© Petra Kroll

Andreas Mayer vom »Schloss Prielau«: »Vegetarische und vegane Küche ist keine Spinnerei, das ist Überzeugung«

»Mayer's auf Schloss Prielau« feiert heuer sein 20-jähriges Jubiläum. Im Interview verrät der Sternekoch, wie er der historisch kultigen Adresse nach seinem großen Vorgänger Jörg Wörther seine eigene Handschrift verlieh und was Geruch damit zu tun hat, warum man die Gäste nicht in Gourmet oder Nicht-Gourmet einteilen kann und es Fine Dining immer geben wird.

Seit 2004 öffnen Sternekoch Andreas Mayer und seine Frau Anette die Türen von »Schloss Prielau« für Gäste aus aller Welt. In dem historischen Anwesen, einst das Zuhause der Familie Hugo von Hofmannsthal, erwartet Besucher eine kulinarische Erfahrung der Extraklasse. Vom im Falstaff Restaurantguide mit vier Gabeln und 95 Punkten ausgezeichneten  Gourmetrestaurant »Mayer's auf Schloss Prielau« bis hin zur gemütlichen Schlosswirtschaft und dem charmanten Hotel bietet das Anwesen eine Vielfalt an Genüssen und Erlebnissen.

Zum 20-jährigen Jubiläum in Zell am See plauderte Falstaff mit Andreas Mayer über seine Anfänge, die Herausforderungen der Vergangenheit und die Träume für die Zukunft. Dabei sprach Mayer nicht nur über die prägende Zeit bei Eckart Witzigmann, und wie es ist, »der Nachfolger von Jörg Wörther zu sein«, sondern natürlich  auch über die Entwicklung seiner Küche im Laufe der Jahre. Von der Wertschätzung vegetarischer Küche bis hin zur Kreation von einzigartigen Düften, die das Geschmackserlebnis intensivieren, gibt Mayer Einblicke in seine kreative Welt, die Veränderungen in der Gastronomie sowie die veränderten Ansprüche der Gäste an Genuss und Nachhaltigkeit.

Falstaff: Der ehemalige Wohnsitz der Familie Hugo von Hofmannsthal wurde 1425 erstmals urkundlich erwähnt. Seit 1980 ist »Schloss Prielau« im Besitz der Familie Porsche, wurde in der Folge von Jörg Wörther zum Muss für Genießer gemacht. Wie war es für Sie diese kultige Location zu übernehmen?

Andreas Mayer: Der kulinarische Ruf von »Schloss Prielau« erleichterte uns den Übergang, da die Fachwelt erwartete, dass die Familie Porsche bei der Auswahl der neuen Pächter höchsten Wert auf exzellente Gastronomie legen würde. Gleichzeitig wurden wir natürlich auch immer an unseren Vorgängern und dessen Fußspuren gemessen. Wie sich jedoch zeigt, wir waren gut zu Fuß und konnten mithalten.

Wie waren die Anfänge?

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Doch ist ein Neubeginn auch schwer. Es dauerte Jahre, bis wir uns einen Namen gemacht hatten und das Haus die heutige Anerkennung fand. Herr Porsche, als unser Verpächter, hat uns immer unterstützt und als der Veranstaltungsbereich erweitert wurde, konnten wir auch größere Festlichkeiten ausrichten. Das war eine wichtige Entwicklung, denn unsere Gourmetgäste äußerten zunehmend den Wunsch, auch ihre Feste bei uns auszurichten. Anfangs konnten wir maximal 50 Gäste bewirten. Dank der zahlreichen Auszeichnungen, gekrönt mit der Verleihung von zwei Michelin-Sternen wuchs jedoch die Nachfrage stetig.

Wurden Sie oft mit Ihrem Vorgänger verglichen?

Im ersten Jahr schon, dann nicht mehr. Denn die Gäste sahen und schmeckten natürlich, dass ich einen ganz anderen Stil hatte. Da war ein Vergleich nicht möglich. Jörg und ich kannten uns gut. Wir haben beide mit und bei Eckart Witzigmann gekocht. Doch unsere Küchenstile sind sehr unterschiedlich.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie nach Prielau gekommen sind und was hat Sie dazu bewogen, die Herausforderung anzunehmen?

Während meiner Zeit als Souschef bei »Käfer« in München lernte ich die Familie Porsche kennen, die meinen Küchenstil sehr schätzte. Ich hatte damals ein Angebot als Küchenchef des Burj Al Arab nach Dubai zu gehen. Das war eine Ehre und sehr, sehr gut dotiert. Doch meine Frau Anette wollte nicht mit unseren Kindern in Dubai leben. Sie war es, die mich zu Prielau überredet hat.

