Statt Austern dürfen es in Stuttgart auch mal Sardinen sein.

Statt Austern dürfen es in Stuttgart auch mal Sardinen sein.
© Matthias Ring

Sardinen und Sauvignon: Der Geschmack nach Meer und mehr

In der neuen Stuttgarter »Sardine Weinbar & Feinkost« dreht sich alles um Gewässer und Gewächse: Stattliche 250 Fischkonserven können sich sehen und zu 100 verschiedenen Weinen genießen lassen.

Lange Zeit hatte Dosenfisch in Deutschland ein ziemlich mieses Image und begegnete einem vor allem im Supermarkt als Hering in Tomatensauce oder Thunfisch in Öl. Vor einigen Jahren aber ist ein regelrechter Hype um verschieden eingelegte Sardinen entstanden. Der Gourmettrend ist aus maritimen Ursprungsländern wie Frankreich, Spanien und Portugal zu uns herübergeschwappt.

Helmut Honold hat die Delikatesse auf seinen Motorradtouren über die iberische Halbinsel entdeckt und nun nach Stuttgart geholt. Vor Kurzem hat er die »Sardine Weinbar & Feinkost« am Rande des Bohnenviertels in der Innenstadt eröffnet. Nach dem großen Vorbild in Berlin ist dies erst die zweite nennenswerte Sardinenbar in Deutschland. Die Vorbereitungen haben zwei Jahre gedauert, denn eigentlich hatte Honold ganz andere Pläne. Am Ende aber ist eine wunderbare Geschichte daraus geworden.

»Ich habe keine Hobbys außer Essen und Trinken«

Helmut Honold, geboren und aufgewachsen in Stuttgart, ist 76 Jahre alt. Sein Straßenbauunternehmen im Kreis Göppingen hat er vor einigen Jahren verkauft. Weil es ihm im Ruhestand im heimischen Ebersbach mit seinen nicht einmal 16.000 Einwohnern ein bisschen zu still war, begab er sich auf die Suche nach einer Zweitwohnung in Stuttgart – und hat einen leerstehenden Laden, der zuletzt eine Flyer-Alarm-Filiale war, gefunden. Eine Wohnungsnutzung war nicht erlaubt, also hat er sich gedacht, ein Feinkostgeschäft mit Ausschank daraus zu machen, denn: »Ich habe keine Hobbys außer Essen und Trinken.«

Von der Schankkonzession hatte er keine Ahnung, und auch die Umbaumaßnahmen sowie Genehmigungen zogen das Projekt ungemein in die Länge. Zwischenzeitlich aber hat er einen Kompagnon vom Fach gefunden, ein »perfect match«, wie er sagt. Markus Konrad, 39, ist Restaurantfachmann und Sommelier, hat seine Ausbildung im Sternerestaurant auf »Burg Staufeneck« absolviert, wo er nach Auslandsstationen acht Jahre lang arbeitete, bis sich 2020 der Wunsch nach Selbstständigkeit und einer eigenen Weinbar durchgesetzt hat.

Stattliche Auswahl

Nun endlich ist das gemeinsame Projekt mit einer Investition im hohen sechststelligen Bereich verwirklicht. »Sardine Weinbar & Feinkost« ist ein Hybrid aus Einzelhandel und Gastronomie. An der einen Seite schwingt sich elegant eine Bar, auf der anderen Seite sind stylishe Sitznischen vor einer bunten Unterwasserweltwand. Im vorderen Bereich sind hinter der ausfaltbaren Glasfront in den Wandregalen mehr als 250 verschiedene Sardinendosen dekorativ ausgestellt. Dazu gibt es vieles mehr, was das Meer so hergibt: Thunfisch, Makrele, Lachs, Jakobsmuscheln oder auch Fischsuppe in der Flasche. Die oft nostalgisch gestalteten Dosen sind zum Beispiel in den Geschmacksrichtungen Zitrone, Piment, Karotten, Ratatouille, Seefenchel oder auch als Luxusvariante mit Hummeröl erhältlich. Apropos: Highlights für Connaisseure sind die Jahrgangssardinen mit dem besten Fang der Saison, rücklaufend bis zum gut gereiften Jahrgang 2015. »Je älter, desto mürber die Konsistenz des Fischs«, erklärt Markus Konrad.

25 verschiedene Sorten werden »offen« für den Genuss vor Ort angeboten, auf einem eigens gefertigten Olivenholzbrett mit Baguette und Salat vom Keltenhof. Alternativ gibt es vier verschiedene Rohmilchkäse und Schinken, frisch aufgeschnitten mit der Berkel-Maschine. Dazu sind mehr als 100 verschiedene Weine im Sortiment mit dem Schwerpunkt Deutschland, aber auch aus den Herkunftsländern der Sardinendosen. 18 davon im offenen Ausschank, wobei es Markus Konrad wichtig ist, gut trinkbare, sprich bezahlbare Weine anzubieten. Los geht es mit einem Weißburgunder vom Weingut Wöhrwag für 3,80 Euro in der 0,1-l-Portion. Für »spezielle Genießer« gibt es aber auch einen Barolo von Gaja oder Champagner von Dom Pérignon.

Auf die Frage, ob Helmut Honold mit seinen 76 Jahren jetzt der Charles Schumann von Stuttgart wird, muss er lachen. Erstens wolle man keine Nachtbar sein, obwohl die Konzession theoretisch einen Ausschank bis drei Uhr morgens zulässt. Und zweitens: »Ich möchte im Hintergrund bleiben.« Zwei- bis dreimal die Woche aber werde er schon da sein. Einfach, um das Leben in der Stadt zu genießen. Ein Apartment hat er inzwischen auch gefunden.

Info

Sardine Weinbar & Feinkost
Dienstag bis Samstag ab 11.30 Uhr
Esslinger Straße 6
70182 Stuttgart
sardine-stuttgart.de

Matthias Ring
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