Wenn man Kaffee und Wasser Zeit gibt, damit sie, gut gekühlt, eine langfristige Beziehung miteinander eingehen können, wird man mit Aromen belohnt, wie man sie der Bohne gar nicht zugetraut hätte.

Wenn man Kaffee und Wasser Zeit gibt, damit sie, gut gekühlt, eine langfristige Beziehung miteinander eingehen können, wird man mit Aromen belohnt, wie man sie der Bohne gar nicht zugetraut hätte.
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Der Kaffee, der aus der Kälte kam

Eiskaffee war gestern – der Klassiker muss es neuerdings mit ziemlich hipper Konkurrenz aufnehmen: Cold Brew Coffee ist in den Trendsetter-Städten von New York bis Berlin im wahrsten Sinn des Wortes in aller Munde.

Kalter Kaffee macht schön! Das zumindest behaupteten Großmütter früher gern, wenn das Gebräu in der Tasse langsam abgekühlt war. Und wie die meisten Redewendungen hat der Spruch einen wahren Kern. Weil die Schönheitsprodukte der adeligen Damen einst vornehmlich auf Wachsbasis hergestellt wurden, drohte die Farbschicht im Gesicht zu schmelzen, wenn die gepuderten Nasen dem Dampf von heißem Kaffee zu nahe kamen. So soll sich der Genuss der kalten Variante durchgesetzt haben – und die aufwendig geschminkten Gesichter blieben unversehrt.

Auch die gute alte »french press« feiert dank des Höhenflugs von Cold Brew eine Wiederauferstehung.
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Auch die gute alte »french press« feiert dank des Höhenflugs von Cold Brew eine Wiederauferstehung.

Kühlschrank-Barista

Einige hundert Jahre später nimmt der Trend nun wieder Fahrt auf, diesmal allerdings nicht aus ästhetischen, sondern vielmehr aus kulinarischen Gründen. In den coolen Coffeeshops rund um den Globus ist Cold Brew längst nicht mehr nur im Sommer fixer Bestandteil der Karte. Dabei handelt es sich aber beileibe nicht nur um ein simples Käffchen, das man eine Weile hat stehen lassen. Denn Cold Brew wird, wie der Name verrät, kalt gebrüht. Dazu werden die gemahlenen Bohnen in einem geeigneten Gefäß gut mit kaltem Wasser vermischt und ziehen dann zwischen 12 und 24 Stunden im Kühlschrank. Etwa 100 Gramm Kaffeepulver – eine etwas gröbere Mahlstärke bringt subtileres Aroma – auf ein Liter Wasser gilt dabei als Richtwert. Vor dem Genuss wird die Mixtur mithilfe eines Handfilters oder einer French Press gefiltert und dann auf Eis und je nach Belieben – oder Energie-level – mit Wasser verlängert getrunken. Die lange Ziehzeit sorgt dafür, dass sich der Geschmack der Bohnen voll entfalten kann und die feinen Nuancen von Frucht- bis zu Schokoladenoten hervortreten, nicht nur deshalb ist Cold Brew inzwischen auch unter Espresso-Fans beliebt. Auch, wem Kaffee tendenziell auf den Magen schlägt, liegt mit Cold Brew richtig, denn durch die schonendere Zubereitung mit kaltem Wasser lösen sich weniger Säuren und Öle aus den Bohnen, was die Bekömmlichkeit erhöht.

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Steter Tropfen…

Cold Brew ist allerdings nicht der Weisheit letzter Schluss in Sachen cooler Kaffeezubereitung. Aficionados schwören auf die nächste Steigerungsstufe: Cold Drip Coffee. Dabei tropft über mehrere Stunden kaltes Wasser auf das Kaffeemehl, dieser Kaltauszug wird dann gefiltert. Am praktischsten lässt sich das mit entsprechenden Maschinen bewerkstelligen, der Handel bietet inzwischen reichhaltige Auswahl. Im Prinzip funktioniert aber auch jede Do-It-Yourself-Variante, die langsam kaltes Wasser auf den Kaffee tropfen lässt und den Kaltauszug am Ende filtert.

Dass Cold Drip nicht nur ein Hipster-Spleen ist, sondern durchaus einen Versuch lohnt, beweist gerade die Akzeptanz außerhalb der Kaffee-Jüngerschar. Weil die Kaffee-Aromen durch diese Zubereitung prägnant abgegrenzt sind, eignet sich Cold Drip Coffee hervorragend als Zutat in der Küche. In Wien präsentierte Nachwuchskoch Julian Kunz bereits letztes Jahr ein »Cold Drip Coffee Jelly«. Hinter der Bar hat sich Cold Brew ebenso eingenistet, etwa mit Coffee Tonic (Tonic im Verhältnis 4:1 mit Cold Brew gemixt). In Australien, dem Epizentrum der Cold-Brew-Kultur, lancierte die Spirituosenmarke Feminaè in Flaschen abgefüllten Espresso Martini aus Cold Drip Coffee mit einem Schuss Schokolade. Aber auch vertraute Kaffee-Kreationen stellen sich mit Cold Brew in ganz neuem Licht dar: Wer einmal normalen Eiskaffee mit Cold Brew zubereitet hat, wird nichts anderes mehr wollen. Wie für alle Kaffeespezialitäten gilt allerdings: Nicht jede Bohne eignet sich für jedes Getränk. Im Fall von Cold Drip und Cold Brew greift man am besten zu solchen mit hellem, milderem Röstprofil, viele Anbieter haben inzwischen auch ein eigenes Cold-Coffee-Sortiment.


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2022

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Caroline Metzger
Lukas Zimmer
Autor
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