Geschmack-Sache. Das Menü. Kochkunst mit einer Prise Provokation
Joachim Wissler geht es nicht darum, Heimatküche zur Hochküche zu nobilitieren. Und er hat keine Scheu, auch Zutaten aus der Welt in seine Menüs einzubauen. Wenn er regionale Produkte nimmt, dann nur, weil z.B. der Saibling aus dem bayerischen Lechtal, mindestens genauso gut schmeckt wie entferntere Verwandte, wenn nicht oft sogar viel besser.
Der Saibling ist dann auch ein Gang beim Menü im Restaurant »Ikarus« und wird in Wacholderbutter mit Lauch und Fichtenaromen serviert. Vorher aber delektiert man sich schon an hervorragenden Rote Bete Macarons gefüllt mit einem Wagyu Tartar, feinen »Veeses« mit Gänseleber und einem Lachs mit Ginger Ale Vinaigrette. Originell sind die Olivencracker, die ein Oreo Ziegenkäse bedeckt. Ja, man liest richtig, der Käse ist mit dem Stempel der Kekse gebrandet. Die Kombination von Jakobsmuschel und Gänseleber huldigt nicht nur mit dem Namen »Vive la France« dem Kochland Frankreich, sondern ist Hochküche pur. Sehr fein sind auch die Langoustine mit zweierlei Rouille und das Landei Miso mit Parmesan und Spargel. Das ist der Gang für jene, die das gegrillte Kalbsherz mit Trüffel, Spargel und Kalbsbries nicht mögen.
Immer wieder lässt Wissler in Vergessenheit geratene regionale Produkte und Gerichte mit innovativen Einflüssen eine Renaissance erleben, so zum Beispiel mit den Alpenlinsen, die zum Klosterschwein Spare Rib mit Salzpflaume auf den Tisch kommen. Das Mieral Perlhuhn Curry wird in zwei Teilen serviert, einmal als Brust mit Pak Choi und Macadamia Nuss und dazu im Schälchen als Curry aus den Hühnerhaxen. Der Käsegang ist sehr typisch für die Kochkunst von Joachim Wissler. In einen Buchweizenkrapfen wird Fourme D’Ambert gefüllt und warm serviert, den kalten Part liefert derselbe Käse nur dehydriert und sehr kühl mit einem Birneneis und kandierten Pomeranzen serviert. Schön anzuschauen ist das Dessert, das den poetischen Namen »Waldspaziergang im Frühling« trägt. Wisslers »Neue Deutsche Küche« ist nie provinziell, sondern sehr weltläufig und der hohe küchentechnische Aufwand nie Hokuspokus, sondern immer ein Werkzeug, um den besten Geschmack herzustellen.