Sternekoch Sven Wassmer mit seinem Team in der offenen Küche des «Memories».

Sternekoch Sven Wassmer mit seinem Team in der offenen Küche des «Memories».
© Claus Brechenmacher & Reiner Baumann

Schweiz kulinarisch: Die besten Köchinnen und Köche des Landes

Spitzenküche hat in der Schweiz eine lange Tradition – und dies nicht zuletzt dank dem Fremdenverkehr, der schon im 18. Jahrhundert Kulinariktrends aus dem Ausland ins Land brachte.

Für Gourmets ist die Schweiz ein Paradies. Nicht nur die Sternedichte ist rekordmässig hoch, auch die Grundqualität der Alltagsgastronomie sucht weltweit ihresgleichen. Zu verdanken ist dies unter anderem dem legendären Hotelier César Ritz. Der gebürtige Walliser holte 1870 den französischen Jahrhundertkoch Auguste Escoffier nach Luzern, um dort seine Köche zu schulen. Die beiden legten so den Grundstein für die Schweizer Gastronomieausbildung, die bis heute zu den besten der Welt gehört: Gleich mehrere hochkarätige Hotelfachschulen befinden sich im Land – die École hôtelière de Lausanne beispielsweise, die nicht nur weltweites Re­nom­mee geniesst, sondern selbst sogar ein erstklassiges Restaurant betreibt, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist.

Die Schweizer Spitzenküche war lange klar französisch geprägt, wobei sie je nach Landesteil schon immer feine Unterschiede aufwies. Denn die Schweiz ist nicht zuletzt auch auf den Tellern von ihrer Mehrsprachigkeit und den damit verbundenen kulturellen Unterschieden geprägt. In der Westschweiz ist der französische Einfluss auch heute noch allgegenwärtig. Orte wie das Drei-Sterne-Lokal «Restaurant de l’Hôtel de Ville» in Crissier mit Chefkoch Franck Giovannini oder das zweifach besternte Lokal der französischen Starköchin Anne-Sophie Pic in Lausanne würden auch in Frankreich selbst zur absoluten kulinarischen Spitze zählen. Im Tessin sind die Einflüsse Italiens nicht wegzudiskutieren. Mattias Roock in der «Locanda Barbarossa» im Resort «Castello del Sole» in Ascona lebt eine moderne, mediterrane Küche. Das Menu «Sapori del nostro orto» zeigt die ganze Bandbreite der Roockschen Tessiner Gerichte und überrascht den Gast mit der Vielfalt und Raffinesse der lokalen Produkte, die teilweise aus eigener Erzeugung stammen. Auch die Aromaküche von Rolf Fliegauf, der seit 2007 im «Ecco» ebenfalls in Ascona kocht, hat über die Jahre die kulinarische Seele der Region verinnerlicht. Seine Kreationen, die im Kern weltoffen sind und oft mit japanischen Elementen aufwarten, zeigen immer wieder auch mediterrane, regionale Aspekte.

Die Deutschschweiz hingegen scheint aus Tradition empfänglich für aktuelle Trends zu sein – was insbesondere die Gastroszene der inoffiziellen Schweizer Food-Hauptstadt Zürich zeigt. Shootingstars wie Zizi Hattab beweisen dies eindrucksvoll: Ihre rein vegane Fusion-Küche vereint nordafrikanische, mexikanische und mediterrane Einflüsse. Die teils exotischen Zutaten hierfür lässt sie nach ihren Bedürfnissen in der Schweiz produzieren. Für ihre Bemühungen erhielt die Köchin mit marokkanischen Wurzeln einen Michelin-Stern sowie einen grünen Stern für Nachhaltigkeit. Andere Hochkaräter wie Stefan Heilemann vom «Widder» oder Heiko Nieder vom «The Restaurant» im «Dolder Grand» lassen sich auf der ganzen Welt – insbesondere auch in Asien – inspirieren, wobei die klassische, französische Schule als Fundament dient. Das Zürcher Gastro-Traumpaar Elif Oskan und Markus Stöckle wiederum hievt die Kulinarik der eigenen Wurzeln auf ein neues Niveau und betreibt erfolgreich das kontemporär-türkische Restaurant «Gül» sowie mit dem «Rosi» eines der wohl besten und progressivsten bayerischen Wirtshäuser überhaupt. Mehr kulinarische Vielfalt auf kleinstem Raum findet man kaum.

Inspiration Rätoromanisch

Die vierte Landessprache der Schweiz – das Rätoromanische – ist für alle, die es nicht sprechen, durchaus rätselhaft. Ihr Klang erinnert am ehesten an Portugiesisch und im Schweizer Kanton Graubünden, unweit der Grenzen zu Österreich und Italien, weit weg vom Meer, würde man sie unwissentlich ganz sicher nicht verorten. In den Alpentälern, wo sie bis heute gesprochen wird, sind regionale Spezialitäten allgegenwärtig. Genau wie auch der Tourismus, der die hiesige Gastronomie seit jeher befeuert. Es ist somit nicht weiter verwunderlich, dass einer der besten und prägendsten Schweizer Köche unserer Zeit genau diese Sprache spricht. Für Andreas Caminada ist Rätoromanisch Inspiration und Teil seiner Identität. Im Bündner Kulinarik-Mekka Fürstenau, welches Caminadas Drei-Sterne-Restaurant «Schloss Schauenstein», das Gasthaus «Casa Caminada» und das vegetarische Restaurant «Oz» vereint, ist das deutlich spürbar. In der «Casa Caminada» stehen Bündner Klassiker wie Maluns und Capuns auf der Karte, in den beiden Fine-Dining-Restaurants zelebriert man die hervorragenden Produkte der Region. Letztere kommen aus dem eigenen Gemüsegarten, aber auch von den besten Produzenten im Umland.

