Das Weingut Maitz in der Südsteiermark legt großen Wert auf Qualität, Tradition und Nachhaltigkeit. Hier feiert der Welschriesling als Lagenwein schon seit einiger Zeit seine Wiederauferstehung.

Das Weingut Maitz in der Südsteiermark legt großen Wert auf Qualität, Tradition und Nachhaltigkeit. Hier feiert der Welschriesling als Lagenwein schon  seit einiger Zeit seine Wiederauferstehung.
© Weingut Wolfgang Maitz

Welschriesling: Comeback einer Legende

Die feinwürzige, weiße Rebsorte genießt heute kein besonders gutes Image. Dabei kann sie, bei entsprechender Behandlung, auch im trockenen Bereich sehr charaktervolle Weine voller Frische und Terroirausdruck liefern. Doch unter dem Eindruck des Klimawandels wird ihr Wert zunehmend wieder erkannt und sie findet immer öfter das Interesse der Weinfreunde.

Der Welschriesling ist ein gestandener Mitteleuropäer. Mit 6,4 Prozent der Gesamt­rebfläche nimmt der Welsch­riesling allein in Österreich einen durchaus bedeutenden Teil der Weinberge in Beschlag. Die wahren »Welschmeister« sind aber die Kroaten und Ungarn, wo sich unter den Sortennamen Graševina und Olasz­rizling die weltweit größten Bestände dieser facettenreichen Sorte befinden.

Den Welschriesling findet man generell im gesamten Raum der ehemaligen Donaumonarchie. Wie erwähnt gibt es Welschriesling-Anbauflächen in Ungarn (Olaszrizling), Tschechien und der Slowakei (Rizling Vlašský) ebenso wie in der Vojvodina, Serbien (Grašac), Frankreich (Meslier de Champagne), Italien (Riesling Italico) und Slowenien (Laški Rizling). Vor allem Kroatien ist aber Welsch­riesling-Land und verfügt mit über 4000 Hektar über den weltweit größten Bestand. Die Sorte heißt hier Graševina und sehr gute Vertreter kommen zum größten Teil aus Slawonien und der Baranja, und zwar aus den Weinbaugebieten Kutjevo, Đakovo, Daruvar, Slavonski Brod und Ilok, während ein kleinerer Teil aus Zagorje und Međimurje stammt. 

Zweitgrößter Welsch-Erzeuger ist aktuell Ungarn mit 3900 Hektar vor China (angeblich 3000 Hektar) und Österreich, gefolgt von Serbien mit 909 Hektar, Slowenien, Italien und Tschechien. Im Jahr 2016 wurden weltweit etwas mehr als 24.000 Hektar aller Weinanbauflächen dem Welschriesling zugerechnet, 2010 sollen es noch über 61.000 Hektar gewesen sein. In Spanien weist die in der Region Ribera del Guadiana angebaute Sorte Borba eine idente DNA auf, wie 2003 erfolgte Untersuchungen nahelegen.

Die spätreifende Sorte ist ungemein vielseitig – und doch genießt sie keinen besonders guten Ruf. Dabei veredeln die Winzer den »Welsch« zu leben­digem Sekt, säurebetonten Speisenbegleitern und – in kleinen Mengen – zu edelsüßen Weinen von Weltklasseformat. Es ist daher höchste Zeit für eine aktuelle Bestandsaufnahme, um diesen rassigen österreichischen Klassiker zu ­würdigen.

Der Csaterberg im Südburgenland mit seinen einzigartigen Böden mit Süßwasseropalen ist für  den Welschriesling ein nahezu idealer Standort.
© OeWM_WSNA
Der Csaterberg im Südburgenland mit seinen einzigartigen Böden mit Süßwasseropalen ist für den Welschriesling ein nahezu idealer Standort.

