Marlborough Sauvignon Blanc und seine Aromen eroberten die Welt im Sturm.

Marlborough Sauvignon Blanc und seine Aromen eroberten die Welt im Sturm.
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Coup der Kiwis: Wie Neuseeland den Sauvignon Blanc revolutionierte

Von Sancerre bis Südafrika, von Marlborough über Chile bis nach Bordeaux ist Sauvignon Blanc der Lieblingswein vieler. Eine Suche nach den Wurzeln eines außerordentlichen Erfolgs.

Der Duft ist unverkennbar: Anklänge von Brennnessel und Buchsbaum, von Passionsfrucht und Pfirsich, gefolgt von spritziger Limettenfrische – das ist der Sauvignon Blanc, den wir alle kennen. Dezentere Versionen haben zurückhaltende Aromen und hoffentlich auch wunderbare Tiefe, die von Lage und Boden spricht, rundere Versionen sind sanft vom Eichenausbau, die die exquisite, vollfruchtige Saftigkeit dieser Sorte hervorbringt. Ihre offene Aromatik ist ihr Erfolg, am überzeugendsten ist sie jedoch in Zurückhaltung. Sauvignon Blanc ist eine der begehrtesten Rebsorten der Welt. Ihre Geschichte ist lang, ihr Aufstieg ist steil.

Die weltweite Anbaufläche von Sauvignon Blanc hat sich von knapp über 65.000 Hektar im Jahr 2000 auf fast 130.000 Hektar im Jahr 2020 verdoppelt. Blickt man ein Jahrzehnt weiter zurück, nämlich auf nur 46.000 Hektar im Jahr 1990, so hat sich die weltweite Anbaufläche von Sauvignon Blanc in drei Jahrzehnten fast verdreifacht. Welchen besseren Beweis könnte es für die absolute und anhaltende Beliebtheit von Sauvignon Blanc geben?

Laut Berechnungen der Universität von Adelaide war Sauvignon Blanc im vergangenen Jahrzehnt die weltweit am ­stärksten expandierende weiße Rebsorte, vor allem in der Neuen Welt, weit entfernt von den Ursprüngen der Sorte in den ­gemäßigten Regionen Zentralfrankreichs.

Ausdrucksstark, und doch jederzeit voll unkomplizierter Trinkfreude: Es ist kein Wunder, dass sich der Anbau von Sauvignon Blanc allein in den letzten 20 Jahren weltweit verdoppelt hat.
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Ausdrucksstark, und doch jederzeit voll unkomplizierter Trinkfreude: Es ist kein Wunder, dass sich der Anbau von Sauvignon Blanc allein in den letzten 20 Jahren weltweit verdoppelt hat.

Die Anfänge

Genetische Untersuchungen lassen vermuten, dass der Sauvignon Blanc seinen Ursprung in Zentralfrankreich hat. Seine früheste Erwähnung stammt aus 1534 aus dem Loire-Tal, als der französische Schriftsteller François Rabelais ihn unter dem lokalen Namen Fiers erwähnte. Die Sorte tauchte erstmals als Sauvignon Fumé oder Blanc Fumé an der mittleren Loire auf und ist jene Traube, aus der die berühmten Weine von Sancerre und Pouilly-Fumé hergestellt werden. In Bordeaux wird sie erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts erwähnt, wo sie eine der wichtigsten Rebsorten für die trockenen Weißweine von Bordeaux ist, insbesondere für die von Graves und Pessac-Léognan, wo die Sorte gewöhnlich mit Sémillon verschnitten wird.

Sauvignon Blanc liebt kühlere Klimazonen und fühlt sich in den gemäßigten Breiten der nördlichen und südlichen Hemisphäre wohl. Klima ist der Schlüssel zu seinen ausdrucksstarken Aromen: Von kühleren zu wärmeren Gebieten umspannt er Anklänge von grüner Paprikaschote, gemähtem Gras und Brennnessel über Buchsbaum bis hin zu Tomatenblättern. Sein Fruchtspektrum umfasst die frischen Zitrusfrüchte von Limette über Grapefruit bis Zitrone sowie säuerlichen Apfel bis hin zu tropischer Fülle – insbesondere die spritzige Reife der Maracuja. Diese Aromen waren zwar schon immer vorhanden, es bedurfte jedoch eines bestimmten Stils der Vinifizierung, um sie zum Ausdruck zu bringen.

