im Roots Social Restaurant war, wo Chef Rosval auch kulinarische Leiterin ist. Das Team wird durch Maître Denis Bretta, der seit 2020 zur Francescana-Familie gehört, und Sommelier Valentina Bardini, die zuvor im Casa Maria Luigia tätig war, komplettiert.

»Wenn die Katze grün wird, kann alles passieren«

In Botturas Welt ist Tradition keine Zwangsjacke, sondern ein Sprungbrett für Innovationen. Seine Ehrfurcht vor der Vergangenheit prägt seinen kühnen Ansatz für die Gegenwart. Er verwebt nahtlos Altes und Neues und kreiert Gerichte, die sowohl evokativ als auch bahnbrechend sind.

»Wenn die Katze grün wird, kann alles passieren. Der Rauch steigt auf und der Wind rauscht. Die goldenen Blätter der großen Eiche werden fallen Holz und Asche knistern, Flammen und Glut flackern. Feuer. Feuer. Feuer. Überall. Nimm mich mit, wie ich durch die Rauchringe meines Geistes verschwinde, vorbei am Tamburinmann und der alten Frau mit dem Schuh. Dann nimm mich mit zu Peter, dem Kaninchen, und Jeremias, dem Ochsenfrosch. Kreaturen, groß und klein, leckt euch immer wieder die Fingerspitzen! Wonach schmeckt das, wenn nicht nach dem Grinsen einer grünen Katze?«, so Bottura über seine Neueröffnung.

Im Rampenlicht

Mit seinem Restaurant »Osteria Francescana« in der malerischen italienischen Stadt Modena steht Bottura seit Jahren im Rampenlicht und bietet Gästen eine kulinarische Reise, die die Grenzen der traditionellen italienischen Küche überschreitet. Seine avantgardistische Herangehensweise an die Kochkunst hat ihm internationale Anerkennung eingebracht, darunter drei Michelin-Sterne und den prestigeträchtigen Titel »World's Best Restaurant« im Jahr 2016 und 2018. Bottura gehört mit Fug und Recht zu den meistgefeierten Persönlichkeiten in der Gastrowelt. »Es gibt sogar einige Leute, die an einem Tag ein Mittagessen in der Francescana und ein Abendessen in Maria Luigia buchen. Bei uns ist alles verbunden«, so Bottura.

Doch was Massimo Bottura über alles auszeichnet, ist sein unerschütterliches Engagement für Nachhaltigkeit und die Bewahrung der altehrwürdigen Rezepte seiner Heimat.

Null-Müll-Toleranz

In einer Zeit, in der die Lebensmittelindustrie vor der gewaltigen Herausforderung steht, Genuss und Umweltverantwortung in Einklang zu bringen, benötigt es im kostenintensiven (und eben oft alles andere als nachhaltigen) Fine-Dining-Bereich Visionäre. Mit seinen aktuellen Restaurants verfolgt der italienische Starkoch bereits einen Zero-Waste-Ansatz und verwandelt dabei oft übersehene Zutaten in kulinarische Wunderwerke, die Gaumen betören und dabei das Gewissen beim Schmausen beruhigen. »Ich hatte diesen Traum, und ich habe ihn verwirklicht. Und jetzt sind wir bereit, dieses neue tolle Konzept zu eröffnen«, so Bottura zu Falstaff.

Von Fehlern zu Kunstwerken

Da wäre zum Beispiel sein ikonisches Gericht »Oops! I Dropped the Lemon Tart«. Diese skurrile Neuinterpretation einer klassischen Zitronentarte entstand aus einem Unfall in der Küche, als ein Konditor eine Zitronentarte fallen ließ. Anstatt den Verlust zu beklagen, sah Bottura eine Chance. Er verwandelte die heruntergefallene Torte in ein Dessert, das die Schönheit der Unvollkommenheit zelebriert. Es ist eine wunderbare Erinnerung daran, dass selbst ein Ausrutscher in der Küche zu kulinarischer Perfektion führen kann.

»Es benötigt einen Massimo, temperamentvoll und mit grenzenloser Energie und eine Lara, die schnell genug ist, um Massimo hinterherzujagen. Es braucht eine Mission, um sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Man muss furchtlos träumen, an die Zukunft glauben und den Weg ebnen für Fleiß und harte Arbeit, um zu glänzen«, so Lara Gilmore.

Botturas innovative Gerichte wie »Bread is Gold« spiegeln sein tief verwurzeltes Engagement gegen die Verschwendung von Lebensmitteln wider. Bei dieser Kreation wird überschüssiges Brot, das für den Müll bestimmt ist, in ein Highlight auf dem Teller verwandelt. Das Gericht ist eine Ode an seine Großmutter aus Brotkrumen, warmer Milch und Zucker. Dabei soll »Bread is Gold« nicht nur auf der geschmacklichen Ebene überzeugen, sondern regt Gäste dazu an, über ihre eigene Rolle bei der kritischen Herausforderung der globalen Lebensmittelverschwendung nachzudenken. Im Übrigen heißt so auch Botturas Buch, in dem er in über 150 Rezepten anschaulich zeigt, wie einfach und fein Resteverwertung sein kann. Dabei verwandelt er alltägliche Zutaten in inspirierende Gerichte, die köstlich, preiswert und leicht zuzubereiten sind.

Jede Falte ein Zeugnis

Während Botturas avantgardistische Kreationen immer wieder die Sinne verblüffen, bleibt er in der reichen kulinarischen Tradition Italiens verwurzelt. Seine Gerichte sind eine Hommage an die authentischen Aromen und Techniken, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden. Im Zeitalter der Fusionsküche und exotischer Zutaten ist seine Ehrfurcht vor der Tradition ein erfrischender Kontrapunkt.

Eines seiner  weiteren bekannten charakteristischen Gerichte, »Tortellini Walking on Broth«, ist eine Meisterklasse in nostalgischer Küche. Es ist wie das Dessert aus altem Brot eine Anspielung auf das Rezept seiner Großmutter und die Erinnerungen an seine Kindheit. Das Gericht verkörpert die Essenz der modenesischen Küche, in der jede Tortellini ein Werk der Liebe ist, jede Falte ein Zeugnis des Erbes der Region.

Holz, Bast und Stein in Grün- und Heutönen

Das Erbe der Region spielt auch beim Look des neuen Lokals eine große Rolle: Ehemalige Ställe wurden in die offene Küche und den Speisesaal des Al Gatto Verde umgewandelt, wobei Materialien wie Holz, Bast und Stein in unzähligen Grün- und Heutönen verwendet wurden, die die umliegende Landschaft widerspiegeln.

Und auch das Nicht-Thema zieht sich durch: Werke von Mike Bidlo, einem amerikanischen Konzeptkünstler, spielen mit dem Nicht-Ansatz in den Gemälden »Not Pollock«, »Not Stella« und »Not Warhol«. Multimediale Kunstwerke und Porträts von Jackson Pollock von Gregory Greenfield-Sanders rücken Themen wie Identität und Authentizität in den Fokus.

Alles über Botturas Leidenschaft für Kunst und Design sowie exklusive Video-Berichte und Behind-the-scenes-Einblicke lesen und sehen Sie ab Freitag von Herausgeberin Angelika Rosam in Falstaff LIVING.

Angelika Rosam
Angelika Rosam
Herausgeberin Falstaff Living
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