UNKLARE HERKUNFT

Über den Ursprung der säurereichen Sorte gibt es lediglich Vermutungen. Nach den jüngsten Genanalysen handelt es sich wahrscheinlich um eine natürliche Kreuzung einer rotbeerigen Sorte namens Coccalona Nera mit einem unbekannten Elternteil. Eine Verwandtschaft zum Riesling besteht aber mit Sicherheit nicht.

Der in der deutschen Bezeichnung getroffene Vorsatz »Welsch« weist auf eine Herkunft außerhalb des deutschen Sprachgebietes hin, lange Zeit galt Italien daher als mögliches Ursprungsgebiet. Im Moment gilt als Lehrmeinung, der Welschriesling stamme aus dem altösterreichischen Kroatien beziehungsweise aus dem Einzugsgebiet der Donau irgendwo im Großraum zwischen Wien und Belgrad. Punkto Namensgebung wird daher dem kroatischen Graševina der Vorzug zu geben sein. Kroatien – und hier die an der Nordgrenze zu Ungarn liegende Region Slawonien – ist ein wahres Mekka für trockene Weißweine aus Graševina, und der Ort Kutjevo hat sich zum qualitativen Brennpunkt entwickelt. Der mit Abstand bekannteste Produzent ist die Familie Krauthaker, deren Reben auf den südorientierten Hängen des Krndija-Berges wachsen, der das als »Golden Valley« bekannte Požega-Tal von Nordosten umschließt.

Neben dem klassischen trockenen Graševina mit dem Dreieck-Etikett, dem vielleicht bestverkauften Weißwein des Landes, steht der Lagen-Welschriesling aus Mitropa, der beste Sortenvertreter Kroatiens. Aber auch als fruchtsüße Spätlese, als Trockenbeerenauslese und sogar als Amphorenwein »Kuvlakha« wird der Graševina angeboten. Etwa 30 Weingüter liegen an drei Weinstraßen in der Gespanschaft Požega-Slawonien, die sich zu einem echten kleinen Paradies für Weinliebhaber entwickelt haben. Neben den Kutjevo-Weinbergen gibt es auch Anbau in den Pleternica- und Pakrac-Hügeln.

Die Lagen, aus denen die Top-Graševina-Weine stammen – Mitrovac, Hrnjevac, Macovo brdo und Vetovo – können als slawonische Grand-Cru-Lagen bezeichnet werden. Ausschau halten sollte man nach Weinen wie dem Vallis Aurea Graševina Hrnjevac von Antun Adži  aus Kutjevo oder dem Graševina De Gotho aus der Weinkellerei Kutjevo. Zu den Klassikern zählen auch Ivan Enjingi und die Familie Jakobovi .

Seit 2005 hat Josip Gali seinen sehenswerten Weinbaubetrieb aufgebaut, heute verarbeitet die hochmoderne Kellerei Trauben von 30 Hektar um Kutjevo. Von 2008 bis heute wurden 16 Hektar neue Weinberge angelegt und sechs Hektar alte Weinberge in Vetovo, Podgorje, Kaptol und Radovanci zugekauft.

Verkostet sollte auch der Graševina von Antunovi aus Erdut werden, sowie jene von Kalazi, Pinkert oder der Terra Pannonium von Vinarija Josi aus der Baranja. Die Ilocki Podrumi bieten neben dem prächtigen Schloss der Familie Odescalchi mehrere Graševina-Weine wie den »Premium« und den komplexen »Principovac«.

Das Weingut Laposa am ungarischen Plattensee erzeugt auf vulkanischen Böden finessenreiche Sortenvertreter.
© Laposa Borterasz
Das Weingut Laposa am ungarischen Plattensee erzeugt auf vulkanischen Böden finessenreiche Sortenvertreter.

In Ungarn findet sich die größte Dichte an Welschriesling – hier Olaszrizling genannt – im Westen des Landes, an den Westufern des Plattensees in den Gebieten Badacsony und Somló, wo die Weine dank der Basaltböden feine zitronig-salzige Nuancen bis hin zu Minzenoten aufweisen. Säurestruktur und Mineralität bestimmen das Geschehen. Namen wie Sabar, Szászi, und Laposa in Badacsony, oder das Weingut Tornai aus Somló mit dem Olaszrizling Ilona bieten hervorragende Sortenvertreter an.

