© ÖWM / WSNA

Das Weinviertel: Österreichs größtes Weingebiet macht seinem Namen alle Ehre

Der Nationalsorte Grüner Veltliner wurde die allerste DAC-Bezeichnung gewidmet, aber auch Rot- und Süßweine sowie Sekte sind nicht zu verachten.

Im Weinviertel setzte man schon früh auf Herkunftsmarketing. Dies wurde im Jahr 2003 mit der Einführung des österreichischen DAC-Systems und dem Weinviertel DAC für den Grünen Veltliner perfektioniert. Aber bereits ab dem späten 18. Jahrhundert spielte diese Region in der Residenzstadt Wien eine besondere Rolle. Je nach Herkunft unterschieden die kundigen Wiener Zecher die wohlfeilen Weinviertler Weißweine in »Retzer«, »Mailberger«, »Poysdorfer« oder »Brünnerstrassler«. Wobei mit jedem Begriff auch ein bestimmtes Geschmacksbild, von blumig bis rassig, konnotiert war. Doch diese Zeiten der Stehweinhallen, die sich vor allem um die Wende zum 20. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten, sind Geschichte. Mit dem Grünen Veltliner Weinviertel DAC hielt der prägende Weißwein der Region mittlerweile Einzug auf allen Weinkarten Österreichs – und darüber hinaus. Dem ging die Erfolgsgeschichte des Grünen Veltliner als Qualitätswein voraus, der sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom einfachen Alltagswein zu einem international gefragten Spitzenwein gemausert hat. Ein Trend, von dem schließlich auch das Weinviertel profitieren konnte. Von den 14.400 Hektar Veltliner österreichweit hat allein das Weinviertel einen Anteil von 6900 Hektar – beinahe jeder zweite Rebstock steht hier.

Die trockenen Grünen Veltliner sind auch heute geprägt von ihrem jeweiligen Standort im größten Weinbaugebiet des Landes. Der Konsument kann sich aber dank des nun seit 20 Jahren eingeführten DAC-System gut orientieren. Die klassische Variante des Weinviertel DAC verspricht eine frische, feinfruchtige bis pfeffrige Version. Die Weinviertel DAC Reserve und die 2020 neu hinzugefügte Weinviertel DAC Große Reserve stehen für länger ausgebaute und gereiftere Grüne Veltliner – meist mit Riedenbezeichnung –, die kräftiger und komplexer sind und ein sehr gutes Reifepotenzial aufweisen. Die Ergebnisse des aktuellsten Falstaff Weinviertel DAC Reserve Cups wurden in unserer letzten Ausgabe 7/2023 präsentiert und sind auf falstaff.at nachzulesen.

© Stefanie Hilgarth / carolineseidler.com

Weisse Alternativen

Dass der Riesling aus dem Weinviertel hingegen noch immer eher als Geheimtipp gehandelt wird, ist manchem Kenner doch ein Rätsel. Denn mit rund 560 Hektar ist diese edle Sorte hinter dem Welschriesling, der hier allerdings eher für Sekt verwendet wird, die drittwichtigste Weißweinsorte im Weinviertel. Nicht zuletzt verfügt die Region speziell im Westen, an den Abhängen des Manhartsbergs, genau über jene Urgesteinsböden, die dem Riesling die nötige Frische, Rasse und Mineralität verleihen, die von den Verehrern der Sorte gesucht werden. Der verwitterte Granit der Böhmischen Masse, die zwischen Maissau, Röschitz, Pulkau über Schrattenthal und Retz hinauf die Grenze zum Waldviertel markiert, bringt im Zusammenspiel mit Kalksandstein perfekte Bedingungen für Riesling mit. Wer die Topweine dieser Region blind mit jenen der Wachau oder des Kamptals vergleicht, wird staunen. Und wenn er die günstigen Preise dieser finessenreichen Weinviertler Rieslinge sieht, umso mehr …

Dort, wo das Weinviertel an den Wagram stößt, namentlich bei Hohenwarth, kann man zudem auf die sanften Riesen der raren Sorte Roter Veltliner treffen, der gerade eine Renaissance erlebt. Und in Seefeld-Kadolz wird vom Grafen Hardegg bereits seit mehr als 20 Jahren sehr erfolgreich unter dem Etikett »V« die französische Weißweinsorte Viognier kultiviert.

