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Thailand kulinarisch: Die scharfe Seite Siams

Die Küche Thailands auf einen Begriff zu reduzieren, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Versucht man es dennoch, ist das Ergebnis doch einigermaßen überraschend.

Milder Norden, wilder Nordosten

Beginnen wir die Reise durch Thailand im landschaftlich wilden Nordosten. Jener Region, die die Thai Isaan nennen. Isaan ist ein Hochplateau, durch das sich das Phu-Phan-Gebirge zieht. Die Berge spielten in der politischen Geschichte Thailands eine gewisse Rolle, weil in den 1960er-Jahren der bewaffnete Arme der Kommunistischen Partei Thailands vom Dschungel der Phu-Phan-Berge aus operierte. Das Gebirge trennt die Region aber auch geografisch vom Rest des Landes. Der daraus resultierende Einfluss der Nachbarstaaten Laos, Vietnam und Kambodscha ist kulinarisch stark spürbar. Es ist eine der ersten Regionen Thailands, in denen Reis angebaut wurde.

Die (wetterbedingte) unsichere Reisernte und die Armut in der Region spiegeln sich in den Gerichten wider. Die Mengen in den Schüsseln sind klein, dafür ist der Geschmack unfassbar intensiv. Ein »Signature Dish« des Nordens ist »kai yang« oder »kai ping«. Das ist gegrilltes Huhn, bei dem die Haut mit einer Paste aus Knoblauch, Fisch- und Sojasauce, Koriander, Ingwer und schwarzem Pfeffer einge-rieben wird. Fürs Grillen wird das Huhn breit geklopft und zwischen zwei Bambuszweige gespannt. Man bekommt »kai ping« im Norden im noblen Restaurant ebenso wie auf der Straße.

Eine weitere Eigenheit Inaans, also des nördlichen Hochplateaus, ist der Zugang zum Thema Säure. Nachdem Limetten, Zitronen und andere Zitrusfrüchte eher im warmen Süden beheimatet sind, greifen die Thai im Norden einfach auf eine andere Möglichkeit zurück, ihren Speisen Säure zuzuführen: rote Ameisen (»mod daeng«). Davon gibt es hier reichlich.

»Kai yang«, also mariniertes und gegrilltes Huhn, ist vor allem im Norden Thailands allgegenwärtig.
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»Kai yang«, also mariniertes und gegrilltes Huhn, ist vor allem im Norden Thailands allgegenwärtig.

Schmelztiegel Bangkok

Von den ländlichen Gebieten des Nordens ins urbane Umfeld der Hauptstadt. Grundsätzlich gilt: Je weiter man in Thailand in den Süden kommt, desto schärfer werden die Currys. Das hat vor allem mit den Einflüssen -Malaysias und Indiens zu tun. Dazu muss man wissen: Was wir hierzu-lande als Thai-Curry bezeichnen, heißt in Thailand »kaeng«. Wobei der Name für alle möglichen Suppen und Eintöpfe steht, deren Grundlage eine Paste ist, die im Mörser aus einer Vielzahl von Gewürzen gestampft wird. Diese Paste kommt in den Wok, wird angebraten oder in Kokosmilch aufgelöst. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Varianten. »Kaeng khiao wan« ist ein grünes Thai-Curry und »kaeng phet« rotes Thai-Curry. Wie das jeweilige Curry heißt, bestimmen nicht Fisch oder Fleisch, sondern die verwendete Gewürzpaste. Auf den Märkten Bangkoks sind die Currystände die ersten, die ihre Pfannen zum Dampfen bringen.

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Womit wir bei einem weiteren Fixstern am kulinarischen Himmel Siams wären. Den Märkten und Food-Courts der Hauptstadt, allen voran der Talad Nang Loeng. Das klingt vielleicht ungewöhnlich. Immerhin ist der Nang Loeng einer der ältesten (wahrscheinlich sogar der älteste) Märkte Bangkoks. Reiseblogger, Influencer und hippe Magazine schicken Food-affine Touristen eher zum Rot Fai oder zu anderen angesagten Plätzen. Wer allerdings die Seele des alten Bangkok und einen deutlich weniger stark von Touristen frequentierten Ort sucht, ist im 120 Jahre alten Nang Loeng besser aufgehoben. Viel besser. Und man bekommt das beste »phad thai« des Landes. Jenes recht simple Gericht aus Reisnudeln, Tamarindenpaste, Fischsauce und – klarerweise – Chilipulver, das während eines Reisengpasses im Zweiten Weltkrieg zum Nationalgericht erklärt wurde. Mittlerweile ist es das auch.

Abschließend: Essen hat in Thailand einen enorm hohen Stellenwert und immer einen gesellschaftlichen und kommunikativen Aspekt. Die anfangs erwähnte Balance kann dabei als Metapher gesehen werden, denn es ist stets ein Akt des Gemeinsamen. Sogar an den unzähligen Streetfood-Ständen wird man kaum jemanden alleine essen sehen, sondern kleine Gruppen finden, die sich um die Karren scharen.

Grundlage für Suppen, Eintöpfe und Currys ist die aus verschiedenen Gewürzen im Mörser zubereitete Currypaste. Es gibt sie in verschiedenen Farben und Varianten.
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Grundlage für Suppen, Eintöpfe und Currys ist die aus verschiedenen Gewürzen im Mörser zubereitete Currypaste. Es gibt sie in verschiedenen Farben und Varianten.

P̄hĕd = thailändisch für scharf

Gemeinsam sind sie so etwas wie die aromatische Dreifaltigkeit Thailands: Chili, Koriander und das heilige Basilikum. Der Primus inter Pares ist dabei aber eindeutig der Chili. »Prik chee fah« oder »prik kee nu«, wie die Thai dazu sagen. Dabei kam Chili erst im 17. Jahrhundert aus Südamerika nach Südostasien, ist mittlerweile aber das Markenzeichen der Küche Thailands. Dabei werden verschiedene Sorten ebenso verwendet wie unterschiedliche Zubereitungsarten. Fingerlange rote Chilis werden getrocknet und für Currys verwendet, weil sie dem Gericht eine viel intensivere Farbe geben als frische Schoten. Vogelaugenchilis kommen ins Rezept, wenn es richtig scharf werden soll. »Ped mag mag«, sagen die Thai dann – und als »farang«, also als Bleichgesicht lässt man besser die Finger davon. »Ped nitnoi« (leicht scharf) reicht völlig für reichlich Schweiß und Tränen

Chịyo = thailändisch für prost

Was Getränke bzw. Trinkkultur betrifft, ist Thailand – nennen wir es so – recht speziell. Sehr beliebt sind Softdrinks und Smoothies. Bei beiden gibt es aufgrund des üppigen Angebots an reifen exotischen Früchten eine unfassbare Vielfalt an Geschmäckern. Kann man durchaus probieren. Man sollte sich aber auf einen ordentlichen Zuckerschock gefasst machen. Oder, um noch kurz bei den alkohol-freien Getränken zu bleiben: »cha yen«. Das ist so etwas wie aromatisierter Eistee mit Milch. Cremig und leicht süßlich – sollte man dabeihaben, wenn man die Schärfe beim Essen einmal unterschätzt hat. 

Beim Bier kommt man an zwei Marken nicht vorbei. Singha (der Platzhirsch) und Chang (der kleine Bruder). Beide sehr okay. Schnaps gibt es auch. SangSom ist ein respektabler Rum – obwohl die Thai ihn Whisky nennen.



Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2021

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Jürgen Schmücking
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