Oft sind es kleine Boutique-Weingüter, die besonders feinen Olasz­rizling mit großem Terroirbezug herstellen, wie den Nagy-Somlói von Györgykovács Imre, aber auch Spitzenwinzer wie Villa Tolnay mit ihrem Olaszrizling aus dem Panoráma-Weingarten am Csobancz-Berg. Mihály Figula aus Balatonfüred-Csopak erzeugt eine von Olaszrizling dominierte Cuvée mit Furmint namens »Köves«, einen der besten und mit rund 90 Euro teuersten trockenen Weißweine des Landes. Wesentlich preiswerter ist seine kraftvolle Einzellage Sáfánkert oder der kalkig-mineralische Sóskut zu haben. Und in der Slowakei erzeugt das auf Natural Wines spezialisierte Weingut Bott Fryges in der Region Muszla einen feinen Olaszrizling.

Die großen Vulkankegel im Hinterland des Balaton in Westungarn sind der Urspung salziger Welschriesling-Weine.
© Villa Tolnay
Die großen Vulkankegel im Hinterland des Balaton in Westungarn sind der Urspung salziger Welschriesling-Weine.

Die Nummer eins in Serbien

In Serbien ist Grašac, wie er hier heißt, die meistkultivierte Rebsorte. Doch wie in vielen anderen Ländern war sie auch hier allzu lange die unkomplizierte Basis für den sommerlichen Spritzer. Erst in jüngerer Zeit hat man den Namen von Italijanski Riesling wieder auf Grašac zurück geändert, um damit zu signalisieren, dass die Sorte mehr kann. Wenn man ihr Zeit zu reifen gibt, entwickelt sich eine komplexe Aromatik und verfügt über ein sehr gutes Reifepotenzial. Es waren Weine aus dem Jahrgang 2012, die manchem Weinfreund die Augen geöffnet haben. Weine wie der Grašac-Reserve der Vista Hill Winery von Molovin oder der Quet von Fruškogorski Vinogradi. Gerade die sanften Hügel entlang dem rechten Donauufer der Region Srem – Fruška Gora bieten der Sorte Topverhältnisse. Weingüter wie Vinum, Kiš, Trivanovi  oder Vinarija Vini – ebenfalls mit einem großartigen 2012 White Reserve – zeigen die Möglichkeiten auf. Der Bio-Winzer Oszkar Maurer aus Hajdukovo hat mit seinem Orange Wine Maurer Fodor Olaszrizling auch schon international aufzeigen können.

In Österreich verteilt sich die Sorte recht gleichmäßig. Niederösterreich hält mit 1112 Hektar fast 40 Prozent aller Weingärten mit Welschriesling inne, davon befinden sich rund 930 allein im Weinviertel. Im Burgenland sind es insgesamt 980 Hektar, die Region Neusiedlersee liegt dort mit etwas mehr als 600 Hektar klar voran, Leithaberg mit Rust bewirtschaftet 280 Hektar, am Eisenberg sind es immerhin 75 Hektar, in Mittelburgenland und Rosalia spielt der Welsch kaum eine Rolle. Im burgenländischen Sortenspiegel liegt der Welschriesling gleichauf mit Grünem Veltliner hinter Blaufränkisch und Zweigelt auf Platz drei. 770 Hektar sind es in der Steiermark, wo der Welschriesling die Rolle des Buschenschankweines schlechthin spielt. Die Südsteiermark hat hier mit 425 Hektar einen leichten Überhang gegenüber dem Vulkanland mit 318 Hektar. 

Die Familie Tinnacher bewirtschaftet seit Generationen Weinberge in der Südsteiermark und ist ein Hotspot für stoffig-würzigen Welschriesling aus Österreich.
© Simon Oberhofer
Die Familie Tinnacher bewirtschaftet seit Generationen Weinberge in der Südsteiermark und ist ein Hotspot für stoffig-würzigen Welschriesling aus Österreich.

