© Henris Edition

Lizenz-Aus für Gault&Millau Deutschland?

Steht die deutsche Ausgabe des Gault&Millau vor dem Aus? Glaubt man der Muttermarke, nutzt der deutsche Lizenznehmer den Namen Gault&Millau seit rund drei Monaten ohne Genehmigung. Der Münchner Verlag Henris Edition streitet die Anschuldigungen energisch ab – und prüft rechtliche Schritte.

»Please retry later« heißt es seit einigen Wochen beim Klick auf die deutsche Website des Restaurantführers Gault&Millau. Was nach einem ärgerlichen IT-Fehler aussieht, hat möglicherweise gravierende Ursachen und könnte schon bald juristische Auseinandersetzungen mit sich ziehen

Die Vorwürfe, die von der Muttermarke erhoben werden, wiegen schwer. In einer Mitteilung heißt es, der deutsche Gault&Millau-Lizenznehmer, der Münchner Verlag Henris Edition, nutze seit dem 16. November 2023 die Marke Gault&Millau ohne Genehmigung. Was die Sache noch pikanter macht: Erst Anfang Februar hatte Henris Edition mit der Ankündigung von sich Reden gemacht, den Gault&Millau in Deutschland mit neuem Team und der Einbindung von Leserinnen und Lesern in die Restaurantbewertungen neu ausrichten zu wollen. 

Zuvor, im Sommer 2023, hatte der langjährige Chefredakteur Christoph Wirtz sein Amt niedergelegt. Monatelang blieb der Chefposten daraufhin leer, bis er Anfang 2024 dann von einem mehrköpfigen »Expertenrat« ersetzt wurde.

Henris Edition streitet die Vorwürfe ab

Doch nun könnte der Gault&Millau in Deutschland unter der Leitung von Henris Edition vor dem Aus stehen.

Die Gründe für den vermeintlichen Bruch zwischen dem internationalen Restaurantführer und seinem deutschen Lizenznehmer Henris Edition sind laut Muttermarke vielfältig. Die Vorwürfe gegen den Münchner Verlag und damit auch seinen Herausgeber Hans Fink sowie seine geschäftsführende Ehefrau Hannah Fink-Eder reichen von nicht erbrachten Zahlungen der Lizenzgebühren, Verletzung vertraglicher Verpflichtungen bis hin zu Geschäftspraktiken, »die in keiner Weise die Standards, die Ethik und die Werte widerspiegeln«, für die der Gault&Millau seit seiner Gründung stehe. Herausgeber Hans Fink streitet die Anschuldigungen ab.

»Die derzeit im Umlauf befindlichen Nachrichten sind ruf- und geschäftsschädigend und werden mit Nachdruck zurückgewiesen«

Bei genauer Betrachtung jedoch gibt es seit geraumer Zeit Hinweise, die ein mögliches Vertragende zwischen Gault&Millau und dem deutschen Verlag erahnen lassen. In vielen Fällen hätten die deutschen Lizenznehmer sich über international geltende lizenzvertragliche Vorgaben hinweggesetzt, heißt es etwa aus dem Umfeld des Gault&Millau. So hat Henris Edition beispielsweise als einziger Lizenznehmer weltweit im Jahr 2022 ein Bewertungssystem eingeführt, das auf die für den Guide typischen Bewertungspunkte verzichtet. Stattdessen gibt es im deutschen Guide maximal fünf Hauben, die in den Farben rot und schwarz abgestuft sind. 

Auf die Nichtverfügbarkeit der offiziellen deutschen Website angesprochen, hieß es noch Mitte Januar aus internen Kreisen des Verlags, dass massive technische Probleme in der Vergangenheit dafür sorgten, dass die offizielle Seite immer wieder abstürzte. Daher habe man eine Kopie erstellt: gaultmillau-media.com – auch, um über eine eigene Domain per Mail erreichbar zu sein. Am Tag nachdem die Muttermarke das Bestehen einer Lizenz in Frage gestellt hatte, ist diese Website noch immer erreichbar. Nun liegt allerdings der Verdacht nahe, dass die Kopie nicht aufgrund technischer Fehler, sondern aufgrund der vermeintlich entzogenen Lizenzrechte erstellt wurde. 

Unstimmigkeiten zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer

Glaubt man der Pressemitteilung der Henris Edition, die am Freitagmittag veröffentlicht wurde, verfügt der Münchner Verlag weiterhin über die gültige Lizenz für die Marke Gault&Millau in Deutschland: »Die Lizenzkosten sind vertragsgemäß bis einschließlich 2025 vollständig bezahlt.« Damit widerspricht der Verlag den Vorwürfen, beim Gault&Millau in Zahlungsrückstand zu stehen. Weiter teilte Henris Edition mit: »Die derzeit im Umlauf befindlichen Nachrichten sind ruf- und geschäftsschädigend und werden mit Nachdruck zurückgewiesen.«

Unter Mitgliedern des in der vergangenen Woche neu aufgestellten Gault&Millau-Teams Deutschland ist die Verwunderung groß. Bis zur Pressemitteilung am Freitag habe es von der Henris Edition keine Informationen zu einer vermeintlichen Auseinandersetzung um die Gault&Millau-Lizenz gegeben.

Unstimmigkeiten wie diese ziehen sich auch durch die Geschichte der Lizenzvergabe des Gault&Millau in Deutschland. Bis Ende der 2010er Jahre lässt sie sich noch recht einfach nachvollziehen: von 1983 an verlegte der Münchner Christian Verlag den Restaurantführer. Im Herbst 2017 erfolgte dann die Übernahme durch die Münchner ZS Verlags GmbH – jedoch nur für rund zwei Jahre. Im Mai 2020 gab schließlich Hubert Burda Media bekannt, die Lizenz erworben zu haben – mit dem Ziel, das Portfolio rund um die Marke und den Gourmetführer auszubauen, beispielsweise mit einem eigenständigen Magazin. Der damalige Burda-Manager Hans Fink hatte die Partnerschaft eingefädelt. Wiederum keine zwei Jahre später, im Februar 2022, gab der Verlag die Lizenzrechte wieder überraschend ab – an Fink, der sich mit seiner Frau mit dem Münchner Verlag Henris Edition selbständig machte.

Burda begründete die Weitergabe der Lizenzrechte an seinen Ex-Mitarbeiter mit der Größe des eigenen Unternehmens: »Es hat sich gezeigt, dass […] ein kleines Team noch besser geeignet ist, um die vielfältigen, aber auch kleinteiligen Themen gut zu managen«. Genau dieser Vorteil sollte bei Henris Edition im Mittelpunkt stehen. So die Theorie.

Und jetzt?

Bei einem Hintergrundgespräch mit Henris-Edition-Angehörigen im Januar gab man sich trotz Problemen mit den Lizenzgebern optimistisch: Der Vertrag werde wie geplant bis 2026 laufen. Auf eine Nachfrage nach der Zukunft des Restaurantführers heißt es aus dem Verlag am Tag nach Bekanntwerden des vermeintlichen Vertragsendes: »Unserer Rechtsauffassung nach steht es nicht infrage, dass wir als Gault&Millau im Herbst erscheinen«.

 


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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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