© Weingut Hagn / Stefanie Winter

Sprudelndes Weinviertel

Das Weinviertel ist als das Veltlinerland berühmt, gilt aber auch als die »Champagne der Alpenrepublik«. Daher spielt die jeweilige Herkunft in der heimischen Sektproduktion eine tragende Rolle. Poysdorf und die umliegenden Ortschaften wie Schrattenberg oder Stützenhofen sind Standorte einer florierenden Schaumweinproduktion. Erzeuger wie Christian Madl oder die Familie Hugl mit der Weinviertler Sektmanufaktur sind direkt im Weinbaugebiet tätig. Alle wichtigen Sekthäuser in Wien und Niederösterreich, von Schlumberger bis Kattus, setzen auf die hohe Qualität der Grundweine aus dem Weinviertel. Neben den Sektspezialisten erleben in jüngerer Zeit auch die Winzersekte eine neue Blüte, wie am qualitativ wie quantitativ wachsenden Angebot zu erkennen ist. Die neue Qualitätspyramide des Sekt Austria-Systems, bis hin zur Großen Reserve, hat diesem Weinsektor, der immerhin rund zehn Prozent der heimischen Trauben veredelt, einen entsprechend positiven Schub gegeben. Sekt aus Weinviertler Basisweinen liegt heute voll im Trend der Zeit. Wenig bekannt ist hingegen die lange Tradition, auf die Sekt aus dem Weinviertel verweisen kann.

1841 gründete ein Carl Radlinsky in Dürnkrut an der Nordbahn gemeinsam mit dem Besitzer der Herrschaft Dürnkrut, dem Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, die »Dürnkruter Radlinskysche Champagner-Fabrik«, die bereits reinsortigen Grünen-Veltliner-Sekt herstellte und ihre Produkte auch in Hamburg und London vertrieb. Bei der Gewerbeausstellung in Wien gab es dafür Lob: »Diese angenehmen und leichten Schaumweine werden aus der sogenannten grünen Muscateller (der grünen Mannharts-)Traube, einer niederösterreichischen Rebensorte hergestellt.« Dabei handelte es sich um nichts weniger als den Grünen Veltliner. Der Mitbewerb, namentlich der Firmengründer Robert Schlumberger, begann 1842 mit der Sektproduktion. Die Spitzencuvée des heutigen Sekt-Marktführers in Österreich ist die »R. Schlumberger Große Reserve«, hergestellt aus besten Chardonnay-Trauben und geerntet in Poysdorf.

Foto beigestellt

Vielfältiges Angebot

Die unterschiedlichen geologischen und kleinklimatischen Bedingungen haben im Weinviertel neben dem Grünen Veltliner zu einer großen Vielfalt an Rebsorten geführt. Auch der Rotwein hat in manchen Bezirken stets eine wichtige Rolle gespielt. Rund 21 Prozent der Fläche sind mit blauen Trauben bestockt, diese Zahl ist allerdings rückläufig. Vor allem der einst so wichtige Blaue Portugieser fällt immer öfter weg. Zugelegt hat der Blaue Zweigelt, mit 13,2 Prozent hinter dem Veltliner die klare Nummer Zwei unter allen Sorten im Weinviertel. Beachtlich ist die Entwicklung der Neuzüchtung Roesler, die bereits das Niveau des Pinot Noir erreicht hat, flächenmäßig nur knapp hinter dem Cabernet Sauvignon rangiert und ebenfalls vor allem für Cuvées herangezogen wird.

Galten in den letzten Jahrzehnten Orte wie Haugsdorf, Zellerndorf, Herrnbaumgarten, Mailberg oder Matzen als Rotwein-Hotspots, so trägt heute die Wahl passender Sorten sowie die Klimaänderung dazu bei, dass die Rotweine hier immer besser werden. Einige Winzer haben sich auch erfolgreich an der Herstellung von fortifizierten Rotweinen nach Art des Portweins versucht – Graf Hardegg in Seefeld-Kadolz war hier der Pionier mit dem »Forticus«. Auch edelsüße Weine und Eisweine entstehen im Weinviertel von Fall zu Fall. Aber nur wenige Erzeuger haben sich, wie das Weingut Weinrieder in Kleinhadersdorf, darauf spezialisiert und Weltklasseformat erreicht. Die Anbauzone von - profitiert von der Nähe zur March. Und hier werden regelmäßig in kleiner Menge feine edelsüße Weine produziert. Es lohnt sich also. das facettenreiche Weinviertel zu besuchen, es ist immer mit positiven Überraschungen zu rechnen.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

Zum Magazin

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
Mehr zum Thema
Advertorial
Vielfach ausgezeichnet
Das Weingut Pfaffl im Weinviertel ist das bisher einzige österreichische Weingut mit dem...