Bio-Winzerin Katharina Tinnacher hat sich der Sorte angenommen und ihrem Großvater den Wein »Franz Tinnacher« gewidmet. Ihr Credo: »Die Sorte braucht für einen hervorragenden Wein mit gutem Reifepotenzial von fünf Jahren und mehr dieselbe Aufmerksamkeit des Winzers, die er auch anderen, ›großen‹ Weißweinen widmen würde. Wenn Lage, Rebmaterial, Traubenreife und der Weinausbau im Keller top sind, hat der Welschriesling das Potenzial, ein sehr eleganter, feiner Terroirwein zu sein, der seine Herkunft authentisch widerspiegelt.« Generell gilt es, den Trauben ausreichend Zeit zum Reifen zu geben. Denn erst am Höhepunkt der physiologischen Reife, wenn die Äpfelsäure in den Trauben in niedrige Bereiche kommt, kann der Wein auch mit einem Ausbau im Holzfass und einem biologischen Säureabbau sehr gut umgehen. Dass der Welschriesling zu nied­rigen Zuckerwerten neigt und lange Reifezeit am Stock benötigt, kann vor allem in Hinblick auf den Klimawandel von Vorteil sein. Und so nimmt es wenig Wunder, dass steirische Spitzenwinzer wie Tement, Sattler, Maitz oder Jaunegg heute wieder stoffige ­Welschrieslinge als Lagenweine anbieten. 

Die sanften Hügel von Carnuntum bieten dem Welschriesling gute Bedingungen, die Philipp Grassl zu nutzen weiß.
© Philipp Horak
Die sanften Hügel von Carnuntum bieten dem Welschriesling gute Bedingungen, die Philipp Grassl zu nutzen weiß.

Würziges Österreich

In Niederösterreich konnte der Welschriesling neben dem dominanten Grünen Veltliner nie richtig reüssieren, große Weißweine aus der Sorte sind hier rar. Aus Carnuntum wäre Philipp Grassl in Großhöflein zu nennen, der sich seit 2019 erfolgreich an einem reifen Stil aus uralten Reben versucht. Auch Thomas Straka aus Rechnitz im Burgenland gehört zu jenen, die dem unverfälschten, ungeschönten Welschriesling die Treue halten – er hat mit anderen Winzern wie Uwe Schiefer in Welgersdorf, Rainer Stubits am Csaterberg mit seinen Süßwasseropalen und zuletzt auch Reinhold Krutzler in Deutsch-Schützen mit Ried Ratschen dem Welschriesling aus dem Südburgenland zu neuem Renommee verholfen.

»Der Welsch war nie weg, er gehört zu Rechnitz wie der Geschriebenstein. Die Geologie, Schieferböden, das Kleinklima vom Günser Gebirge – doch immerhin knapp 900 Meter hoch und somit die höchste Erhebung des Burgenlandes – passen ganz einfach perfekt zum Welschriesling. Und das nicht erst seit zehn Jahren, sondern solange es die Sorte hier gibt«, ist Straka überzeugt. Zahlreiche Vertreter der Nature- und Orange-Wine-Szene setzen sehr erfolgreich auf Welsch, von Sepp Muster über Hannes Harkamp bis zu den Pannobile-Ladies »Rennersistas« oder Judith »Bambule« Beck. Und sie zeigen, wie Heinz Velichs »Alte Reben« aus Apetlon, dass im Seewinkel Welschriesling auch trocken ausgebaut viel Sinn macht.

Blickt man heute in die Weinkarten der besser sortierten Restaurants, so findet man immer öfter auch die Rubrik Welschriesling. Hier kann man – noch – zu meist moderaten Preise hoch spannende Speisenbegleiter entdecken. Und dort liegt die wahre Stärke eines reifen Welsch.

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2023

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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