Der Bündner Drei-Sterne-Koch Andreas Caminada baut einen Teil der Produkte für seine Lokale im eigenen Garten an.
© Beigestellt
Der Bündner Drei-Sterne-Koch Andreas Caminada baut einen Teil der Produkte für seine Lokale im eigenen Garten an.

Talentschmiede Schweiz

Andreas Caminada ist Mentor vieler Schweizer Chefs. Shootingstars wie die zuvor erwähnte Zizi Hattab oder der gefeierte Zürcher Koch und Gastrounternehmer Nenad Mlinarevic gingen durch seine Schule, genauso wie Dominik und Adriana Hartmann, die mit ihrem Restaurant «Magdalena» in Rickenbach bei Schwyz für Furore sorgen. Das junge Team kocht ausschliesslich «plant-based» und das als einziges Schweizer Restaurant auf Zwei-Sterne-Niveau. Zu den prominentesten Caminada-Schülern gehört zweifelsohne Sven Wassmer, der im Restaurant «Memories» im St. Gallischen Bad Ragaz seine Vorstellung einer alpinen Spitzenküche lebt. Im vergangenen Jahr stieg Wassmer in den illustren Kreis der wenigen Drei-Sterne-Lokale des Landes auf und erhielt zudem einen grünen Stern für besondere Verdienste in puncto Nachhaltigkeit. 

Kompromisslose Regionalität, Saisonalität und damit verbundene Nachhaltigkeit beschäftigen die gesamte Kulinarikszene der Schweiz. Zu den Wegbereitern dieser Philosophie gehört unter anderem «Der Hexer» Stefan Wiesner aus dem Entlebuch in der Zentralschweiz. Seine «alchemistische Naturküche» entsteht zu grossen Teilen unter freiem Himmel auf offenem Feuer. Lange Jahre kochte er im «Rössli» Escholzmatt, das mit einem Michelin-Stern sowie einem grünen Stern ausgezeichnet war. Seit kurzer Zeit widmet sich Wiesner einem neuen Projekt. Im einstigen Seminarhotel «Weitsicht» in Bramboden mitten in der Biosphäre Entlebuch eröffnete er das «Wiesner Mysterion». Stefan Wiesner will hier sein Wissen in der bereits bestehenden eigenen Naturakademie vermitteln und junge Köche ausbilden. Eine Zusammenarbeit mit Andreas Caminadas Talentschmiede «Fundaziun Uccelin» gehört da auch dazu. Daneben gibt es 24 Zimmer und natürlich auch ein Gourmetrestaurant. 

Stefan Heilemann vom «Widder» in Zürich gehört zu den herausragenden Köchen in der Limmatstadt.
© Beigestellt
Stefan Heilemann vom «Widder» in Zürich gehört zu den herausragenden Köchen in der Limmatstadt.

Regional, saisonal

Wie Caminada ist auch Wiesner ein wichtiger Mentor und Impulsgeber für die Schweizer Gastronomie. So hat etwa die bekannte Bündner Naturköchin Rebecca Clopath, die sogenannte «Esswahrnehmungen» auf dem eigenen Biohof im bündnerischen Lohn anbietet, einen grossen Teil ihres Erfahrungsschatzes bei der Arbeit mit Wiesner erlangt. Clopath gehört zu den bekanntesten Vertreterinnen der Cooks’ Alliance von Slow Food Schweiz, einem weltweiten Netzwerk von Köchinnen und Köchen, welches sich für die Förderung der Biodiversität einsetzt und damit lokale Produzenten sowie die Landwirtschaft unterstützt. Regionale Trends, innovative Landwirtschaftsbetriebe, aber auch ganz einfach die Lage gewisser Regionen beeinflussen das Angebot sowie die Arbeit der Köche stark und sind Basis der herausragenden Gastronomie des Landes. Ein gutes Beispiel dafür ist die Stadt Basel, wo mit Tanja Grandits vom «Restaurant Stucki» sowie Peter Knogl vom «Cheval Blanc» zwei der besten Küchenkünstler der Schweiz tätig sind. Beide sind nicht unbedingt für radikale Regionalität bekannt. Was auch an der Lage Basels im Dreiländereck liegen mag. Peter Knogl sucht weltweit nach den besten Produkten und kreiert daraus eine klassisch französische Küche mit mediterranen und asiatischen Einflüssen. Tanja Grandits’ Menus orientieren sich ebenfalls an Produkten aus verschiedenen Regionen. Überall dort, wo das Beste zu finden ist, greift die Spitzenköchin zu. Besonders an der Region Basel sind nicht nur die Erzeugnisse von Schweizer Böden in der Umgebung, sondern auch die Beziehungen der Köche ins französische Elsass oder das deutsche Baden, die dem Begriff Regionalität eine ganz neue Dimension verleihen.


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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
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Von Redaktion