Die Bothmarhalde in Malans ist der höchstgelegene Rebberg der Bündner Herrschaft. Hier entsteht der gleichnamige Lagen-Pinot-Noir vom Weingut Weglin.

Die Bothmarhalde in Malans ist der höchstgelegene Rebberg der Bündner Herrschaft. Hier entsteht der gleichnamige Lagen-Pinot-Noir vom Weingut Weglin.
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Innovation und Renommée: Die besten Weine der östlichen Deutschschweiz

Der östliche Teil der Deutschschweiz umfasst die Kantone Graubünden und St. Gallen. Hier finden sich Pinot-Noir-Gewächse von Weltformat und zahlreiche wegweisende Winzer.

Die Weinanbaugebiete Graubünden und St. Gallen könnten nicht unterschiedlicher sein. Beide befinden sich zwar im Osten der Deutschschweiz, hinsichtlich des Renommées liegen jedoch Welten zwischen ihnen. Während die Weine aus Graubünden nicht nur hierzulande, sondern auch im Ausland einen guten Ruf geniessen, sind die Gewächse aus St. Gallen Geniessern, die nicht in der Region selbst leben, kaum ein Begriff. Dabei besitzt der Weinbau in St. Gallen eine lange Geschichte. Die Handelsrouten der Römer führten entlang des Rheintals und des Zürichsees, was den Weinbau früh in die Region brachte.

Während der Christianisierung waren es die Klöster von St. Gallen und Pfäfers, die den Rebbau förderten. Auch in Graubünden war es die Kirche, die den Rebbau vorantrieb. Sogar im Bündner Oberland und im Unterengadin wuchsen um das Jahr 800 bis zu einer Höhe von 1200 Metern Rebstöcke. Der älteste Beleg für den Rebbau im Kanton stammt aus dem Jahr 765. Zu diesem Zeitpunkt vermachte Bischof Tello von Chur dem Kloster Disentis testamentarisch einen Rebberg in der Nähe von Ilanz. Bis 1600 wurden in der Region vorwiegend weisse Sorten, hauptsächlich Elbling, kultiviert.

Der Pinot Noir, die heute unbestrittene Hauptrebsorte des Bündnerlands, soll um 1630 von jungen Söldnern, die im Burgund gedient hatten, eingeführt worden sein. Ein wegweisender Akt, denn die Sorte bringt heute in Graubünden Weine von Weltformat hervor. Aber auch in St. Gallen, wo sie ebenfalls die meistangebaute Rebsorte ist, entstehen heute Pinot-Noir-Gewächse, die sich sehen lassen können.

So etwa im Falle des Pinot Noir Halde unterhalb der Mauer vom Weingut Schmidheiny aus dem St. Galler Rheintal, das seit wenigen Jahren mit diesem Wein in der renommierten Vereinigung Mémoire des Vins Suisse vertreten ist – als einziges Weingut des Kantons. Hinter dem Weingut steckt Unternehmer Thomas Schmidheiny, Gründer des international tätigen Holcim-Konzerns, der sich in seiner zweiten Lebenshälfte den schönen Dingen des Lebens zuwendete und dem elterlichen Weingut im Rheintal neues Leben einhauchte.

Der einflussreiche Föhn

Die Rebflächen des Kantons St. Gallen verteilen sich auf vier weit auseinanderliegende Anbaugebiete, wovon das westlichste sich am Zürichsee zwischen Rapperswil-Jona und Uznach befindet. Das St. Galler Rheintal erstreckt sich vom Bodensee bis nach Sargans. Von hier aus bis nach Weesen am Walensee reicht das Weinanbaugebiet Sarganserland. Kleinstes Anbaugebiet St. Gallens ist das Fürstenland rund um die Gemeinde Wil. Das doppelt so grosse Graubünden hingegen wird in lediglich zwei Anbaubereiche unterteilt, von denen das nur 30 Hektar umfassende Misox südlich der Alpen zum Tessin gezählt wird.

Das Hauptanbaugebiet Graubündens liegt im Churer Rheintal – Herzstück ist zweifelsohne die Bündner Herrschaft, welche die Gemeinden Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans umfasst. Von hier kommen einige der besten Pinot-Noir-Gewächse der gesamten Schweiz, was nicht nur dem besonderen, vom Föhn geprägten Klima und den kalkreichen Bündner Schieferböden zuzuschreiben ist, sondern auch einer Handvoll wegweisender Winzer. Pioniere wie Martha und Daniel Gantenbein oder Thomas Donatsch blickten früh über den Tellerrand, reisten ins Burgund und liessen sich von der französischen Ausnahmeregion bei der Weinbereitung inspirieren. Beide Betriebe zählen bis heute nicht nur zu den Aushängeschildern des Bündner, sondern des gesamten Schweizer Weinbaus.

