Die Staatsoper im BlickDas Gespräch fand in der »Gerstner Beletage« im Palais Todesco in Wien statt.

Die Staatsoper im BlickDas Gespräch fand in der »Gerstner Beletage« im Palais Todesco in Wien statt.
© Christof Wagenr

Großer Wein & feine Töne

Die Wachauer Winzer-Legende und Opernliebhaber F.X. Pichler traf den vinophilen Staatsopern-Direktor Dominique Meyer zum Gespräch über Musik und Wein mit unendlichem Abgang.

Der Operndirektor und der Wine­maker: Der eine liebt den Weißwein des Zweiteren, der andere den Wirkungskreis des Ersteren, gemeinsam verbindet sie ein Faible für gute Rotweine. Zwei Freun­de der gehobenen Genüsse, die noch mehr mit­­einander teilen – nämlich die Freude am kultivierten Diskurs. Für Falstaff trafen sie einander in der »Beletage« der »Gerstner k. u. k. Hofzuckerbäckerei« im prachtvollen Palais Todesco gleich vis-à-vis der Wiener Staatsoper, um über die seelenwichtigen Gegengewichte in ihrem Leben zu plaudern. Auch hier wieder eine interessante Gemeinsamkeit: Um in das Feld des jeweils anderen vorzudringen, bekennen beide, dass sie den langsamen Weg des Herantastens wählten. Dabei hatte Dominique Meyer einen gewis­sen Startvorteil, denn er wurde 1955 im Elsass geboren und studierte in Paris  – während F.X. Pichler erst im Erwachsenenalter begann, sich für die Oper zu interessieren.
Dominique Meyer leitet seit 2010 die Wie­ner Staatsoper. Zuvor war er Intendant des pri­vaten Théâtre des Champs-Élysées in Paris. Der Wachauer F.X. Pichler (76) baute den ursprünglich elterlichen Betrieb in den letzten 46 Jahren zu einem der besten Weißweingüter der Welt aus. Seine Grünen Veltliner und Ries­linge aus Toplagen – wie der Ried Kellerberg sowie spezielle Jahrgangsweine mit Namen wie »M« oder »Unendlich« – sorgen seit Jahr­­-­­­zehnten für Begeisterung bei Weinfreunden.

Dominique Meyer: Der gebürtige Elsässer weiß ein Glas gehaltvollen Rieslings wohl zu schätzen.
© Christof Wagenr
Dominique Meyer: Der gebürtige Elsässer weiß ein Glas gehaltvollen Rieslings wohl zu schätzen.

DOMINIQUE MEYER: Ich hätte vielleicht eine Flasche Wein aus meinem Büro mitbringen sollen. Ich hab dort einen kleinen Vorrat. Manchmal mache ich mit meinen Mitarbeitern nach einer Aufführung ein Flasche auf oder stoße mit speziellen Gästen in der Pause mit einem Gläschen an. Auch Frau und Herrn Pichler durfte ich schon mit einem Glas Elsässer Riesling bewirten. Ein anderes Mal mit einem roten Burgunder. Es ist nämlich für einen Weinliebhaber wie mich immer schwierig, einem tollen Winzer einen passenden Wein zu servieren. Und eines ist klar: Seine eigenen Weine trinke ich lieber bei ihm zu Hause.
FRANZ XAVER PICHLER: Mich hat die Oper schon in jungen Jahren fasziniert, später hatte ich dann Gelegenheit, sie entsprechend zu besuchen. Meine Entwicklung war dieselbe, wie sie wahrscheinlich jeder Opernfreak durchläuft: Man fängt mit leicht verträglicher Kost an. Immer, wenn ich mit meiner Alltagsarbeit überfordert war, habe ich mich zurückgezogen und am Plattenspieler Arien angehört. Dabei bin ich ruhiger geworden, das hat mir immer sehr gutgetan.

»Bei guter Opernmusik kann ich mich ganz von den Mühen des Alltags entspannen. Die macht mir den Kopf frei.«
F.X. Pichler Wachauer Winzer-Doyen

© Weingut F.X. Pichler
Franz Xaver Pichler: Den Riesling »Unendlich« ziert ein Kulissenbild von K. F. Schinkel für Mozarts Zauberflöte.
© Christof Wagenr
Franz Xaver Pichler: Den Riesling »Unendlich« ziert ein Kulissenbild von K. F. Schinkel für Mozarts Zauberflöte.

MEYER: Bei mir ist das umgekehrt. Wenn es mir in der Oper zu viel wird, ziehe ich mich zurück und trinke ein Glas Wein, aber im Grunde ist das die gleiche Art der Medizin (lacht). Ich stamme zwar aus dem Elsass, mit Wein habe ich mich aber erst in Paris näher befasst. Wein ist eine kulturelle Sache. Keine Angelegenheit, die man sofort versteht. Man muss das lernen. Und lernen, wie man verkostet. Da gibt es gewisse Ähnlichkeiten mit der Musik. Es ist eine meiner Spezialitäten, Stimmen zu entdecken. Die Analyse ist die gleiche, denn die hat mit dem Gedächtnis und der Möglichkeit zu vergleichen zu tun. Und dann gibt es eine zweite Sache: Beim Wein spielen die Charakteristika eines speziellen Jahrgangs ein Rolle, bei der Stimme ist das ähnlich. Es gibt Momente, wo sie noch nicht gut ist, und solche, wo sie besser ist. An der Oper wird langfristig geplant, da liegen schon einmal mehrere Jahre zwischen dem Moment, wo ich den Sänger engagiere, und dem tatsächlichen Auftritt. Da muss man sich vorstellen können, wie die Entwicklung seiner Stimme ist. Es ist wie bei einem Weinkritiker und dem Jungwein: Am Anfang steht die begründete Vermutung, das Ergebnis gibt es später zu schmecken – und bei mir zu hören.

»Sowohl beim Wein als auch bei Opernstimmen geht es darum, ein mögliches Entwicklungspotenzial zu beurteilen.«
Dominique Meyer Direktor der Wiener Staatsoper

PICHLER: Ich habe mir die Opernmusik mit melodiösen Stücken à la Donizetti erschlossen und mich mit der Zeit langsam gesteigert und an komplexere Dinge herangewagt. Ich denke, das ist der normale Weg. Wenn man sich mit Wein befasst, beginnt man auch nicht gleich mit Bordeaux oder gar Burgund.

MEYER: Als ich nach Wien kam, hatte ich gar keine Ahnung vom österreichischen Wein. Im Elsass war mein Lieblingswein immer der Riesling. Und hier hat man gesagt: Du musst Grünen Veltliner trinken. Ich habe sehr lange gebraucht, um dahinterzukommen, was ein wirklich typischer, was ein sehr guter Veltliner ist. Es gibt ein so breites Angebot an Weinen – das ist einzigartig, aber nicht leicht zu verstehen. Beim österreichischen Riesling hingegen war ich sofort zu Hause.

PICHLER: Dann lassen wir uns doch einfach meinen Riesling »Unendlich« schmecken.

Erschienen in
Opernball Spezial 2018

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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