Wache Neugier, beherztes Handeln: Werner Knipser ist ein Winzer mit strategischem Weitblick.

Wache Neugier, beherztes Handeln: Werner Knipser ist ein Winzer mit strategischem Weitblick.
© Klaus Gamber

Weinguide Deutschland 2023/2024: Werner Knipser für sein Lebenswerk ausgezeichnet

Weinguide 2023/24
Weinguide
Auszeichnung

Die Pfalz der 1980er-Jahre war noch nicht jener Qualitätsturbo, der sie heute ist. Dass sie zu einem wurde, hat sie auch Werner Knipser zu verdanken, der vier Jahrzehnte lang nicht aufhörte, immer wieder neue Wege zu erkunden.

Es gibt Momente – und die sind gar nicht so selten –, da sagt Werner Knipser erst mal gar nichts und guckt nur vielsagend. Der Schalk sitzt ihm dabei im Nacken, manchmal ist es sogar ein besonders pointierter Kommentar, wenn er nur guckt. Wenn Knipser seine Überzeugungen einmal nicht nur über die Mimik zum Ausdruck bringt, dann formuliert er sie gerne kurz und lakonisch, etwa: »Wer Trauben ernten will, muss spritzen.« Oder, als Erfolgsrezept im Weinbau: »Ein guter Winzer nimmt gute Trauben.« Die gute Traube, so banal sie sich anhören mag, wurde für Knipser am Beginn seiner Karriere zum Lebensthema. Die ersten selbst gepflanzten Spätburgunder etwa brachten immer viel zu viele Früchte – schlicht deshalb, weil das damals verfügbare Pflanzgut auf hohe Erträge getrimmt war. Diese Trauben aber waren nicht gut genug für einen guten Winzer – und gestatteten es nicht, den Wein anschließend im kleinen Holzfass auszubauen. Es muss sich angefühlt haben wie ein Anlaufen gegen immer dieselbe Wand.

Doch Knipser ließ sich nicht entmutigen, im Gegenteil. 1985 war der erste Jahrgang, in dem er mit Erfolg Barriques verwendete. Um dem Wein genug Dichte zu geben, praktizierte der damalige Jungwinzer das aus Burgund bekannte Saignée-Verfahren, also den Saftabzug vor Beginn der Gärung, wodurch die Beerenschalen ihre Inhaltsstoffe während der Gärung an eine reduzierte Menge Most abgeben. So gehörte Knipser zu den Ersten, die zeigen konnten, dass der Barrique-Ausbau auch für deutsche Weine ein sinnvolles Verfahren sein kann. Über welche Erfahrung und über welches Wissen Knipser bereits Anfang der neunziger Jahre verfügte, zeigt heute noch der Barrique-Spätburgunder aus dem eigentlich mediokren Jahr 1991, der – in weiser Voraussicht in Magnumflaschen gefüllt – noch immer taufrisch dasteht.

1994 hatte Knipser die Fühler bereits so weit nach Frankreich ausgestreckt, dass er burgundische Pinot-Noir-Clone pflanzen konnte, in der Großkarlbacher Lage »Im großen Garten«, dem Filetstück der Lage Burgweg. Der Kontakt zu einer Rebschule nahe Besançon erwies sich auch in zweiter Hinsicht als sehr förderlich: Zur gleichen Zeit wie die Burgunderclone pflanzte Knipser auf Anraten des Rebveredlers auch Syrah, zunächst 1000 Stöcke als Versuchs­anbau im Doppelvergleich mit Spätburgunder und Lemberger. »Syrah ist die einzige rote Sorte neben dem Spätburgunder, die sortenrein einen kompletten Wein ergibt«, ist Knipser heute überzeugt, »Cabernet und Merlot muss man cuvetieren.«

Blick aus den Knipserschen Reben auf Laumersheim und seine Kirche.
© Andreas Durst
Blick aus den Knipserschen Reben auf Laumersheim und seine Kirche.

Rebenvielfalt

Mit seiner Syrah landete Knipser nicht zuletzt auch darum einen nachhaltigen Coup, weil er die Erderwärmung antizipierte. Beim Bordeaux-Blend »Cuvée X» hingegen musste Knipser bald eher die Reife der Trauben bremsen, denn im Pfälzer Klima schießt vor allem der Merlot gerne einmal auf 15 Volumenprozent. Inzwischen wachsen sogar auch Marsanne, Viognier und Tempranillo in den Weinbergen der Familie – als Ergänzungen freilich, ohne Spätburgunder und Riesling von ihren Funktionen als Grundpfeiler verdrängt zu haben. Und Knipser hat auch einer historischen einheimischen Sorte zu einer Renaissance verholfen: Ende der achtziger Jahre fand er in einem Sortengarten beim Kloster Eberbach sieben uralte Stöcke des »Gelben Orleans«.

Diese in Orleans und sogar in ganz Frankreich völlig unbekannte Rebe wuchs noch im 19. Jahrhundert am Rüdesheimer Berg, am Roten Hang und an der Mittelhaardt. 1995 kelterte Knipser den ersten eigenen Wein aus dem Ertrag selbst geschnittener Reiser. Seither hat er immer wieder etwas nachgepflanzt, inzwischen steht ein stattlicher halber Hektar in den Weinbergen und Knipser hält große Stücke auf die Sorte: »Der Orleans bringt zwar sehr große Beeren, manche haben fast den Umfang von Mirabellen. Aber die Beerenhaut ist dick, das Fruchtfleisch ist sehr fest, es scheint was drin zu sein, was dem Wein trotz der Größe der Beere Körper und Extrakt gibt.«

Fürs Weinmachen hat Knipser eine einfache Formel: »Ein guter Winzer nimmt gute Trauben.«
© Jens Luebkemann
Fürs Weinmachen hat Knipser eine einfache Formel: »Ein guter Winzer nimmt gute Trauben.«

Mit 76 noch am Weinberg

Experimentierfreude gehört ohnehin zu den Wesensmerkmalen des Laumersheimers: Bei einer Cabernet-Franc-Anlage trieb Knipser einmal die Pflanzdichte auf die Spitze, indem er in jedes Pflanzloch zwei Reiser setzen ließ. Die heftige Konkurrenz der Stöcke um Wasser und Nährstoffe, so Knipsers Kalkül, könne das Tiefenwachstum der Wurzeln fördern: »Nach dem Austrieb sieht das zwar aus wie Kraut und Rüben«, kichert Werner Knipsers Sohn Stephan, »die Weinbergs­arbeiter schimpfen immer, wenn sie in diese Parzelle müssen. Aber die Weine sind super.«

Gute Trauben halt. Selbst mit 76 lässt der von Falstaff für sein Lebenswerk Geehrte nicht von diesem Thema ab. Auch wenn Knipsers jüngerer  Bruder Volker und sein Sohn Stephan inzwischen das operative Geschäft leiten: Man kann auch Werner Knipser noch so gut wie jeden Tag im Weinberg antreffen, auch vor körperlichen Arbeiten schreckt er nicht zurück. Hin und wieder werde er sogar noch um Ratschläge gebeten, amüsiert sich Knipser. »Und manschmol werre se sogar befolgt.« Sagt es, und guckt, wie nur Werner Knipser gucken kann.

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Erschienen in
Falstaff Nr. 10/2023

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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