Über die Jahre haben Sie sicherlich viele prägende Stationen durchlaufen, wie beispielsweise bei Eckart Witzigmann. Könnten Sie uns einige Ihrer wichtigsten beruflichen Erfahrungen und Lernmomente auf dem Weg zum 20-jährigen Jubiläum auf »Schloss Prielau« verraten?

Die prägendste Station meiner Karriere war zweifellos die Zeit bei Eckart Witzigmann. Seine Lektionen haben mich durch meine gesamte Laufbahn begleitet.

Welche Einflüsse lassen Sie persönlich in Ihr Konzept einfließen und wie haben sich diese im Laufe der Jahre entwickelt?

Mein persönlicher Favorit ist seit über 20 Jahre die vegetarische Küche. Damals wurde diese Ernährungsform nur belächelt und in der Gastronomie kaum kreativ umgesetzt. Ich habe seit Beginn meiner Zeit auf »Schloss Prielau« schon ein vegetarisches Gourmetmenü auf der Karte. Heute wählen fast 50 % meiner Gäste vegetarische oder vegane Gerichte Ein weiteres zentrales Element meiner Arbeit ist die enge Verknüpfung von Geruch und Geschmack. Ich habe mehr als 100 Düfte entwickelt, darunter Aromen wie Rote Beete, Pfeffer, Schokolade und Trüffel. Bevor das Gericht serviert wird, dürfen die Gäste am entsprechenden Parfum riechen. Diese Methode sensibilisiert den Geruchssinn für die Hauptaromen des folgenden Ganges und intensiviert das Geschmackserlebnis, ähnlich wie das Riechen an einem guten Wein, bevor man ihn verkostet.

Gibt es etwas, was Sie vor 20 Jahren gekocht haben, aber heute nicht mehr anbieten würden? Können Sie uns mehr darüber erzählen und die Gründe dafür erklären?

Wir kochen heute viel leichter als noch vor 20 Jahren. Die Gäste möchten weg von viel Sahne und Butter in den Speisen. Die ersetzen wir durch leichte Texturen und Aromen.

Gibt es bestimmte kulinarische Trends oder aktuelle Stilrichtungen, die Sie besonders inspirieren oder faszinieren?

Es mag vielleicht vermessen klingen, aber nach 40 Jahren in der Küche habe ich mich immer und immer wieder verändert und neu inspiriert.
Es gibt wenig Dinge, die mir neu sind. Egal ob Tannenzapfen zum Dessert, die Betonung von Regionalität, das Spiel mit Cross-Over-Techniken oder das Anbieten von Tasting-Menüs. Das meiste davon habe ich bereits selbst zubereitet oder kenne es zumindest.

Mir ist wichtig, dass ich mir und meinem Stil treu bleibe. Ich folge nicht blind den Trends, sondern setze sie selbst oder bleibe meinem bewährten Weg treu. Meine Küche hat viele Phasen erlebt, und heute schätze ich besonders die traditionelle Gourmetszene. Meine Gäste lieben Klassiker wie Gänseleber und Champagner und wissen, was sie von mir erwarten können. Das ist mir wichtiger, als ständig neue Richtungen einzuschlagen. Selbstverständlich passe ich meine Küche den modernen Gegebenheiten in Bezug auf Garmethoden, neue Zutaten und die Präsentation an. Doch der Sockel meiner Küche ist die hohe Handwerkskunst des Kochens und keine Experimente.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Gastronomiebranche stark verändert. Wie haben sich Ihrer Meinung nach die Gäste und ihre Ansprüche im Laufe der Zeit verändert, und wie hat »Schloss Prielau« darauf reagiert?

Die wichtigste Veränderung sehe ich in der stark gestiegenen Nachfrage nach vegetarisch/veganer Küche. Das ist keine »Spinnerei«, das ist Überzeugung. Die Gäste sind auch nicht mehr in Gourmet oder Nicht-Gourmet einzuteilen. Der Gast möchte sich jeden Tag neu entscheiden, ob er eine Pizza bestellen, in ein Sterne Restaurant gehen oder selber kochen will. Der Verbraucher isst, wie es ihm gerade gefällt und ist spontaner geworden. Und die Gäste sind sensibel in Bezug auf die Herkunft der Speisen. Der Gast möchte wissen, woher sein Fleisch ist und was das Tier gegessen hat. Dafür ist er bereit mehr zu zahlen. Vielleicht seltener auszugehen, aber wenn man sich was gönnt, soll es nachhaltig und gut sein.

Steckt Fine Dining wirklich in der Krise, wie viele behaupten?

