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Georg und Alexandra Flür: »Wir hatten ja keinerlei Erfahrung, welche Sorten nach Tirol passen, darum pflanzten wir gleich mehrere«

Falstaff hat die einzigen Tiroler Winzer im Vollerwerb zum Interview getroffen und mit ihnen über den Weg von drei »Baco Noir«-Stöcken auf der Terrasse zu »Solaris«-Experten und schließlich hin zu einem der größten Weingüter des Landes gesprochen.

Wenn es um Wein aus Tirol geht, denkt man sofort an Südtirol in Italien. Doch auch im nördlichen Teil Tirols, also in Österreich, hat der Weinbau eine lange Geschichte. Im Mittelalter erlebte die Weinproduktion in dieser Region einen spürbaren Aufschwung, dank des warmen Klimas. Habsburger Kaiser Maximilian I. wird als bedeutender Förderer des Tiroler Weinbaus angesehen, auf sein Geheiß wurden die ersten Weinreben in der Nähe der Martinswand bei Zirl gepflanzt. Schätzungen besagen, dass es zu Beginn des 15. Jahrhunderts immerhin 60 Hektar Weinberge im heutigen Nordtirol gab, doch mit dem Einsetzen der sogenannten Kleinen Eiszeit und den damit verbundenen Klimaveränderungen, sowie dem zunehmenden Angebot an kostengünstigen Weinen aus südlichen Regionen, begann der Tiroler Wein langsam zu verschwinden (weitere Infos zum Weinbaugebiet Tirol lesen Sie hier.)

Heutzutage gedeihen die Reben an speziellen Standorten wie Haiming, Imst, Tarrenz, Thaur, Prutz und Roppen wieder in einem ausgezeichneten Zustand, wobei die  großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht in diesen speziellen Mikroklimazonen einen maßgeblichen Beitrag leisten. Falstaff hat mit den einzigen Tiroler Winzern im Vollerwerb – die Quereinsteiger Alexandra und Georg Flür – über ihre Anfänge vom Rezept, das sie von zwei alten Hobbywinzern des Dorfes erhielten, über die anfänglich eher mäßigen Ergebnisse an trinkbaren Weine über den Weg zum 4,5 Hektar und 20.000 Rebstöcke zählenden Weingut  Flür gesprochen.

Tirol ist nicht unbedingt bekannt für Weinbau. Was hat Sie dazu veranlasst, in dieser Region Wein anzubauen?

Der Weinbau in Nordtirol geht weit in der Geschichte zurück. Vor über 1.000 Jahren wurde hierzulande schon Wein angebaut. Dies belegen alte Aufzeichnungen und die Flurnamen in Tarrenz, Ötz, Roppen, Pfunds und Imst, die auf den früheren Weinbau hinweisen. Eine kleine Eiszeit im 16. Jahrhundert war die Ursache für den Rückgang des Weinbaus.

Sie haben ja eigentlich ganz andere Brotberufe erlernt, und Winzerdynastien gibt es in Tirol ja auch nicht. Was hat Ihre Leidenschaft für den Wein entfacht?

Unsere Geschichte nahm im Jahre 1995 ihren Anfang. Damals säumten drei Baco Noir Stöcke unsere Hausterrasse. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Gedanke unseren ersten Wein zu keltern, umgesetzt wurde. Das Rezept hierfür bekamen wir von zwei Hobbywinzern aus Tarrenz. Aus anfänglich eher mäßigen Ergebnissen, entwickelten sich im Laufe der Zeit jedoch erfreulich trinkbare Weine. Dies entfachte bei uns die Begeisterung für Wein und sie wuchs stetig an, genauso wie unsere Weinberge.

Sie und ihr Mann sind die einzigen Tiroler Winzer im Vollerwerb. Hatten Sie mit Vorurteilen zu kämpfen?

Der Weg in die Selbständigkeit war mit Sicherheit der richtige. Natürlich ist es nicht immer einfach und das wissen auch die Leute, aber wir bekamen eher positive Rückmeldungen als negative.

Welche Herausforderungen und einzigartigen Vorteile sehen Sie im Weinbau in Tirol im Vergleich zu traditionellen Weinbauregionen?

Die Vorteile gegenüber traditionellen Weinbauregionen sehe ich gerade in dem, dass es in Tirol noch nicht solange Weinbau gibt und die Leute Lust auf etwas Neues haben. Die Herausforderung lag immer an der Qualität und am Angebot. Die Weine waren nicht das ganze Jahr erhältlich, was natürlich auch dazu geführt hat, dass die Nachfrage noch mehr gestiegen ist.

Könnten Sie uns einen Einblick in die Sorten geben, die Sie anbauen?

