© Iris Driessen

Joke Boon: Eine Kochbuchautorin ohne Geruchs- und Geschmackssinn

Die niederländische Food-Autorin Joke Boon hat in jungen Jahren den Großteil ihres Geschmacks- und Geruchssinns verloren. Im Interview mit Falstaff spricht sie über ihren Weg zur gefeierten Autorin und ihren Zugang zum Thema Essen.

Das Fehlen oder der Verlust des Geruchssinns – in der Wissenschaft als Anosmie bezeichnet – ist eine Störung des Geruchssinns. Der Geruchssinn bestimmt außerdem zu 80-90 Prozent das, was man schmeckt. So verlieren die Menschen, die unter Anosmie leiden nicht nur ihre Fähigkeit zu riechen, sondern können auch kaum noch etwas schmecken.

Nur etwa fünf Prozent der Menschen weltweit leiden darunter. Eine von diesen wenigen Menschen ist Joke Boon. Die Niederländerin leidet seit ihrem vierten Lebensjahr an einem Geruchsverlust – und somit auch fast vollständigem Geschmacksverlust. Doch daran wollte Boon nicht zerbrechen! Ursprünglich machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester und als Lehrerin für Niederländisch und Geschichte, bis sie beschloss, ihren Traum wahr werden zu lassen und Kochbuchautorin zu werden. Im Gespräch mit Falstaff erklärt sie: »Ich hatte eine Menge Fragen über Geruch, den Sinn, den ich nicht kenne. Das Buch, das ich gesuchte habe, gab es nicht, also beschloss ich, es selbst zu schreiben«. Mittlerweile hat die Niederländerin sieben Bücher veröffentlicht.

Über ihre Reise und auf welche Schwierigkeiten sie im Laufe ihres Lebens aufgrund Ihrer Beeinträchtigung stieß, aber auch welche Möglichkeiten sich deshalb aufgetan haben, hat sie Falstaff erzählt.

Falstaff: Sie haben Ihren Geruchssinn im Alter von vier Jahren verloren. Wie war es, so aufzuwachsen?

Boon: Anfangs, als ich sehr jung war, war es nicht so schlimm. Es wurde erst in der Pubertät schwierig für mich. Meine Schweißdrüsen begannen zu arbeiten, und ich konnte mich selbst nicht riechen. Von da an wurde mir bewusst, dass ich einen Teil meines Selbstvertrauens verloren hatte. Ich hatte nicht mehr das grundlegende Stück Selbstvertrauen, mit dem sich jeder vor Feuer, Gasgeruch, verdorbenem Essen und dem Geruch von Schweiß schützen kann. Ich konnte buchstäblich nicht mehr mir selbst vertrauen.

Gab es Momente in Ihrem Leben, in denen der Verlust Ihres Geruchssinns besonders herausfordernd war?

Als meine Kinder geboren wurden, hasste ich es wirklich, nicht riechen zu können. Ich konnte meine Kinder nicht riechen, konnte nicht ihren schönen Babegeruch riechen, wie ich es bei anderen Müttern sah und von denen ich so viele lyrische Geschichten hörte. Und ich konnte ihre stinkende Windel nicht riechen.

Wie hat sich der Verlust Ihres Geruchssinns auf Ihre persönliche Beziehung zum Essen ausgewirkt?

Als Kind mochte ich nicht viel: kein weißes Essen (farbloses Essen war geschmacklos), kein süßes Essen, und auch die Textur wurde wichtig: Ich wollte kein eingelegtes Gemüse essen, weil es schleimig war.

Der Verlust Ihres Geruchssinns bedeutet auch, dass Sie weniger schmecken können. Haben sich sowohl Ihr Geruchssinn als auch Ihr Geschmackssinn in den letzten Jahren verändert oder sind sie seit Ihrer Kindheit gleich geblieben?

Sie sind gleich geblieben: Ich rieche immer noch nichts und schmecke nicht viel. Aber ich habe erkannt, wie wichtig Farbe, Textur, Sehen, Fühlen und Hören beim Essen sind und es selbst zuzubereiten. Wenn man sein Essen selbst zubereitet, weiß man, was man isst, und das trägt zum Geschmackserlebnis bei.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kochbücher zu schreiben?

Ich hatte viele Fragen zum Geruchssinn, dem Sinn, den ich nicht kenne. Das Buch, das ich suchte, existierte nicht, also beschloss ich, es selbst zu schreiben. Ich kam mit Menschen in Kontakt, die wirklich alle Freude am Leben verloren hatten. Ich beschloss, ein Kochbuch für sie mit Rezepten zu schreiben, die ich wahrnehmen konnte und mochte. Als ich das aufschrieb, stellte sich heraus, dass hinter meiner Herangehensweise an Essen tatsächlich ein Denkansatz steckte: bunt, stimulierend: Senf, Ingwer, Wasabi, etc.

Wie wählen Sie Zutaten aus, wenn Sie sich nicht auf Ihren Geruchssinn verlassen können?

Ich lese viele Kochbücher, also habe ich ein Gefühl für Proportionen entwickelt. Außerdem habe ich immer meine Kinder und meinen Mann gebeten, beim Kochen zu probieren.

Welche Rolle spielt die visuelle Präsentation von Lebensmitteln für Sie?

Sehr viel, ich esse mit den Augen. Das Essen sollte schön und lecker aussehen. Ein schöner Teller, Besteck und Tischdekoration spielen auch eine Rolle in meiner Wahrnehmung.

Welchen Rat würden Sie anderen Köchen geben, die mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben, sei es der Verlust des Geruchssinns oder andere sensorische Beeinträchtigungen?

Lesen Sie mein Buch: »Erste Hilfe bei Geschmacksverlust«, vom Verlag Dumont.


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Hannah Speyer
Autor
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