Fine Dining wird es immer geben. Auch heute ist es für viele Gäste wichtig und richtig. Eine Krise gibt es meiner Meinung nach nicht. Es ist schwierig geworden Nachwuchs zu finden. Ich setze mich aktiv für die Ausbildung junger Köche ein und bilde immer aus. Denn ohne frische Talente fehlt es an Zukunftsperspektiven. Früher zog der Ruf eines Hauben- oder Sternerestaurants junge Köche automatisch an. Heute suchen Arbeitnehmer nach einer ausgewogenen Balance zwischen sinnstiftender Tätigkeit, Freizeit und fairer Vergütung. Dies stellt uns vor Herausforderungen, ist aber ein Phänomen, das branchenübergreifend zu beobachten ist.

Muss sich bzw. wie kann sich die gehobene Gastronomie neu erfinden?

Nein, ich glaube nicht, dass sich die gehobene Gastronomie neu erfinden muss. Ein Champagnerhersteller erfindet sich auch nicht jedes Jahr neu. Ein Dachdecker bleibt auch beim Dach und beginnt nicht plötzlich auch noch Gartenwege anzubieten. Es ist für den Kunden wichtig, dass er weiß, was ihn erwartet. Der Gast möchte wahrgenommen werden. Doch das war schon immer so. Ich glaube im Gegenteil, dass die Gäste gerne für ein außergewöhnlich gutes Essen mehr bezahlen und das Erlebnis genießen.

Geändert hat sich in der Gastronomie die Umgangsform mit dem Gast. Es ist leichter und lässiger geworden, es gibt keinen Dresscode mehr oder Krawattenzwang wie früher. Der Gast will den Moment genießen, doch auf seine individuelle Art und Weise. Das hat sich verändert, also der Gast und seine Sicht und sein Verhalten. Der Gast ist unabhängig. Heute ist es keine Seltenheit mehr, dass jemand am einen Tag beim Discounter einkauft und am nächsten in einem Spitzenrestaurant speist. Diese Flexibilität und Vielseitigkeit in den Essgewohnheiten zeigt, wie dynamisch sich unsere Gesellschaft und die Gastronomie entwickelt haben.

Neben dem Gourmetrestaurant betreiben Sie auch die die Schlosswirtschaft, wo sie ja auch Bodenständiges anbieten. Wie hat sich die Resonanz darauf in den vergangenen Jahren entwickelt?

Wir haben nach Corona begonnen die Schlosswirtschaft auch am Abend zu öffnen. Das Konzept einer ehrlichen und frischen österreichischen Karte wird sowohl von externen Gästen, als auch unseren Hotelgästen sehr gut angenommen. Gerade wenn Gäste länger im Hotel wohnen, genießen sie maximal zweimal Gourmetküche. Da ist das Angebot der Schlosswirtschaft eine tolle Ergänzung. Und auch einheimische Gäste genießen es, leicht, lecker und leger am Abend auf unserer schönen Terrasse zu sitzen oder die heimeligen Stuben zu genießen. Nach zwei Jahren ist die Schlosswirtschaft ein fester Bestandteil unseres Konzeptes.

Vor drei Jahren sind Sie ja im nahen Saalfelden mit einem Wirtshaus mit Bar und Lounge-Gastgarten an den Start gegangen. Was wurde aus dem Projekt?

Wir haben 2021 beschlossen, die ehemalige Völlerei in Saalfelden zu übernehmen. Dann kam Corona. Doch wir hielten an dem Plan fest und eröffneten im Sommer 2022. Leider wurde mein »Too share-Konzept« nicht wirklich angenommen. Wir konnten keinen Erfolg in der Location finden und haben sie nach gut einem Jahr wieder geschlossen. Eine kostspielige Erfahrung, doch immerhin eine Erfahrung, die auch zu meinem Leben gehört.

Verraten Sie uns Ihre Pläne für die kommenden 20 Jahre?

20 Jahre sind eine beträchtliche Zeitspanne, besonders wenn man selbst nicht mehr zwanzig ist. Doch für die nächste Zukunft sind keine großen Veränderungen geplant. Wir wollen weitermachen wie bisher. Sicherlich wird uns das Leben irgendwann andere Wege weisen, beispielsweise in den Ruhestand. Allerdings glaubt uns niemand, wenn wir davon sprechen in den Ruhestand zu gehen. Dafür macht uns die Arbeit zu viel Freude.

Verraten Sie uns Ihr liebstes Rezept für unsere Leser zum Nachkochen?

Ja natürlich: Blumenkohllasagne mit Mangold und Trüffelsauce.

Seit Jahren ist Spitzenkoch Andreas Mayer Garant für eine herausragende Küche. Mit Geschmäckern aus Salzburg (Pinzgauer Lamm) und der Welt (Gänseleber-Variationen) setzt er sein Gaumenspiel in Szene.
Hofmannsthalstraße 10
5700 Zell am See
Österreich
Foto beigestellt

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Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
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