Wir hatten ja keinerlei Erfahrung, welche Sorten nach Tirol passen, darum pflanzten wir gleich mehrere, wie Chardonnay, Sylvaner, Müller Thurgau, Rösler, Zweigelt, Pinot Noir und unsere Hauptsorte Solaris.

Gibt es spezielle Rebsorten, die besonders gut in der Tiroler Umgebung gedeihen?

Zweifelsohne die Solaris, eine Piwi Sorte aus Deutschland. Diese passt perfekt nach Tirol. Sie ist sehr resistent und hat deshalb bis jetzt noch keine Spritzung benötigt. Eher spät im Austrieb (kein Problem mit Spätfrost) und sehr früh reif (Anfang September) mit einem sehr hohem Zuckergehalt. Und das Beste dabei ist: Er kommt beim Gast auch noch sehr gut an, einfach perfekt! Aber auch der Pinot Noir fühlt sich auf den Tiroler Kalkböden sehr wohl.

Wie gehen Sie mit den ständig wechselnden klimatischen Bedingungen um?

Dass Weinbau in Tirol überhaupt möglich ist, verdanken wir zweifellos dem Klimawandel. Während vor 20 Jahren die Zuckergehalte noch recht bescheiden waren, können wir heute mit den restlichen Weinbaugebieten in Österreich gut mithalten. Der Weinbau rückt jetzt immer mehr in nördliche Gebiete. Wenn man sich anschaut, dass jetzt auch in England, Dänemark oder auf Sylt, um nur einige zu nennen, Wein angebaut wird, das wäre vor ein paar Jahren nicht vorstellbar gewesen.

Inwiefern spiegelt sich die Tiroler Kultur in Ihren Weinen wider? Gibt es kulturelle Einflüsse, die Ihren Stil beeinflusst haben?

Diese Frage ist schwer zu beantworten. Ich denke, dass wir in Tirol unseren eigenständigen Wein machen sollten, der vielleicht in anderen Weinbauregionen Österreichs gar nicht funktionieren würde. Einen Wein der nur in Tirol wächst und unvergleichbar ist. Ein Wein der zur Tiroler, aber auch zu internationaler Küche passt. Solaris eben!

Wieviel produzieren Sie pro Jahr?

Wir produzieren aktuell noch um die 15.000 Flaschen. Wir haben unsere vier Hektar erst vor drei Jahren angepflanzt, da kann man vielleicht in einem Jahr mit einem Vollertrag rechnen, dann werden es mehr.

Was sind Ihre Ziele?

Ich denke, wir sind unserem Ziel schon ziemlich nahe. Einerseits konnten wir schon drei Goldmedaillen und Silbermedaillen bei internationalen Weinwettbewerben einholen (AWC und Lyon), dies uns die Bestätigung gibt, dass wir mit unserer Qualität auf einen guten Weg sind und anderseits macht es uns stolz, dass wir gezeigt haben, wenn man ein Ziel vor Augen hat, egal welche Rückschläge man einstecken muss, dies auch erreichen kann.
Natürlich ist mein größtes Ziel und mein Wunsch gesund zu bleiben um noch lange das zu machen was wir lieben, nämlich Wein!

Heuriger und Buschenschank sind ja weitum bekannt. Sie betreiben aber eine Hofschank. Was ist der Unterschied? Was bieten Sie alles an?

Wir haben seit Juli 2022 unsere Hofschank vom Land Tirol verliehen bekommen. Zwischen Buschenschank und Hofschank besteht eigentlich kein Unterschied. In beiden werden bäuerliche Produkte den Gästen angeboten die man selber produziert, aber auch Produkte von Bauern aus der Umgebung. Eine Buschenschank kennt man hauptsächlich aus der Steiermark. Da man in Tirol bisher keinen Wein produzierte, sondern nur Most, Säfte und Fleischprodukte, hat man dies als Hofschank bezeichnet. Doch nun hat es sich geändert und wir können unseren Gästen hauseigene Weine, Säfte und regionale kalte Speisen an den Wochenenden von Mai bis Oktober anbieten. Man dürfte jetzt  also eigentlich auch Buschenschank dazu sagen.

Was haben Sie für die Zukunft alles auf der Agenda?

Auf meiner beziehungsweise unserer To-Do-Liste steht zur Zeit nichts großartiges an. Neben unserer Weinproduktion und Hofschank haben wir auch seit Juli eine Vinothek in Imst. Diese führt unser Sohn Marcel mit seiner Freundin Lena. Wir stehen da zwar nur in zweiten Reihe, doch man hilft natürlich mit, wenn man gebraucht wird. Ich persönlich hätte auch nichts dagegen, wenn nach 20 Jahren Weinaufbau das Ganze etwas entspannter werden würde. Aber wie es so schön heißt: von Nichts kommt Nichts.

Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
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