Das «Burgund der Schweiz», wie die Region gerne genannt wird, liegt etwa auf dem gleichen Breitengrad wie die besten Lagen des Burgunds, allerdings mit 500 Metern über dem Meer doppelt so hoch. Der alpine Aspekt des Bündner Terroirs tritt heute bei Weingütern wie ­Wegelin, Adank oder Obrecht immer stärker in den Fokus – um einige Beispiele zu nennen. Ihre puristischen Weine sind weniger am Vorbild Burgund orientiert, sondern klar bündnerisch und bei Weitem keine Geheimtipps mehr, wie etwa die Gewächse aus dem Kanton St. Gallen.

Winzer wie Roman Rutishauser vom Weingut am Steinig Tisch zeigen aber auch hier seit vielen Jahren, was im Kanton hinsichtlich Weinqualität möglich ist – regelmässig auch bei den Falstaff Trophies. Mit Philipp Grob aus St. Gallen findet sich zudem ein äusserst spannender Newcomer in der Region. Das Weingut des Quereinsteigers, mitten in der Stadt, existiert erst seit wenigen Jahren. Seine Rebberge bewirtschaftet er nach biodynamischen Prinzipien und verzichtet im Keller auf jegliche Intervention. Die natürlich produzierten, lebendigen Weine, die er auf die Flasche bringt, sind erfrischend anders und offenbaren eine neue Seite der Region.

Der Osten der Deutschschweiz im Überblick

Geografie

Die Hauptanbaugebiete der Ostschweiz sind St. Gallen und Graubünden. Obwohl Graubünden flächenmässig der grösste Kanton der Schweiz ist, wird hier auf lediglich 432 Hektar Rebbau betrieben. Das Gros der Bündner Reben befindet sich im Churer Rheintal, das von Bergmassiven im Rücken geschützt wird. Herzstück ist die Bündner Herrschaft mit den Gemeinden Maienfeld, Fläsch, Jenins und Malans. Die rund 215 Hektar Rebfläche des Kantons St. Gallen verteilen sich auf vier Anbaugebiete, die recht weit auseinanderliegen. Das St. Galler Rheintal zieht sich von Sargans bis hinauf zum Bodensee und umfasst mit Berneck die grösste Weinbaugemeinde des Kantons. Zwischen Sargans und Weesen am Walensee befindet sich das Anbaugebiet Sarganserland, und das west­lichste Anbaugebiet des Kantons liegt am Zürichsee zwischen Rapperswil-Jona und Uznach. Im äussersten Nordwesten des Kantons findet sich zudem mit dem Fürstenland das kleinste Anbaugebiet von St. Gallen.

Böden und Klima

Dank der umliegenden Berge ist das Klima im Churer Rheintal besonders günstig und mild. Der positive Einfluss des Föhns ist hier so stark spürbar wie kaum irgendwo sonst. Auch im St. Galler Rheintal profitiert man vom warmen Föhn, das Klima ist wie in den Anbaugebieten Graubündens relativ mild, und am Zürichsee beeinflusst der See die Anbaubedingungen. Die Böden im Churer Rheintal bestehen überwiegend aus kalkreichem Bündner Schiefer. Im St. Galler Rheintal dominieren Molasse, Nagelfluh und verwitterter Sandstein, während sich im Sarganserland hauptsächlich kalkreiche Böden finden. Die Reben am Zürichsee wachsen hauptsächlich auf Nagelfluh- und Sandsteinböden.

Traubensorten

Rote Rebsorten spielen im Osten der Deutschschweiz die Hauptrolle, vor allem die Rebsorte Pinot Noir, die in Graubünden etwa 70 % und in St. Gallen rund 60 % der Gesamtrebfläche ausmacht. In Graubünden spielen neben ihr aber auch Cabernet Sauvignon, Garanoir und Merlot eine Rolle. Letzterer ist im Kanton St. Gallen die zweitwichtigste rote Rebsorte hinsichtlich der Anbaufläche, des Weiteren werden hier auch Sorten wie Zweigelt und diverse Neuzüchtungen kultiviert. Bei den weissen Rebsorten dominiert in beiden Kantonen die Rebsorte Müller-­Thurgau, gefolgt vom Chardonnay. In Graubünden findet sich mit dem autochthonen Completer eine echte Rarität. Die alte weisse Bündner Sorte wird heute auf nur noch etwa 5,5 Hektar kultiviert.

 


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Dominik Vombach
Dominik Vombach
Chefredaktion Schweiz
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Von Andreas Caminada