Endlich Geschmack

Mitte der 1980er-Jahre sah die Weinwelt noch ganz anders aus: Die klassischen europäischen Weine hatten die Oberhand, Appellationen wie Chablis, Sancerre und Graves waren oft die bevorzugten trockenen Weißweine. Als dann plötzlich Weißweine mit verführerisch starkem Duft eingeschenkt wurden, die trotz ihrer Kraft einfach zu genießen waren, war die Aufregung groß. Der neuseeländische Sauvignon Blanc hatte die Szene betreten. Ein Weißwein, wie man ihn noch nie zuvor gekostet hatte.

Damals war die neuseeländische Weinindustrie klein und von ertragsstarkem Müller-Thurgau dominiert, der in dem kühlen Klima reifte, aber eher uninteressante Weine ergab. Die Regierung zahlte Prämien für die Rodung von Weinbergen, und 1981 gab es in Neuseeland gerade einmal 2.600 Hektar Reben. Aber einige unternehmungslustige Geister hatten Sauvignon Blanc gepflanzt, weil sie dachten, dass er zum Klima passen könnte. Sie lagen richtig. Das kühle, aber sonnige Küstenklima von Marlborough und die kargen, gut durchlässigen Böden kamen der Sorte sehr entgegen. Auch die Weinbereitung spielte eine entscheidende Rolle. Die Vinifizierung des Sauvignon Blanc in temperaturkontrolliertem Edelstahl setzte sein gesamtes lebhaftes Aromenpotenzial frei. Der Marlborough Sauvignon Blanc mit seinem vollen Geschmack und seiner tropischen Würze war ein völlig neuer Weinstil.

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Der Coup der Kiwis

Als der Konzern Montana, heute als Brancott Estate bekannt, seinen Landbesitz in Marlborough für Sauvignon Blanc zu nutzen begann und 1980 den ersten Jahrgang auf den Markt brachte, gewann das Phänomen an Fahrt, kleinere Unternehmen hatten auch bereits den Anbau begonnen. Auch der  Australier David Hohnen vom Weingut Cape Mentelle in Margaret River witterte seine Chance. Er gründete Cloudy Bay, brachte 1985 den ersten Jahrgang heraus, und der Rest ist Geschichte. Marlborough Sauvignon Blanc wurde ein durchschlagender Erfolg: Obwohl im oberen Segment angesiedelt, war er dennoch weit verfügbar. Mit seiner einfachen Sortenbezeichnung erforderte er kein Eingeweihten-Wissen und überzeugte eine ganz neue Gruppe von Menschen vom Weintrinken. Sein Aufkommen veränderte nicht nur die neuseeländische Wein­industrie, sondern die der ganzen Welt. 

Neuseeland heute

Marlborough im Norden der neuseeländischen Südinsel ist heute wie damals das Zentrum des Sauvignon Blanc im Land. Heute gibt es in Neuseeland 26.559 Hektar Sauvignon Blanc, davon 23.834 in Marlborough. Das breite Wairau-Tal bringt Weine mit fruchtigeren, reiferen Aromen hervor. Das südlich gelegene Awatere Valley ist kühler und bringt grünere Noten hervor, die manchmal an Erbsenschößlinge und grünen Spargel erinnern. Wo einst Überschwang die Regel war, hat ein heute immer noch lebendiger, aber eleganterer Stil die Oberhand gewonnen. Die Noten von Maracuja, Pfirsich und Limette sind so klar wie eh und je, aber die Weine insgesamt harmonischer als früher. Und obwohl Marl­borough Sauvignon Blanc in der Tat ein erkennbarer Stil ist, gibt es zwischen den Winzern und Weingütern echte stilistische Unterschiede. Der kühle, in Edelstahl vergorene Stil hat zwar die Oberhand, aber es gibt mehr: in gebrauchter und neuer Eiche ausgebaute Weine ebenso wie Weine, die durch die Hefe zusätzliche Textur erhalten, und es gibt sogar ein Angebot an gereiften Jahrgängen – ein textureller und sensorischer Genuss, der Anmutungen von Stein, Rauch und tiefgründiger Frucht vermittelt. 

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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2022

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Anne Krebiehl MW
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